Infantile Cerebralparese

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 4. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die Infantile Cerebralparese (ICP) ist eine Hirnschädigung, die sowohl vor der Geburt, als auch während des Geburtsvorgangs und danach stattfinden kann. Die Symptome sind vielfältig, eine Heilung ist nicht möglich. Jedoch können die Beschwerden durch den frühzeitigen Einsatz verschiedener Therapien abgeschwächt werden.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine infantile Cerebralparese?

Die häufigsten Symptome der infantilen Cerebralparese sind Haltungs- und Bewegungsstörungen. Doch es treten weit mehr und sehr unterschiedliche Beschwerden bei der Erkrankung auf, je nachdem welche Gehirnareale von der Schädigung betroffen sind.
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Die infantile Cerebralparese ist eine Haltungs- und Bewegungsstörung die durch einen frühkindlichen Hirnschaden verursacht wird. Die Schädigung kann bereits vor der Geburt verursacht werden, aber auch während des Geburtsvorgangs und im ersten Jahr nach der Geburt.

Infantil bedeutet „das Kind betreffend, kindlich“, cerebral kommt vom lateinischen Begriff cerebrum für „Gehirn“ und parese ist die medizinische Bezeichnung für „Lähmung“. Die Störungen der infantilen Cerebralparese sind sehr vielfältig, je nachdem welche Region im Gehirn geschädigt ist. Typisch sind eine zu starke Muskelspannung und mangelnde Bewegungskoordination.

Häufig kommt es zu Krampfanfällen, manchmal liegt eine Intelligenzminderung und Auffälligkeiten im Verhalten vor. Die infantile Cerebralparese kommt eher selten vor, nur etwa 0,5% der Neugeborenen sind davon betroffen. Bei Jungen tritt die Krankheit öfter auf als bei Mädchen; Frühgeborene haben ein erhöhtes Risiko für infantile Cerebralparese.

Ursachen

Die infantile Cerebralparese kann durch verschiedene Ursachen ausgelöst werden, doch nicht immer kennt man die genauen Vorgänge, die zu der Hirnschädigung geführt haben. Zu den pränatalen (vorgeburtlichen) Ursachen der infantilen Cerebralparese gehören Vergiftungen durch erhöhten Alkohol- oder Medikamentenkonsum der Mutter, Infektionserkrankungen wie Toxoplasmose oder Röteln, eine Blutgruppenunverträglichkeit zwischen Mutter und Kind, eine Versorgungsschwäche der Plazenta oder auch Stoffwechselstörungen.

Perinatal (während der Geburt) kann infantile Cerebralparese durch Sauerstoffmangel verursacht werden, wenn beispielsweise die Nabelschnur abgedrückt wird. Aber auch durch Hirnblutungen, die bei schwierigen Geburten entstehen können, kann es zu einer infantilen Cerebralparese kommen.

Auch die Ablösung der Plazenta ist eine mögliche Ursache für die infantile Cerebralparese. Nach der Geburt (postnatal) können Infektionen oder ein Hirntrauma (Verletzung des Gehirns) die Erkrankung hervorrufen.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Bei der infantilen Cerebralparese (ICP) treten verschiedene Bewegungs- und Haltungsbesonderheiten auf. Charakteristisch für die Erkrankung sind eine schwache Muskulatur und eine verlangsamte Motorik. Je nach Lokalisation der Hirnschädigungen können weitere Symptome und Beschwerden hinzukommen.

Meist kommt es zu unwillkürlichen Bewegungsabläufen, Koordinationsstörungen und Krampfanfällen. Des Weiteren leiden die betroffenen Kinder an einer verminderten Intelligenz, woraus Lernbehinderungen und psychische Beschwerden resultieren. Oft zeigen die Erkrankten Verhaltensauffälligkeiten, zum Beispiel Aggressionen oder starke Ängste.

Infolge der individuellen Bewegungsstörungen kann es zu bleibenden Schäden an Muskeln, Knochen und Gelenken kommen. In schweren Fällen verformen sich Knochen und Gelenke, was meist zu weiteren gesundheitlichen Problemen führt. Typisch für ICP ist ein Spitzfuß, also ein Fuß mit nach oben gerichteten Zehen. Die stark verkürzte Achillessehne kann außerdem zu chronischen Schmerzen und einem ungewöhnlichen Gang führen.

Auch eine Krümmung der Wirbelsäule ist charakteristisch für die infantile Cerebralparese. Zudem können Hüftfehlstellungen und eine Verkürzung der Gliedmaßen auftreten. Zuletzt ruft die Erkrankung spastische Syndrome hervor. Dabei sind die Muskeln dauerhaft angespannt, woraus Krämpfe und Schmerzen resultieren.

