Paraneoplastisches Syndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 5. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Ein paraneoplastisches Syndrom stellt eine Begleitkrankheit einer Krebserkrankung dar. Es ist jedoch nicht die Folge des Tumors, sondern entwickelt sich parallel zu diesem. Bisweilen deuten die typischen Symptome eines paraneoplastischen Syndroms auf einen noch unentdeckten und zunächst symptomlosen bösartigen Tumor hin.

Inhaltsverzeichnis

Was ist ein paraneoplastisches Syndrom?

Die Betroffenen leiden unter Beschwerden wie Durchfall, einer inneren Schwäche sowie einem allgemeinen Krankheitsgefühl. Bei einem Gewichtsverlust oder Schweißausbrüchen sollte ein Arzt aufgesucht werden.
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Ein paraneoplastisches Syndrom ist immer eine Begleiterkrankung zu einem bösartigen Tumor. Es entwickelt sich nie primär als Folge einer Neoplasie. Manchmal treten bereits die Symptome eines paraneoplastischen Syndroms auf, ohne dass schon tumorbedingte Krankheitserscheinungen bemerkbar sind.

So können die typischen Symptome von bestimmten paraneoplastischen Syndromen oft die Diagnostik der eigentlichen Krebserkrankung erleichtern. Die Symptome sind nicht unmittelbare Folge von Raumforderungen oder Gewebezerstörungen durch den Tumor. Vielmehr entwickeln sie sich durch die verstärkte tumorbedingte Freisetzung von bestimmten Wirkstoffen.

Das können Hormone, Antikörper, Enzyme oder Entzündungsfaktoren sein. Entsprechend vielfältig präsentieren sich die einzelnen Krankheitsbilder. Paraneoplastische Syndrome betreffen unter anderem das endokrine System, die Haut, das Verdauungssystem, das Nervensystem, das Blut oder die Gelenke.

Viele typische Symptome treten zwar auch ohne eine zugrunde liegende Krebserkrankung auf. Manche paraneoplastische Syndrome werden jedoch ausschließlich in Begleitung mit Krebserkrankungen gefunden.

Ursachen

Als Ursache für das paraneoplastische Syndrom gilt die verstärkte Bildung und Freisetzung von biologisch wirksamen Substanzen. So gibt es paraneoplastische Syndrome, die typischen Hormonstörungen gleichen, weil der Tumor in verstärktem Maße bestimmte Hormone produziert. Endokrine paraneoplastische Syndrome werden unter anderem durch neuroendokrine Tumoren in der Bauchspeicheldrüse hervorgerufen.

Dazu zählt das sogenannte Insulom mit einer Überproduktion von Insulin, das Gastrinom mit einer verstärkten Bildung von Gastrin, welches die Magensäureproduktion anregt oder das Vipom mit schweren therapieresistenten Durchfällen. Rund 20 Prozent aller Tumorpatienten entwickeln ein paraneoplastisches Syndrom.

Den größten Anteil mit bis zu 40 Prozent stellen dabei die Bronchialkarzinome. Neben den hormonbedingten paraneoplastischen Syndromen kann auch die verstärkte Bildung von Antikörpern gegen Krebszellen zu autoimmunähnlichen Erkrankungen führen, wenn diese gleichzeitig im Rahmen einer Kreuzreaktion auch gesunde Körperzellen angreifen.

Dabei ist die Prognose von Tumoren mit antikörperbedingten paraneoplastischen Syndromen günstiger als Tumoren ohne Begleitsymptome, da bei Ersteren eine stärkere Immunreaktion gegen die Krebszellen stattfindet. Manche Tumoren sezernieren Entzündungsfaktoren wie Prostaglandine.

Dabei können unter anderem Hautveränderungen, rheumatische Beschwerden oder Magen-Darm-Störungen auftreten. Spezielle paraneoplastische Syndrome betreffen das Nervensystem. Dabei greifen Autoantikörper Nervenzellen an und rufen neurologische Beschwerden hervor.

Des Weiteren erzeugen bestimmte Tumoren auch Substanzen, die zu hämatologischen Veränderungen führen. Insgesamt kann sich so eine Vielzahl von unterschiedlichen paraneoplastischen Syndromen herausbilden.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Paraneoplastische Syndrome äußern sich durch allgemeine sowie spezielle Symptome. Viele Krebserkrankungen werden von einem allgemeinen Symptomenkomplex aus Kachexie, verstärkter Wärmebildung, Schweißausbrüchen, Thrombosen, Leukozytosen oder Anämie begleitet.

