Neurodegenerative Erkrankungen

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 11. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Unter neurodegenerativen Erkrankungen werden Krankheiten zusammengefasst, deren Hauptmerkmal das fortschreitende Absterben von Nervenzellen ist. Zu den bekanntesten zählen Morbus Alzheimer, die Parkinson-Krankheit und die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS). Daneben fallen seltenere Erkrankungen wie Creutzfeldt-Jakob-Krankheit und Chorea Huntington in diese Gruppe.

Inhaltsverzeichnis

Was sind neurodegenerativen Erkrankungen?

Bei der Parkinson-Krankheit sterben etwa die Nervenzellen ab, die das für die Koordination der Bewegungen nötige Hormon Dopamin produzieren: Es kommt zum typischen Zittern, dem steifen Gang und verlangsamten Bewegungen.
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Neurodegenerative Erkrankungen treten meist im höheren Lebensalter auf – anders als beim physiologischen Alterungsprozess schreitet der Abbau der Nervenzellen schneller und in größerem Ausmaß voran. In der Folge treten massive Beeinträchtigungen der geistigen und körperlichen Fähigkeiten auf, die immer mehr zunehmen.

Die krankhaften Abbauprozesse der Nervenzellen beschränken sich meist auf bestimmte Teile des Gehirns, können aber auch das gesamte zentrale Nervensystem betreffen. Aufgrund der steigenden Lebenserwartung kommt den neurodegenerativen Erkrankungen eine immer höhere Bedeutung zu, trotz intensiver Forschung ist eine Heilung bislang nicht möglich.

Ursachen

Die Ursachen für den krankhaften Abbau der Nervenzellen sind noch nicht eindeutig geklärt. Genetische Faktoren spielen ebenso eine Rolle wie Störungen im Proteinstoffwechsel, in deren Folge Eiweißablagerungen zum Absterben der Nervenzellen im Gehirn führen. Anders als andere Zellen im menschlichen Körper sind Gehirnzellen normalerweise sehr langlebig, verfügen aber nur begrenzt über die Fähigkeit der Regeneration.

Ein vorzeitiger Zelltod kann daher vom Organismus nur schwer ausgeglichen werden. Diskutiert werden als Auslöser auch Infektionen und entzündliche Prozesse, Umweltgifte und traumatische Hirnschädigungen. Ob auch Risikofaktoren wie Übergewicht, Bluthochdruck und Diabetes mellitus die Entstehung einer neurodegenerativen Erkrankung begünstigen, ist noch nicht restlos geklärt.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Die Symptome der jeweiligen Erkrankung sind abhängig vom betroffenen Nerventyp. Bei der Parkinson-Krankheit sterben etwa die Nervenzellen ab, die das für die Koordination der Bewegungen nötige Hormon Dopamin produzieren: Es kommt zum typischen Zittern, dem steifen Gang und verlangsamten Bewegungen.

Bei der erblich bedingten Krankheit Chorea Huntington fallen zunächst unwillkürliche Bewegungen von Kopf und Extremitäten auf, in weiterer Folge setzen Sprech- und Schluckstörungen ein. Morbus Alzheimer ist gekennzeichnet durch eine zunehmende Vergesslichkeit, die über das normale Maß weit hinausgeht – auch die zeitliche und räumliche Orientierung fällt immer schwerer.

Bei der Amyotrophen Lateralsklerose, die auch schon im jungen Alter auftreten kann, sind nur die für die Bewegungen der Muskulatur zuständigen Nervenzellen (Motoneuronen) betroffen, was sich durch spastische Lähmungen und zunehmende Muskelschwäche bemerkbar macht. Wie auch bei der Parkinson-Erkrankung sind die intellektuellen Fähigkeiten bei dieser Erkrankung in der Regel nicht beeinträchtigt, häufig treten infolge der körperlichen Symptomatik aber Depressionen, Schlafstörungen und Angstzustände auf.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Der Diagnosestellung geht eine ausführliche Befragung und Untersuchung des Patienten und seiner Angehörigen voraus: Auffällige Bewegungsstörungen oder deutliche Beeinträchtigungen der geistigen Fähigkeiten geben bereits erste Aufschlüsse über das Krankheitsbild. Liegt der Verdacht auf eine Demenzerkrankung vor, liefern psychologische Testverfahren weitere Anhaltspunkte.

