Digoxin
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 18. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Digoxin wird wie Digitoxin aus dem Fingerhut (Digitalis lanata bzw. Digitalis purpurea) extrahiert, weshalb beide den Digitalis-Glykosiden zugeordnet werden. Herzwirksame Glykoside erhöhen die Schlagkraft des Herzmuskels und senken gleichzeitig die Herzfrequenz.
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Was ist Digoxin?
Digoxin ist ein Substrat des P-Glykoproteins aus der Gruppe der sogenannten herzwirksamen Glykoside (auch Herzglykoside). Der Wirkstoff wird aus Digitalis lanata (Wolliger Fingerhut) gewonnen und kommt insbesondere bei Herzinsuffizienz (Herzschwäche) sowie Vorhofflattern- und -flimmern zum Einsatz.
Das Herzglykosid erhöht die Kontraktionskraft und Erregbarkeit des Herzmuskels, während es gleichzeitig die Frequenz und Erregungsleitung verlangsamt. Digoxin selbst liegt entweder in Form von Kristallen oder als kristallines, weißliches Pulver vor, das sich in Wasser praktisch nicht auflösen lässt.
Pharmakologische Wirkung
Zum anderen setzt es die Herzschlagfrequenz herab (negativ chronotrope Wirkung) und verlangsamt die Erregungsleitung des Herzmuskels vom Bereich des Atriums (Vorhof) in die von Ventrikel bzw. Herzkammern (negativ dromotrope Wirkung). Darüber hinaus steigert Digoxin die Erregbarkeit, vor allem die der Kammermuskulatur (positiv bathmotrope Wirkung). Die genannten Wirkmechanismen bedingen ein erhöhtes Schlagvolumen, das sich wiederum positiv auf den Blutfluss in den Nieren auswirkt und die Harnausscheidung steigert.
Über die Inhibition der Na+-Reabsorption verfügt Digoxin zudem einen direkten renalen Effekt. Die Wirkung von Digoxin basiert hierbei auf der Inhibition (Hemmung) der membrangebundenen α-Subeinheiten der Na+/K+-ATPase in den Myokardzellen. Na+/K+-ATPase ist eine Art Pumpe, die Ionen (Natrium, Kalium, Calcium, Chlorid) in das Zellinnere resp. nach außen transportiert, um das spezifische ionale Gleichgewicht der Zelle zu halten. Die Hemmung der Na+/K+-ATPase führt wiederum zu einem inhibierten Na+-und Ca2+-Austausch.
Durch die erhöhte Ca2+-Konzentration in den Myokardzellen kommt es zu einer Ca2+-Aufnahme in das sarkoplasmatische Retikulum und somit zu einer Zunahme der Kontraktionsgeschwindigkeit und Schlagkraft, denn Herzmuskelzellen benötigen für ihre Kontraktionstätigkeit Calcium und mit zunehmender Calciumaufnahme erhöht sich die Kontraktionskraft.
Die inhibierte Na+/K+-ATPase kann auch zu einer Verbesserung der Sensitivität der sogenannten Barorezeptoren (auch Pressorrezeptoren oder Drucksinneskörperchen) und entsprechend zu neurohormonellen Effekten führen. Digoxin wird in erster Linie renal, über die Nieren, ausgeschieden und verfügt über eine Halbwertzeit von 2 bis 3 Tagen.
Medizinische Anwendung & Verwendung
Digoxin kommt in erster Linie im Kontext der Therapie von akuten und chronischen Herzinsuffizienzen (Herzmuskelschwäche) sowie bestimmten Herzrhythmusstörungen (Vorhofflimmern, Vorhofflattern), die auf eine verzögerte Erregungsleitung zurückgeführt werden können, zum Einsatz.
Der Wirkstoff wird in aller Regel oral in Tablettenform oder seltener intravenös als Injektionslösung appliziert. Hierbei wird aufgrund der eingeschränkten therapeutischen Breite eine sorgfältig überwachte und individuelle Dosierungseinstellung, insbesondere bei Nierenfunktionseinschränkungen, empfohlen. Bei Vorliegen einer Überempfindlichkeit, bei Kammertachykardie und/oder -flimmern, thorakalem Aortenaneurysma (Erweiterung der Aortengefäßwand in Brustkorbhöhe), einem AV-Block (bradykarde Herzrhythmusstörung) zweiten und dritten Grades sowie hypertropher Kardiomyopathie (verdickte Herzmuskulatur) mit zunehmender Obstruktion ist eine Digoxin-Therapie kontraindiziert.
Hyperkalzämie, Hypokaliämie, Hypomagnesiämie sowie Sauerstoffmangel können ebenfalls Kontraindikatoren darstellen. Da die Wirkung von Digoxin den Sauerstoffbedarf der Herzmuskelzellen erhöht, kann sich eine Therapie mit diesem Wirkstoff bei chronischen oder akuten Myokardischämien (bspw. im Kontext einer koronaren Herzkrankheit) ungünstig auswirken.
Darüber hinaus sind im Kontext der Therapie mit Digoxin verschiedene Interaktionen mit anderen Medikamenten zu beachten. So verstärken Calcium (v.a. intravenös) sowie Diuretika oder Laxantien (Abführmittel) die Glykosidtoxizität von Digoxin. Eine parallele Therapie mit Calciumkanalblockern, Antiarrhythmika (u.a. Amiodaron, Chinidin), Itraconazol, Captopril, Spironolacton, Atropin sowie bestimmten Antibiotika bedingen eine starke Erhöhung der Digoxinkonzentration.
Zudem werden die bradykardisierende Wirkung durch Betablocker verstärkt und Herzrhythmusstörungen durch bestimmte Medikamente (u.a. Suxamethoniumchlorid, Sympathomimethika, Phosphodiesterasehemmer) begünstigt. Medikamente, die eine Erhöhung des Kaliumspiegels bedingen, reduzieren den positiv inotropen Effekt von Digoxin.
Risiken & Nebenwirkungen
Entsprechend wichtig ist eine individuelle Therapiekontrolle. Zudem können im Kontext einer Digoxin-Therapie oftmals Nebenwirkungen wie Appetitlosigkeit, Emesis (Erbrechen), Diarrhoe (Durchfall), Übelkeit sowie Schwäche, Kopfschmerzen, Schmerzen im Gesichtsbereich und Benommenheit beobachtet werden.
In seltenen Fällen führt eine Digoxin-Therapie zu Wahrnehmungsstörungen, Sehstörungen, Desorientierung und/oder Psychosen. Sehr selten geht eine Digoxin-Therapie mit Krämpfen, einer Vergrößerung der männlichen Brustdrüse, Blutbildstörungen und/oder Überempfindlichkeitsreaktionen einher.