Atemzentrum

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 5. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Das Atemzentrum ist jener Teil des Gehirns, der sowohl Ein- als auch Ausatmung kontrolliert. Es liegt im verlängerten Rückenmark (Medulla oblongata) und besteht aus vier Untereinheiten. Fehlfunktionen des Atemzentrums können u. a. infolge neurologischer Erkrankungen, Läsionen und Vergiftungen auftreten oder mit anderen Krankheiten einhergehen.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Atemzentrum?

Unwillkürliches Ein- und Ausatmen hängen vom Atemzentrum ab; funktionell lassen sich dabei vier Schritte im Atmungsprozess unterscheiden.
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Beim Atemzentrum handelt es sich um eine funktionelle Einheit im Gehirn, die im verlängerten Rückenmark (Medulla oblongata) liegt. Wegen seiner enormen Wichtigkeit bezeichneten Mediziner das Atemzentrum ursprünglich auch als Lebensknoten (Nodus vitalis). Seine Aufgabe besteht in der Steuerung der Atmung, die im Wesentlichen unwillkürlich erfolgt; Menschen sind jedoch in der Lage, Ein- und Ausatmung – in gewissem Maße – auch bewusst zu kontrollieren.

Im Jahr 1811 beschrieb der französische Arzt und Physiologe Julien Jean Legallois diesen Teil des Gehirns als erster. Wie viele Gehirnfunktionen, so wurde auch das Atemzentrum durch den Vergleich von gesunden und geschädigtem Gewebe entdeckt. Legallois fand mithilfe von Tierversuchen heraus, dass Läsionen in einem spezifischen Bereich des verlängerten Rückenmarks zur Hemmung der unwillkürlichen Atmung führen.

Anatomie & Aufbau

Das Atemzentrum befindet sich im verlängerten Rückenmark und stellt keine einheitliche anatomische Struktur dar. Stattdessen handelt es sich um eine funktionelle Einheit, die sich aus unterschiedlichen Nervenzellen zusammensetzt. Diese gehören zu verschiedenen Gruppen, sind jedoch über Synapsen miteinander eng vernetzt.

Die Medizin unterscheidet vier Untergruppen: Die dorsale respiratorische Gruppe, die ventrale respiratorische Gruppe, das pneumotaktische Zentrum und das apneustische Zentrum. Verschiedene Einheiten bilden unterschiedliche Funktionen und Aufgaben ab. Die dorsale respiratorische Gruppe erstreckt sich längs durch das verlängerte Rückenmark, wobei die meisten Nervenzellen im Tractus solitarius liegen. Bei dieser Gruppe handelt es sich um ein Netzwerk ohne feste Umgrenzung.

Die ventrale respiratorische Gruppe umgibt die dorsale respiratorische Gruppe seitlich und in Brustrichtung; auch hierbei handelt es sich jedoch nicht um klar abgrenzbare Strukturen. Sowohl das pneumotaktische Zentrum als auch das apneustische Zentrum befindet sich in der Brücke (Pons): letzteres liegt im unteren Teil, wohingegen das pneumotaktische Zentrum oberhalb davon angesiedelt ist.

Funktion & Aufgaben

Unwillkürliches Ein- und Ausatmen hängen vom Atemzentrum ab; funktionell lassen sich dabei vier Schritte im Atmungsprozess unterscheiden. Die verschiedenen Gruppen von Nervenzellen innerhalb des Atemzentrums üben dabei nur jeweils bestimmte Funktionen aus. Dorsale respiratorische Gruppe ist maßgeblich für den Rhythmus der Atmung verantwortlich. Die Einatmung ist mit einer Dauer von rund zwei Sekunden kürzer als die Ausatmung, die ca. 3 Sekunden dauert.

Zur Inspiration sendet die dorsale respiratorische Gruppe Signale an die Atemmuskeln, die daraufhin aktiv das Einatmen ermöglichen. Zum passiven Ausatmen muss das Atemzentrum kein eigenes Signal erzeugen. Im Gegensatz dazu ist die ventrale respiratorische Gruppe des Atemzentrums zur forcierten Atmung notwendig, die sowohl das Ein- als auch das Ausatmen beschleunigen bzw. erzwingen kann. Das pneumotaktische Zentrum im Pons steuert einen Teil des Atmungsprozesses, den viele Menschen nicht bewusst wahrnehmen: Es stoppt die Einatmung und trägt damit zur Kontrolle des maximalen Luftvolumens in der Lunge bei.