An technischen Untersuchungsverfahren stehen Computertomografie, Kernspintomografie und Magnetresonanztomografie zur Verfügung, durch die krankhafte Veränderungen im Gehirn sichtbar gemacht werden können. Um andere Erkrankungen auszuschließen, werden umfassende Blutuntersuchungen durchgeführt – eine Untersuchung des Gehirn-Rückenmarks-Wassers (Liquor) kann den Verdacht auf Morbus Alzheimer oder die Parkinson-Krankheit erhärten.

Gentests dienen zum Nachweis erblich bedingter Erkrankungen wie Chorea Huntington. Zur Bestätigung einer amyotrophen Lateralsklerose (ALS) und der spinalen Muskelatrophie werden die elektrische Muskelaktivität sowie die Nervenleitgeschwindigkeit gemessen. Bei einigen neurodegenerativen Erkrankungen, etwa der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit, fallen im Elektroenzephalogramm (EEG) Veränderungen der Hirnströme auf.

Der Verlust geistiger und/oder körperlicher Fähigkeiten schreitet bei allen neurodegenerativen Erkrankungen über Jahre stetig voran. Im fortgeschrittenen Stadium ist eine selbstständige Lebensführung meist nicht mehr möglich.

Komplikationen

Neurodegenerative Erkrankungen schreiten immer voran und führen im Spätstadium oft zu schweren Komplikationen. Daher besteht die wichtigste Aufgabe darin, den Prozess der Degeneration zu verlangsamen. Welche Komplikationen auftreten können, ist auch von der jeweiligen Erkrankung abhängig. So zeichnet sich die Alzheimerkrankheit dadurch aus, dass die kognitiven Fähigkeiten immer mehr nachlassen. Wie viele andere neurodegenerative Erkrankungen ist Alzheimer zwar keine tödliche Erkrankung.

In den späten Stadien der Erkrankung muss der betroffene Patient aber ständig von Pflegepersonal betreut werden, da die zunehmende Unfähigkeit, sich selber zu versorgen, zum Tod durch Verhungern oder Verdursten führen kann. Auch die Einnahme lebenswichtiger Medikamente ist nicht mehr gewährleistet. Des Weiteren können die neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer oder Parkinson in späteren Stadien auch zu anderen Komplikationen wie lebensgefährliche Infektionen der Atemwege (Lungenentzündung), Schluckstörungen bis zum völligen Einstellen des Schluckens oder zu lebensgefährlichen Stürzen führen.

Eine der schwersten Erkrankungen dieser Art ist Chorea Huntington. Chorea Huntington selber führt immer zum Tod, der meist 15 Jahre nach der Diagnose eintritt. Im Laufe dieser Erkrankung steigt der Energieverbrauch ständig und es kommt zu Problemen bei der Essensaufnahme. Wie bei vielen neurodegenerativen Erkrankungen besteht auch beim Chorea Huntington außerdem auch eine erhöhte Suizidgefahr. Für keine neurodegenerative Erkrankung gibt es derzeit eine kausale Therapie. Lediglich die Symptome können gemildert werden.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Können von Mitmenschen zitternde Hände oder unruhige Gliedmaßen bei einem Betroffenen wahrgenommen werden, sollte die Beobachtung offen besprochen und weiter verfolgt werden. Hält das Zittern an oder nimmt es an Intensität zu, sollte ein Arztbesuch zur Abklärung der Beschwerden und einer Diagnosestellung erfolgen. Bei Veränderungen der gewohnten Bewegungsabläufe, einer verlangsamten Fortbewegung oder einem steifen Gang, ist die Untersuchung der Symptome angezeigt.

Störungen der Koordination, Probleme bei der Ausführung gewohnter sportlicher Aktivitäten und eine erhöhte Unfallgefahr sind Anzeichen einer Unregelmäßigkeit, die mit einem Arzt besprochen werden müssen. Zeigen sich ungewöhnliche Kopfbewegungen, besteht Anlass zur Besorgnis und ein Arzt ist zu konsultieren. Stellen sich Gedächtnisprobleme ein, kommt es zu einer Vergesslichkeit oder Störungen beim Abruf erlernter Fähigkeiten, wird ein Arzt benötigt. Klagt der Betroffene über Beschwerden beim Schluckakt, Appetitlosigkeit oder zeigt sich eine Gewichtsveränderung, ist ein Arzt aufzusuchen.