Begleitend zur Muskellähmung kann eine Versteifung der Gelenke auftreten. Vorwiegend an den Beinen und Füßen treten Lähmungserscheinungen auf. Die ICP-Symptome können stark variieren, bei den meisten Patienten tritt eine Mischform der genannten Krankheitszeichen auf.

Diagnose & Verlauf

Die häufigsten Symptome der infantilen Cerebralparese sind Haltungs- und Bewegungsstörungen. Doch es treten weit mehr und sehr unterschiedliche Beschwerden bei der Erkrankung auf, je nachdem welche Gehirnareale von der Schädigung betroffen sind.

Die Ärzte sprechen hier von verschiedenen Syndromen der infantilen Cerebralparese, das heißt von mehreren gemeinsam auftretenden Symptomen. Am häufigsten ist das spastische Syndrom, bei welchem die Muskelspannung erhöht ist, Krämpfe entstehen und es zu Lähmungen kommen kann.

Beim hypotonen Syndrom der infantilen Cerebralparese ist hauptsächlich das Kleinhirn geschädigt. Das führt zu einer sehr geringen Muskelspannung mit überdehnten Gelenken; die Kinder leiden oft unter geistiger Behinderung und manchmal kommt es zu epileptischen Anfällen. Beim kongenitalen (angeborenen) Ataxie Syndrom der infantilen Cerebralparese haben die Kinder Schwierigkeiten, ihre Bewegungen zu kontrollieren und zu koordinieren. Sie haben Gleichgewichtsstörungen, Lähmungen und sind in ihrer Bewegungsentwicklung verlangsamt.

Das dyskinetische Syndrom schließlich ist gekennzeichnet von einer wechselnden Muskelspannung, von spastischen Lähmungen und von sogenannten Athetosen (unkontrollierte heftige Bewegungen der Gliedmaßen). Da Bewegungs- und Haltungsstörungen auch durch andere Ursachen ausgelöst werden können, muss der Arzt das betroffene Kind genau untersuchen und eine ausführliche Anamnese erstellen. Erst durch die Ergebnisse aller Untersuchungen und durch eine genaue Beobachtung des Kindes, kann er sicher die Diagnose für infantile Cerebralparese stellen.

Komplikationen

Bei dieser Krankheit kommt es zu einer starken Beschädigung des Gehirns. In der Regel ist es nicht möglich, diese Beschwerden kausal zu behandeln, sodass für den Betroffenen nur eine symptomatische Therapie zur Verfügung steht. Die Patienten leiden dabei an starken Störungen der Bewegung und der Konzentration. Ebenso können Gleichgewichtsstörungen auftreten, die den Alltag des Betroffenen deutlich einschränken.

Die Bewegung der Muskeln ist beim Patienten ebenfalls eingeschränkt und es kommt zu Krämpfen oder zu epileptischen Anfällen. Diese können auch zum Tode führen. In einigen Fällen leiden die Patienten auch an Lähmungen oder an Spastiken. Vor allem Kinder können dadurch Opfer von Mobbing oder von Hänseleien werden. Die allgemeine Entwicklung des Kindes wird durch die Krankheit deutlich gestört und eingeschränkt.

Möglicherweise ist der Betroffene im Erwachsenenalter auf die Hilfe anderer Menschen angewiesen. Ebenso können Sehstörungen auftreten. Auch die Intelligenz des Patienten ist in den meisten Fällen verringert. Die Behandlung zielt vor allem auf die Reduktion der Symptome ab. Allerdings ist in vielen Fällen auch die psychologische Behandlung der Eltern oder der Angehörigen notwendig.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Die infantile Cerebralparese wird in aller Regel unmittelbar nach der Geburt diagnostiziert und noch im Krankenhaus behandelt. Betroffene Kinder leiden an einer Vielzahl von Beschwerden und müssen engmaschig von einem Arzt überwacht und behandelt werden. Aus diesem Grund muss das Kind mehrmals wöchentlich zu einem Facharzt gebracht werden, der den aktuellen Gesundheitszustand abklären und gegebenenfalls die Medikation anpassen kann. Sollten sich ernste Komplikationen einstellen, muss der Rettungsdienst gerufen werden.