Die Kachexie äußert sich in ständiger Abmagerung, obwohl genügend Kalorien aufgenommen werden. Dabei kommt es in Krebszellen zu einer verstärkten Aktivität von Mitochondrien, welche zu einem sehr hohen Energieverbrauch führen. Der Stoffwechsel wird stark beschleunigt, die Wärmebildung verstärkt und die Fettverbrennung angekurbelt.

Die Abmagerung im Rahmen der Kachexie ist also nicht die Folge von Nahrungsmittelmangel, sondern die eines erhöhten Energieverbrauchs. Zu den speziellen Symptomen gehören unter anderem hormonbedingte Störungen. So treten bestimmte Formen des sogenannten Cushing-Syndroms bei Bronchial-, Leberzell- oder Nierenkarzinomen auf.

Die dabei erhöhte Freisetzung von ACTH regt die Nebennierenrinde zu einer verstärkten Kortisolausschüttung an. Es kommt zu einer Stammfettsucht mit Stiernacken und Mondgesicht sowie zur Schwächung des Immunsystems mit einer erhöhten Infektanfälligkeit. Bei einem Insulom wird zu viel Insulin produziert. Der Blutzuckerspiegel sinkt dramatisch ab. Weitere Hormone, die durch Karzinome verstärkt gebildet werden können, sind das Parathormon (PTH), Vasopressin (ADH), Thyreotropin (TSH), Kalzitonin oder Serotonin. Das Kalzitonin senkt den Kalziumspiegel im Blut. Ein erhöhter Kalziumspiegel wird durch das Parathormon hervorgerufen.

Erhöhte Serotoninkonzentrationen führen unter anderem zu hartnäckigen Durchfällen und Bauchschmerzen, weil die Darmperistaltik ständig angeregt wird. Das TSH wiederum stimuliert die Bildung von Schilddrüsenhormonen in der Schilddrüse, wobei die typischen Symptome einer Schilddrüsenüberfunktion auftreten. Antikörpervermittelte Reaktionen können zu Autoimmunerkrankungen führen.

Es kann dabei zu rheumatischen Gelenkentzündungen, entzündlichen Prozessen im Magen-Darm-Bereich oder neurologischen Ausfällen kommen. Bei Beteiligung der Haut ist das Hauptsymptom ein quälender Juckreiz. Des Weiteren werden Hautläsionen, Keratosen oder ein verstärktes Wachstum der Körperbehaarung beobachtet.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Je nach Symptomenkomplex können Hormonuntersuchungen oder Untersuchungen auf Antikörper Aufschluss auf die Ursache bestimmter Symptome bringen. Durch bildgebende Verfahren ist die Aufdeckung des zugrunde liegenden Tumors möglich.

Komplikationen

In den meisten Fällen kommt es bei diesem Syndrom zu verschiedenen Komplikationen und Beschwerden, die vor allem während einer Krebserkrankung auftreten. Die Beschwerden selbst sind dabei sehr unterschiedlich und können untereinander stark abweichen. In der Regel kann aus diesem Grund keine allgemeine Voraussage über den weiteren Verlauf der Krankheit getroffen werden.

Die Betroffenen selbst leiden dabei an starken Schweißausbrüchen und auch an einer Thrombose. Ebenso kommt es dabei zu einer Anämie und damit zu Blutungen oder zu einer Müdigkeit und Abgeschlagenheit des Patienten. Auch der Stoffwechsel der Betroffenen ist von diesem Syndrom betroffen, sodass die Patienten in den meisten Fällen auch an Gewicht verlieren.

Das Immunsystem wird von der Tumorerkrankung deutlich geschwächt, sodass es öfter zu Infekten oder zu Entzündungen kommt, die sich sehr negativ auf die Lebensqualität des Betroffenen auswirken. Auch ein Juckreiz oder Läsionen auf der Haut können dabei auftreten. Die Behandlung dieses Syndroms wird durch die Behandlung des Tumors durchgeführt. Ob es dabei zu einem Erfolg kommt, kann nicht vorausgesagt werden. Eventuell wird durch den Tumor auch die Lebenserwartung des Patienten verringert.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Das paraneoplastisches Syndrom tritt nur bei Menschen auf, die eine Krebserkrankung haben. Daher sollte bei den ersten Unregelmäßigkeiten sowie Hinweisen einer gesundheitlichen Beeinträchtigung ein Arztbesuch erfolgen. Die Betroffenen leiden unter Beschwerden wie Durchfall, einer inneren Schwäche sowie einem allgemeinen Krankheitsgefühl. Bei einem Gewichtsverlust oder Schweißausbrüchen sollte ein Arzt aufgesucht werden. Leidet der Betroffene unter einer Wärmebildung, Störungen der Durchblutung sowie einem allgemeinen Unwohlsein, ist ein Arztbesuch anzuraten.