Veränderungen der Stimmung, ein depressives Verhalten, Teilnahmslosigkeit sowie ein Rückzug aus dem sozialen Leben sind mit einem Arzt zu besprechen. Schlafstörungen, diffuse Ängste sowie eine Abnahme der körperlichen Leistungsfähigkeit weisen auf eine Erkrankung hin, bei der Handlungsbedarf besteht. Lähmungen oder allgemeine Beschwerden des Muskelapparates sollten untersucht werden.

Behandlung & Therapie

Neurodegenerative Erkrankungen sind trotz intensiver Forschung bisher nicht heilbar. Ziel einer Therapie ist es daher, das Fortschreiten zu verlangsamen. Der Verlauf von Morbus Parkinson lässt sich positiv durch Medikamente beeinflussen, die den der Krankheit zugrunde liegenden Dopaminmangel ausgleichen: Die Symptomatik bleibt damit in vielen Fällen über Jahre stabil, unangenehme Nebenwirkungen sind allerdings nicht selten.

Gute Erfolge können auch durch das Einsetzen eines Hirnschrittmachers zur Tiefen Hirnstimulation erzielt werden – da die Operation nicht frei von Risiken ist, wird sie nur nach Ausreizen der medikamentösen Möglichkeiten durchgeführt. Gezielte Koordinations- und Bewegungsübungen wirken bei neurodegenerativen Erkrankungen auftretender Muskelschwäche und Muskelverspannungen entgegen.

Auch eine Stimm- und Sprachtherapie kann angezeigt sein. Steht wie beim Morbus Alzheimer das Nachlassen der geistigen Fähigkeiten im Vordergrund, kommen neben einer medikamentösen Behandlung Psychotherapie und Gedächtnistraining zum Einsatz. Eine Magensonde sichert die Nahrungsaufnahme im fortgeschrittenen Stadium der Amyotrophen Lateralsklerose (ALS), bei der auch die maschinelle Unterstützung der Atemtätigkeit notwendig werden kann.

Neben der schulmedizinischen Therapie kann in manchen Fällen auch die Anwendung alternativer Behandlungsmethode – wie etwa Osteopathie oder Akupunktur – zur Linderung der Beschwerden beitragen.


Aussicht & Prognose

Patienten, bei denen eine neurodegenerative Erkrankung diagnostiziert wurde, erhalten eine ungünstige Prognose. Wenngleich die Intensität der Krankheit sowie der Fortschritt der vorliegenden Grunderkrankung individuell zu bewerten sind, ist bei allen der Zerfall der Nervenzellen gemeinsam.

Die kognitiven Abbauprozesse können bei einer frühen Diagnosestellung und einem Therapiebeginn im Anfangsstadium der Störung gebremst werden. Vollständig verhindert werden sie jedoch nicht. Gleichzeitig gibt es keine Möglichkeit, dass die bereits beschädigte Nervenzellen wieder regeneriert. Der Fokus der Grunderkrankung liegt grundsätzlich in der Verbesserung der aktuellen Lebensqualität sowie der Verzögerung der weiteren Abbauprozesse.

Die allgemeine Lebenserwartung ist bei den betroffenen Personen herabgesetzt. Wird keine medizinische Versorgung in Anspruch genommen, ist eine schnellere Verschlechterung der allgemeinen Gesundheit zu erkennen. Häufig ist eine Bewältigung des Alltags ohne Hilfe nicht mehr möglich. Neben Störungen der geistigen Kapazitäten kommt es im weiteren Krankheitsverlauf auch zu Einbußen der Bewegungsmöglichkeiten. Verwirrtheitszustände, Orientierungslosigkeit und ein erhöhtes Risiko für Unfälle sind gegeben.

Die Grunderkrankungen stellen eine starke emotionale Belastung für den Patienten sowie dessen Angehörigen dar. Daher ist bei der Stellung der Prognose der weiteren Krankheitsentwicklung die Wahrscheinlichkeit zur Entwicklung einer psychischen Erkrankung zu berücksichtigen. Diese führen zu einer weiteren Verschlechterung der Gesamtsituation, da sie auch auf die Entwicklung körperlicher Möglichkeiten einen ungünstigen Verlauf nehmen.

Vorbeugung

Die Ursachen neurodegenerativer Erkrankungen sind noch nicht zur Gänze erforscht. Zumindest bei einigen Krankheiten dieser Gruppe liegen sicher genetische Faktoren zugrunde: Eine gezielte Vorbeugung ist daher nur eingeschränkt möglich. Zumindest auf das Auftreten einer Alzheimer-Erkrankung scheint sich eine gesunde Lebensweise mit viel Bewegung, geistigen Herausforderungen, aber auch den nötigen Erholungsphasen positiv auszuwirken.