Insbesondere bei wiederkehrenden Muskelkrämpfen, spastischen Anfällen oder Lähmungserscheinungen ist aufgrund der Unfall- und Sturzgefahr sofortige ärztliche Hilfe nötig. Neben dem Hausarzt müssen verschiedene Ärzte hinzugezogen werden. Die Haltungsschäden bedürfen einer physio- und ergotherapeutischen Behandlung, während Sprachstörungen von einem Logopäden behandelt werden müssen. Neurologen und Internisten sind für Beschwerden wie Epilepsie, Entwicklungsstörungen und krankhafte Reflexe zuständig. Die Eltern von betroffenen Kindern sollten zunächst mit dem Haus- oder Kinderarzt sprechen und gemeinsam mit diesem entscheiden, ob und welche Fachärzte in die Therapie miteinbezogen werden müssen.

Behandlung & Therapie

Die infantile Cerebralparese benötigt eine umfangreiche Behandlung mit Therapien aus verschiedenen Bereichen. Der Erfolg ist maßgeblich von einem frühzeitigen Beginn der Behandlungen abhängig. Die infantile Cerebralparese kann nicht geheilt werden, aber man kann das betroffene Kind bestmöglich in seiner Entwicklung und seinen Fähigkeiten unterstützen.

In der Regel wird ein Therapieplan erstellt, nach dem vorgegangen wird. Die Kinder werden gefördert durch Logopädie, Physio- und Ergotherapie. Man verbessert dadurch ihre Beweglichkeit, ihre Sprechfähigkeit und die Bewältigung ihres Alltags. Zusätzlich können Neuroleptika (nervenberuhigend) und Antispastika (gegen Verkrampfung der Muskeln) die Therapie unterstützen.

Um eine bessere Beweglichkeit zu erreichen, können Funktionsschienen, Gehhilfen und andere Hilfsmittel eingesetzt werden. Bei stark verkürzte Sehnen, übermäßigen Fehlstellungen von Gelenken oder wenn die Wirbelsäule sehr verkrümmt ist, werden bei der infantilen Cerebralparese auch operative Eingriffe vorgenommen. Dabei werden Sehnen verlängert; Nerven durchtrennt, um verkrampfte Muskeln zu entspannen; Knochen umgestellt, um Gelenke wieder in die anatomisch richtige Stellung zu bringen oder instabile (lockere) Gelenke versteift.


Aussicht & Prognose

Die Erkrankung hat eine ungünstige Prognose. Trotz aller Bemühungen und verschiedener Therapieansätze liegen irreparable Schäden des Gehirns vor. Diese lassen eine Genesung oder vollständige Beschwerdefreiheit mit den derzeitigen medizinischen Möglichkeiten nicht zu. Die Einschätzung einer Aussicht auf Linderung der Symptome wird individuell unmittelbar nach der Geburt oder im weiteren Entwicklungsverlauf des Kindes gestellt. Erst dann ist absehbar, welches Ausmaß die cerebralen Verletzungen haben.

Ziel einer Behandlung sind die Verringerung vorhandener Beeinträchtigungen und eine Verbesserung der allgemeinen Lebensqualität. Die Bewegungsmöglichkeiten werden trainiert und die kognitiven Leistungen sollen in individuellen Übungen optimiert werden. Die soziale Integration des Betroffenen in die Umwelt wird überwacht, da oftmals Verhaltensauffälligkeiten auftreten, die zwischenmenschliche Störungen auslösen.

Der Patient ist trotz eines umfangreichen und vielschichtigen Therapieplanes in vielen Fällen auf die tägliche Hilfe und Unterstützung von Angehörigen oder eines Pflegeteams angewiesen. In besonders schwierigen Situationen wird ein stationärer Aufenthalt notwendig. Das Sprachvermögen sowie die Intelligenz entsprechen nicht den Kompetenzen eines gesunden Menschen. Dies erschwert die Gestaltung einer selbständigen Lebensführung. Durch verschiedene Tests erfolgt eine Einschätzung der vorhandenen Möglichkeiten. Anschließend werden schnellstmöglich Behandlungsformen eingeleitet. Je eher eine Therapie beginnen kann, desto besser sind die Aussichten auf eine verbesserte Lebensqualität und die Linderung von Beschwerden.

Vorbeugung

Man kann gegen infantile Cerebralparese nicht vorbeugen, aber mit regelmäßigen Untersuchungen in der Schwangerschaft können krankhafte Vorgänge früh erkannt und möglicherweise behandelt werden. Ist ein Kind an infantiler Cerebralparese erkrankt, so ist zwar keine Heilung möglich, aber man kann die Symptome und die Behinderungen abschwächen, indem man frühzeitig mit der Behandlung beginnt.

Nachsorge

Bei der infantilen Cerebralparese handelt es sich um eine Behinderung, die vor allem bei Kindern auftritt. In Deutschland sind 195.000 Kinder betroffen, was im Umkehrschluss bedeutet, dass eines von 500 Kindern eine Cerebralparese entwickelt. Der Begriff setzt sich zusammen aus den Wörtern "Cerebrum" (lateinisch für "Gehirn") und "Parese" (lateinisch für "Lähmung").