Als Apneusis bezeichnet die Medizin das Gegenstück zu diesem Prozess: Das apneustische Zentrum des Atemzentrums veranlasst dabei kurzes heftiges Einatmen wie bei der Schnappatmung. Nach längerem Luftanhalten, großer Anstrengung oder in anderen Belastungssituationen trägt die Apneusis auf diese Weise dazu bei die Sauerstoffversorgung des Körpers sicherzustellen.


Krankheiten

Eine der bekanntesten Atmungsstörungen ist die Hyperventilation, bei der Betroffene schnell ein- und ausatmen. Infolgedessen können Symptome wie Schwindel, Sehstörungen, Erstickungsgefühle, Panikempfindung sowie Herz-Kreislauf-Beschwerden auftreten.

Hyperventilation kann sowohl im Rahmen körperlicher als auch psychischer Beschwerden auftreten, wobei zu den körperlichen Ursachen unter anderem akut gesteigerter Sauerstoffbedarf und Erkrankungen wie Schlaganfall (Apoplex), Schädel-Hirn-Trauma, Hirnentzündung (Enzephalitis) und andere Vorfälle im Großhirn zählen. Hyperventilation als psychisches Symptom ist besonders charakteristisch für Panik- und Angstattacken. Patienten mit Depression oder Schmerzstörungen neigen ebenfalls stärker zur Hyperventilation als andere Personen.

Die Schnappatmung (Dyspnoe) stellt eine schwere Atemstörung dar, die unbehandelt tödlich sein kann und durch eine reduzierte Anzahl der Atemzüge gekennzeichnet ist, wobei Betroffene pro Atemzug nur wenig Luft in die Lungen aufnehmen. Dyspnoe kommt natürlicherweise oft vor dem Todeseintritt vor und kann pathologisch dem vollständigen Stillstand der Atmung vorausgehen. Beim Atemstillstand setzt die Atmung vollständig aus, kann unter Umständen jedoch wieder einsetzen; entscheidend ist dafür vor allem die konkrete Ursache. Zu den möglichen Ursachen für einen Atemstillstand gehören neben neurologischen Krankheiten auch Vergiftungen, Lähmungen der Atemmuskeln, bestimmte äußere Gewalteinwirkungen wie Würgen, medizinische Traumata, Stromunfälle und Anästhesiekomplikationen.

Vorübergehender Atemstillstand von mindestens 10 Sekunden während des Schlafs kennzeichnet die Schlafapnoe bzw. das Schlafapnoe-Syndrom. Weitere potenzielle Symptome umfassen unruhiger Schlaf, vermehrtes Schwitzen in der Nacht, erhöhter Harndrang im Schlaf (Nykturie), Durchschlafstörungen und Sekundenschlafattacken. Nach dem Aufwachen können Schwindel und Kopfschmerzen auftreten. Darüber hinaus manifestiert sich die Schlafapnoe häufig in Anzeichen, die die psychische Leistungsfähigkeit betreffen, zum Beispiel Konzentrationsproblemen und depressiver Verstimmung.

Drogenkonsum, Fettleibigkeit (Adipositas) und neuronale Erkrankungen gehören zu den häufigsten Ursachen. Die Behandlung unterscheidet sich je nach Ursache, ist jedoch vor allem in schweren Fällen dringend erforderlich, um körperlichen Folgeschäden durch Sauerstoffmangel vorzubeugen. Weitere Atemstörungen sind Atemgeräusche (Stridor), ziehende Atmung, periodische Atmung, Mundatmung, Schluckauf (Singultus) und Niesen.

Quellen

  • Braun, J., Dormann, A .J.: Klinikleitfaden Innere Medizin. Urban & Fischer, München 2013
  • Bungeroth, U.: BASICS Pneumologie. Urban & Fischer, München 2010
  • Silbernagl, S. et al.: Taschenatlas Physiologie. Thieme, Stuttgart 2007

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