Bestimmte Umweltgifte (Pestizide, Schwermetalle) stehen im Verdacht, Morbus Parkinson zu begünstigen – der Kontakt zu derartigen Produkten sollte daher so weit wie möglich vermieden werden. Eine wichtige Rolle spielt die Früherkennung: Setzt eine Behandlung bereits im Frühstadium der Erkrankung ein, kann ihr Fortschreiten oft deutlich verzögert werden.

Nachsorge

Neurodegenerative Erkrankungen sind grundsätzlich nicht heilbar. Außerdem schreiten sie unaufhaltsam voran und berauben die Patienten langfristig ihrer Selbstständigkeit. Daher sind die Betroffenen immer auf eine dauerhafte Nachsorge bis zu deren Lebensende angewiesen.

So entscheidet die Qualität der Nachsorge auch über die Lebensqualität der Erkrankten. Die Art der Nachsorge hängt wiederum von der entsprechenden Erkrankung und der Krankheitsphase ab. In leichten Fällen helfen bereits neben medikamentöser Behandlung Bewegung und mentales Training, um bestimmte Defizite auszugleichen.

Je intensiver der Patient diesbezüglich betreut wird, desto länger kann er seine selbstständige Lebensweise beibehalten. Wenn Demenz und Bewegungsunfähigkeit allerdings weiter fortgeschritten sind, benötigen die Betroffenen oft in allen Lebenslagen und zu jeder Tageszeit professionelle Unterstützung. In vielen Fällen kann diese Hilfe im häuslichen Umfeld nicht mehr allein von den Angehörigen geleistet werden.

Eine große Hilfe bei der Pflege ihres erkrankten Familienmitgliedes leisten dann gut ausgebildete Pflegekräfte, die sich Tag und Nacht um den Patienten kümmern. In anderen Fällen kann nur noch die Unterbringung in einer Pflegeeinrichtung den Betroffenen ein menschenwürdiges Leben gewährleisten. Auch neurodegenerative Erkrankungen ohne Demenz wie unter anderem ALS bedürfen aufgrund der zunehmenden Einschränkung der Bewegungsfähigkeit und der Organfunktionen ebenfalls einer dauerhaften Betreuung.

Das können Sie selbst tun

Im Umgang mit dem Patienten im Alltag sollte auf das Korrigieren, Zurechtweisen oder das Aufzeigen von Defiziten verzichtet werden. Stattdessen führen Anerkennung und Lob für Gelungenes zum positiven Erfolg in der Beziehung zum Erkrankten. Hinsichtlich seiner Ressourcen und Fähigkeiten sind ihm kleinere Aufgaben oder einfache Tätigkeiten zu übertragen. Dabei geht es nicht um eine perfekte Ausführung einer Aufgabe. Vielmehr steht der Aspekt nützlich zu sein und noch etwas leisten zu können im Vordergrund.

Angehörige müssen lernen, sich in die Welt des Erkrankten zu begeben und ihm wertschätzend zu begegnen. Naomi Feil, Begründerin der integrativen Valitation als eine Form der Kommunikation mit Demenzkranken, nannte es: "In den Schuhen des Anderen gehen." Damit erklärte sie, dass der Erkrankte dort abgeholt werden muss, wo er sich gerade in Bezug auf seinem psychischen, emotionalen und geistigen Zustand befindet. Nur auf dieser Ebene ist mit sehr viel Empathie und Mitgefühl eine Kommunikation mit dem Patienten möglich.

Ein Rückzug aufgrund der Erkrankung sollte vermieden werden. Vielmehr muss das soziale Umfeld über den Krankeitsfall, das Krankheitsbild und die damit einhergehenden Veränderungen im Zusammenleben informiert und aufgeklärt werden. Die Akzeptanz und Anerkennung durch das soziale Umfeld sind für den Erkrankten wie für den Angehörigen im Alltag gleichermaßen bedeutsam.

Quellen

  • Alzheimer Europe (Hrsg.): Handbuch der Betreuung und Pflege von Alzheimer-Patienten. Thieme, Stuttgart 2005
  • Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Berlin 2007
  • Mattle, H., Mumenthaler, M.: Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013

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