Es handelt sich jedoch nicht um eine Lähmung des Gehirns, sondern um eine Schädigung desselben, die eine körperliche Lähmung zur Folge hat. Die genaue Ursache ist in rund der Hälfte der Fälle nicht zu ermitteln, allerdings lässt sich feststellen, dass Sauerstoffmangel die häufigste Ursache für eine infantile Cerebralparese ist.

Behinderungen beziehungsweise Schädigungen können innerhalb drei verschiedener Stadien entstehen: Vor der Geburt (pränatal), während der Geburt (perinatal) und nach der Geburt (postnatal). Die Behinderung kann sich auf verschiedene Arten auswirken. Ist der Körper halbseitig gelähmt, spricht man von einer Hemiplegie inklusive einer spastischen Hemiparese.

Sind nur die unteren Gliedmaßen betroffen, ist von einer Paraplegie inklusive einer spastischen Paraparese die Rede. Sind alle vier Gliedmaßen gelähmt, diagnostiziert man eine Tetraplegie inklusive einer spastischen Tetraparese. Häufig kommt es zu einem erhöhten Muskeltonus in Verbindung mit unwillkürlichen Fehlbewegungen, sogenannten Athetosen.

Weist ein Organismus erst einmal eine infantile Cerebralparese auf, kann diese nicht mehr eliminiert werden. Aus diesem Grund sollten Risikogruppen bereits während der Schwangerschaft entsprechend präventiv behandelt werden. Wenn eine werdende Mutter beispielsweise viel Alkohol oder verschiedene Substanzen konsumiert, ist es für Fachkräfte wichtig, eine entsprechende medizinische Betreuung zu gewährleisten und präventiv zu agieren, wie zum Beispiel durch Aufklärung.

Kommt es dennoch zu einer infantilen Cerebralparese, ist das Gleichgewicht zwischen sozialrechtlichen Hilfen (Schwerbehindertenausweis, Heilmittel (Medikamente), Hilfsmittel (Geräte), Pflegebedarf, finanzielle Unterstützung) und psycho-sozialen Hilfen (Akzeptanz der Krankheit beziehungsweise Behinderung, Auswirkungen auf die soziale Lebenssituation, Auswirkungen auf das Familiensystem, Empowerment) zu beachten.

Das können Sie selbst tun

Oberstes Gebot ist es, die Beweglichkeit zu erhalten. Das vermeidet Schmerzen und Kontrakturen (Bewegungseinschränkungen von Gelenken). Wenn betroffene Gliedmaßen willkürlich bewegt werden können, soll diese Beweglichkeit auch gefördert werden.

Deshalb ist es wichtig, Alltagstätigkeiten wie anziehen, waschen und essen, so weit wie möglich selbstständig auszuführen. Oft ist das nur durch Hilfsmittel oder kleine Änderungen möglich. Ein Beispiel: Ein Betroffener kann seine Hose hochziehen, aber den Hosenknopf nicht schließen. Eine Hose mit elastischem Bund ist dagegen problemlos anzuziehen. Oder: Eine Gabel mit verdicktem Griff, kann bei eingeschränktem Handgeschick viel sicherer gehalten und zum Mund geführt werden, als eine normale Gabel.

Ein weiterer wichtiger Punkt zur Erhaltung der Bewegungsfähigkeit ist die Eigendehnung. Hypertone Muskeln, d.h. Muskeln mit erhöhter Spannung, werden gedehnt um Verkürzungen und Gelenkseinschränkungen zu verhindern. Zum Beispiel kann die gesunde Hand die Finger der betroffenen Hand strecken und beugen. Die Bewegungen bei der Eigenmobilisation sollen sehr langsam und gleichmäßig sein, so kann die Muskelspannung absinken. Auch ein angenehm temperiertes Bad oder das Schaukeln in einer Hängematte, kann helfen die Muskeln zu entspannen.

Quellen

  • Korinthenberg, R., Panteliadis, C.P., Hagel, C. (Hrsg.): Neuropädiatrie – Evidenzbasierte Therapie. Urban & Fischer, München 2014
  • Michaelis, R., Niemann, G.W.: Entwicklungsneurologie und Neuropädiatrie. Thieme, Stuttgart 2010
  • Rath, W., Gembruch, U., Schmidt, S. (Hrsg.): Geburtshilfe und Perinatologie: Pränataldiagnostik - Erkrankungen - Entbindung. Thieme, Stuttgart 2010

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