Veränderungen des Hautbildes, eine Abnahme der körperlichen Leistungsfähigkeit sowie ein erhöhter Schlafbedarf sind von einem Arzt untersuchen und behandeln zu lassen. Störungen des Verdauungstraktes, rheumatische Beschwerden, eine erhöhte Infektanfälligkeit sowie eine wiederholte Pilzinfektion oder ein Befall anderer Keime weisen auf eine Erkrankung hin. Ein Arzt ist von den Beobachtungen zu unterrichten und ein Kontrollbesuch sollte erfolgen. Störungen des Hormonsystems, Veränderungen der Libido oder emotionale Auffälligkeiten sind mit einem Arzt zu besprechen.

Eine gedrückte Stimmung, Besonderheiten des Verhaltens sowie Wandlungen der Persönlichkeit sind als Warnhinweise des Organismus zu verstehen. Ein Arztbesuch ist anzuraten, damit eine Ursachenforschung eingeleitet werden kann. Zudem ist im Erwachsenenalter grundsätzlich eine regelmäßige Teilnahme an angebotenen Vorsorgeuntersuchungen zu empfehlen. In einer Früherkennung können erste Veränderungen oder Auffälligkeiten der Gesundheit dokumentiert werden.

Behandlung & Therapie

Ursächlich können paraneoplastische Syndrome durch die Entfernung des Tumors behandelt werden. Dadurch verschwinden meist auch die Symptome. Das gilt im Besonderen für endokrin bedingte paraneoplastische Syndrome. Es gibt jedoch auch Fälle, wo nach der Tumorentfernung die Antikörperaktivität trotzdem weiterhin hoch bleibt.

Selbstverständlich können die einzelnen Tumorbegleiterkrankungen separat behandelt werden. Dabei haben sich medikamentöse Therapien oder Immunsuppressionstherapien bei antikörperbedingten paraneoplastischen Syndromen bewährt. Jedes paraneoplastische Syndrom erfordert einen eigenen Therapieansatz. Es sollte jedoch nach Möglichkeit die ursächliche Tumorbehandlung angestrebt werden.


Aussicht & Prognose

Ein paraneoplastisches Syndrom ist kein Einzelfall, da es mehrere entsprechende Syndrome gibt. Diese werden von Medizinern als Komplikationen der verschiedensten Tumor-Erkrankungen angesehen. Paraneoplastische Syndrome werden aber weder durch den Tumor selbst, noch unmittelbar durch dessen Metastasen verursacht. Auch sind keine tumorbedingten, vaskulären, metabolischen, infektiösen oder behandlungsbedingten Auswirkungen an der Entstehung eines paraneoplastischen Syndroms beteiligt.

Ein paraneoplastisches Syndrom kann jedoch auch ohne einen erkennbaren Tumor auftreten. In diesem Fall ist es Standard, über einen Zeitraum von zwei bis vier Jahren regelmäßig nach einem Tumor zu suchen. Es ist bereits erwiesen, dass das paraneoplastische Syndrom in vielen Fällen im Zusammenhang mit einer Tumor-Neubildung auftritt. Zu unterscheiden sind die idiopathischen von den echten paraneoplastischen Syndromen.

Bereits die Diagnostik solcher Syndrome erweist sich als sehr komplex und schwierig. Die Behandlung ist ebenfalls schwierig. Sie ist aber keinesfalls unmöglich. Statt einer konventionellen Tumortherapie werden in der Regel Immunsuppressiva eingesetzt - jedoch nur, wenn kein Tumor gefunden werden konnte. Außerdem sind symptomatische Therapien wie Schmerztherapie oder andere Maßnahmen möglich.

