Fossa cranii media
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 19. Januar 2022Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
Sie sind hier: Startseite Anatomie Fossa cranii media
Die Fossa cranii media ist die mittlere Schädelgrube, welche den Schläfen- oder Temporallappen des Großhirns beinhaltet. Ihre Form erinnert an die Gestalt eines Schmetterlings. Die Fossa cranii media besitzt darüber hinaus mehrere Öffnungen, durch die Hirnnerven und Blutgefäße Zugang zum Gehirn haben.
Inhaltsverzeichnis |
Was ist die Fossa cranii media?
Das menschliche Gehirn liegt in einer knöchernen Schädelhöhle, die dem empfindlichen Organ Schutz und eine formstabile Hülle bietet. Die Fossa cranii media entspricht der mittleren Schädelgrube. Sie befindet sich zwischen der Fossa cranii anterior, welche unter dem Stirnlappen des Gehirns liegt, und der Fossa cranii posterior, welche die hinterste der drei Schädelgruben darstellt.
Alle drei gehören zur Schädelbasis (Basis cranii), die gemeinsam mit dem Schädeldach (Calvaria) den Hirnschädel bildet. Von oben betrachtet erinnert die Form der Fossa cranii media an einen Schmetterling, der entlang der Längsachse des Schädels symmetrisch gespiegelt ist. Die mittlere Schädelgrube stützt den Schläfenlappen bzw. Temporallappen des Großhirns (Lobus temporalis). Seine Windungen (Gyri) und Falten (Sulci) bilden die Schädelknochen als Impressiones digitatae und Juga cerebralia ab.
Anatomie & Aufbau
Im hinteren Bereich endet die mittlere Schädelgrube an einer Kante des Felsenbeins (Pars petrosa ossis temporalis). Der „Boden“ der Fossa cranii media setzt sich aus mehreren Schädelknochen zusammen: dem großen Keilbeinflügel (Ala major ossis sphenoidalis), dem Scheitelbein (Os parietale), der Schläfenbeinschuppe (Pars squamosa ossis temporalis oder Squamosa temporalis) und der Fläche des Felsenbeins.
In und zwischen den Knochen befinden sich mehrere Öffnungen. Zu diesen gehört die obere Augenhöhlenspalte (Fissura orbitalis superior), die eine Verbindung zur Augenhöhle (Orbita) herstellt. Zur Orbita führt auch der Optikuskanal (Canalis opticus), der 5–10 mm lang ist. Mit einer Größe von 20 x 6 mm ist die Öffnung verhältnismäßig groß. Das Foramen ovale im Keilbein besitzt eine gleichmäßige rundliche Form und ist mit 4–5 x 7–8 mm etwas kleiner. Dahingegen hat das Foramen lacerum ungleichmäßige Ränder und liegt zwischen Keilbein, Schläfenbein und Hinterhauptbein. Das Foramen spinosum und das Foramen rotundum stellen weitere Durchtrittstellen in der Fossa cranii media dar und besitzen eine runde Form.
Funktion & Aufgaben
Die Aufgabe der Fossa cranii media besteht darin, dem Gehirnanteil Schutz zu bieten, der sich über ihr befindet. Einen Teil des Temporallappens repräsentiert der Hippocampus, der für das Gedächtnis eine wichtige Rolle spielt. Auch andere Strukturen im Schläfenlappen wie der entorhinale Cortex sowie die parahippocampalen und perirhinalen Areale sind für die Erinnerungsfähigkeit entscheidend. Das Wernicke-Zentrum gehört zum Sprachzentrum und dient dem Sprachverständnis. Es entspricht dem Brodman-Areal A 22.
Darüber hinaus beherbergt der Temporallappen den primären auditiven Cortex, der akustische Wahrnehmungen verarbeitet und Nervenfasern an die Capsula interna abgibt. Mit komplexen auditiven, aber auch visuellen Informationen beschäftigen sich die sogenannten neocorticalen assoziativen Areale im Schläfenlappen. Teile des Lobus temporalis lassen sich außerdem zum limbischen System zusammenfassen. Dabei handelt es sich um ein System verschiedener Hirnstrukturen, die unter anderem an der Entstehung von Emotionen, Gedächtnisfunktionen und sexuellen Funktionen beteiligt sind.
Das limbische System gilt entwicklungsgeschichtlich als sehr alt. Es umfasst den Hippocampus, die Amygdala (Corpus amygdaloideum bzw. Mandelkern), den Mammillarkörper (Corpus mamillare), den Gyrus cinguli und den Gyrus parahippocampalis. Diese anatomischen Einheiten sind über Nervenbahnen eng miteinander verbunden. Die Aktivität der Amygdala ist besonders für die Emotion Angst und für konditionales Lernen von Bedeutung.
Krankheiten
Darüber hinaus können sie Versorgungsstörungen zur Folge haben. Läsionen an Hirnnerven sind auch durch Verletzungen, Entzündungen und Tumore möglich. Über das Foramen lacerum kann sich beispielsweise ein Nasen-Rachen-Karzinom (Nasopharynxkarzinom) bis zum Sinus cavernosus ausbreiten, der venöses Blut vom Gehirn ableitet. Dort ist der Krebs in einigen Fällen imstande, Hirnnerven zu schädigen. Im Rahmen der Diagnostik des Nasopharynxkarzinoms überprüfen Ärzte deshalb häufig auch die Funktion der Hirnnerven III, V, VI, IX und X.
In der Fossa cranii media liegt der Temporallappen des Großhirns. Bei der Temporallappen-Epilepsie leiden Betroffene unter Krampfanfällen, die in den meisten Fällen im Alter von 5 bis 10 Jahren beginnen. Die Medizin unterscheidet bei der Temporallappen-Epilepsie zwischen einer lateralen/neokortikalen Variante einerseits und einer mesialen Form andererseits.
Im Temporallappen liegt außerdem der entorhinale Cortex, der vom Nervenschwund im Rahmen der Alzheimer'schen Demenz betroffen ist. Schäden am Temporallappen oder die operative Entfernung von Gewebe können auch in anderen Zusammenhängen zu Gedächtnisstörungen führen. Ein Beispiel dafür ist die anterograde Amnesie, bei der Betroffene nur noch eingeschränkt neues deklaratives Wissen, episodische Erinnerungen und andere Gedächtnisinhalte erwerben können. Bekanntheit erlangte das Krankheitsbild durch Henry Gustav Molaison, dem ein Chirurg große Teile des Temporallappens entfernte, um seine Epilepsie zu behandeln. Als „Patient H. M.“ erregte seine schwere Gedächtnisstörung Aufsehen und wurde umfangreich untersucht.
Die Ursachen für die Wernicke-Aphasie liegen ebenfalls im Schläfenlappen. Die Sprachstörung manifestiert sich als Beeinträchtigung des Sprachverständnisses und ist auch als sensorische Aphasie bekannt. Beim beidseitigen Temporallappensyndrom oder Klüver-Bucy-Syndrom zeigen Patienten nur noch eine eingeschränkte Fähigkeit, Emotionen wahrzunehmen. Gesteigertes sexuelles Verhalten (Hypersexualität) ist möglich. Darüber hinaus können weitere Symptome wie Auffälligkeiten in der visuellen Verarbeitung auftreten.
Quellen
- Benninghoff/Drenckhahn: Anatomie. Urban & Fischer, München 2008
- Faller, A. et al.: Der Körper des Menschen. Thieme, Stuttgart 2008
- Poeck, K., Hacke, W.: Neurologie. Springer, Heidelberg 2010