Fest steht, dass sich aus der Art des paraneoplastischen Syndroms ermitteln lässt, um welche Art von Tumor es sich handeln könnte. Kann dieser durch die regelmäßige Absuche frühzeitig entdeckt, und operativ entfernt werden, verbessert sich die Prognose.

Vorbeugung

Eine allgemeine Empfehlung zur Vorbeugung vor einem paraneoplastischen Syndrom gibt es nicht, da dieses immer eine bestimmte Tumorerkrankung begleitet. Der Fokus der Vorbeugung liegt dabei jedoch auf den Tumoren. So kann beispielsweise das Risiko, an einem Bronchialkrebs zu erkranken, durch eine gesunde Lebensweise und den Verzicht auf das Rauchen verringert werden.

Nachsorge

Das paraneoplastische Syndrom steht in Zusammenhang mit einer Krebserkrankung. Die Auswirkungen sind nicht direkt auf den Tumor zurückführbar und wahrscheinlich auf eine Immunreaktion oder eine hormonelle Veränderung zurückzuführen. Die Nachsorge des paraneoplastischen Syndroms ist damit infolge mit der Nachsorge der eigentlichen Krebserkrankung verbunden und geht mit dieser ineinander über.

Je nach Ursache ist auch nach Tumorentfernung nicht zwingend gegeben, dass sich das paraneoplastische Syndrom von allein legt. Die Reaktionen des Körpers bleiben insbesondere dann bestehen, wenn es sich bei der Entwicklung der Erkrankung ursächlich um Antikörper handelt, die auch das gesunde Gewebe im Körper angreifen. In der Nachsorge wird sich der Facharzt, hier ein Onkologe, der Symptome des Syndroms annehmen und diese bei entsprechenden Kontrolluntersuchungen mitbehandeln.

Da die Symptome des paraneoplastischen Syndroms vielfältiger Art sind, kann man hier nicht von einer einheitlichen Nachsorge ausgehen. Auch das Abklingen der Symptome ist sehr individuell unterschiedlich und mit der ursächlichen Krebserkrankung verbunden und dementsprechend mit dem Auslöser des paraneoplastischen Syndroms. Ob Medikamente oder andere Hilfsmittel in der Nachsorge erforderlich sind, kann nicht pauschal gesagt werden. Der Onkologe kann die Patienten individuell beraten. Die Nachsorgetermine sollten gewissenhaft eingehalten werden.

Das können Sie selbst tun

Da es sich beim Paraneoplastischen Syndrom häufig um eine Parallelerkrankung zu einem bösartigen Tumor handelt, muss dieser Tumor – soweit noch nicht geschehen - entdeckt und behandelt werden. Ansonsten zeigt sich das Paraneoplastische Syndrom mit unterschiedlichen Symptomen, die dementsprechend individuell angegangen werden sollten.

Ein Hauptaugenmerk liegt hier auf der Ernährung, da die Patienten eine lebensbedrohliche Kachexie entwickeln können. Dabei verbrauchen die Krebszellen so viel Kalorien, dass es der Patient auch mit normaler Ernährung nicht mehr schafft, genügend Nährstoffe zu sich zu nehmen. Es kommt zu einer tumorbedingten Gewichtsabnahme. In diesem Fall sind hochkalorische, aber gesunde Lebensmittel anzuraten wie beispielsweise Avocados, Bananen oder Erdnussbutter als Brotaufstrich.

Vom Paraneoplastischen Syndrom wird auch das Immunsystem geschwächt. Den Patienten, die etwas für sich tun möchten, ist daher alles anzuraten, was das Immunsystem stärkt: Dazu gehören ausreichend Schlaf ebenso wie eine gesunde Ernährung mit frischer, ballaststoffreicher Kost, aber wenig Zucker und Fett. Auch Probiotika, die die Darmflora bereichern, sind empfehlenswert. Selbstverständlich sollten die Patienten auch nicht rauchen oder Alkohol trinken, um den Organismus nicht unnötig zu belasten. Studien belegen, dass Sport so wichtig sein kann wie Medikamente. Schon kleine Spaziergänge an der frischen Luft aktivieren das Immunsystem, regulieren den Stoffwechsel und sorgen so für eine bessere Lebensqualität.

Quellen

  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • Pfeifer, B., Preiß, J., Unger, C. (Hrsg.): Onkologie integrativ. Urban & Fischer, München 2006
  • Preiß, J. et al.(Hrsg.): Taschenbuch Onkologie. Zuckschwerdt, München 2014

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