Pellagra

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 28. Februar 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

Sie sind hier: Startseite Krankheiten Pellagra

Pellagra ist eine Hypovitaminose, die auf einen Mangel an Vitamin B3 (Niacin) zurückzuführen ist. Meist ist sie die Folge einer Unter- oder Fehlernährung. Es gibt jedoch auch eine genetisch bedingte Form der Pellagra, die als Hartnup-Krankheit bezeichnet wird.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Pellagra?

Pellagra äußert sich durch das Auftreten vieler unterschiedlicher Symptome. Das ist bedingt durch die zentrale Rolle, die Niacin im Stoffwechsel spielt. Leitsymptom ist das Rauwerden der Haut.
© bilderzwerg – stock.adobe.com

Pellagra stellt eine Unterversorgung des Körpers mit Vitamin B3 (Niacin, Nikotinsäure) dar. Heute spielt diese Erkrankung nur noch in armen Ländern mit häufigen Hungersnöten sowie in Ländern mit Mais als Hauptnahrungsmittel eine große Rolle. In Mais ist Niacin nur in gebundener Form vorhanden. Nur in alkalisch aufgeschlossenem Mais wird Niacin für den Körper verwertbar. Nachdem Mais nach der Entdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus auch in Europa als Nahrungsmittel Einzug hielt, breitete sich eine seltsame Erkrankung aus, deren Leitsymptom eine raue Haut war.

Hinzu kamen noch andere körperliche und psychische Symptome. Es wurde zwar schon vermutet, dass der Mais etwas mit dieser Erkrankung zu tun haben musste. Dabei wurde jedoch darüber spekuliert, ob eventuelle spezifische Pflanzengifte oder Schimmelpilzbefall Ursache für diese Erkrankung sein könnten. Das geringe Wissen über die richtige Ernährung hat dazu beigetragen, dass im 18. und 19. Jahrhundert regelrechte Pellagra-Epidemien auftraten.

Ursachen

Die Ursache für Pellagra ist hauptsächlich eine Unterversorgung des Körpers mit Nikotinsäure. Nikotinsäure, auch Vitamin B3 oder Niacin, ist in Fleisch, Leber, Fisch und Vollkornprodukten reichlich vorhanden. Auch Milch und Milchprodukte enthalten viel Vitamin B3. In Mais oder Sorghumhirse liegt Niacin zunächst in einer nicht verwertbaren Form vor.

Es ist fest im Molekül gebunden und kann erst durch alkalische Behandlung dieser Nahrungsmittel freigesetzt werden. Bei einseitiger Ernährung mit unbehandeltem Mais oder Sorghumhirse tritt daher ein Mangel an Vitamin B3 auf. Allerdings kann Niacin auch aus der Aminosäure Tryptophan im Körper synthetisiert werden.

Wenn die einseitige Ernährung zusätzlich mit einem Eiweißmangel verbunden ist, resultiert daher auch ein besonders ausgeprägter Mangel an Niacin. Niacin ist im Organismus an zahlreichen Stoffwechselvorgängen beteiligt. Es spielt eine wichtige Rolle bei der Energiegewinnung aus Kohlenhydraten Fetten und Eiweißen. Des Weiteren beteiligt es sich an der Bildung von Haut-, Muskel- oder Nervenzellen und an der Reparatur der Erbsubstanz.

So können durch einen Mangel an Niacin bei Zellerneuerungsprozessen auftretende Fehler in DNA und RNA nicht mehr genügend korrigiert werden. Weiterhin verbessert Niacin durch seinen Einfluss auf das Nervensystem auch die Merkfähigkeit. Daher verursacht der Mangel an Niacin einen Symptomenkomplex, der als Pellagra bezeichnet wird.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Pellagra äußert sich durch das Auftreten vieler unterschiedlicher Symptome. Das ist bedingt durch die zentrale Rolle, die Niacin im Stoffwechsel spielt. Leitsymptom ist das Rauwerden der Haut. Es kommt zu Juckreiz, Hautrötungen, Hautverdickungen, Braunfärbung der Haut,

Schleimhautentzündungen im Verdauungstrakt und zu Nervenschäden. Typische Symptome sind Durchfall, Dermatitis und Demenz. Des Weiteren färbt sich die Zunge schwarz. Hinzu kommen Gliederschmerzen, Abgeschlagenheit, Fieber, Kopfschmerzen, Krämpfe, Zittern, Lähmungen und psychische Störungen.

In schweren Fällen kann die Erkrankung innerhalb von Wochen zum Tode führen. Häufig ist ein Niacin-Mangel aufgrund einer allgemeinen Fehlernährung auch mit einem Mangel an anderen Vitaminen verbunden. Deshalb kommen zu den typischen Krankheitserscheinungen der Pellagra oft auch noch weitere Symptome hinzu.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Da Pellagra in Europa heute nur noch extrem selten vorkommt, wird trotz typischer Symptome die Diagnose in den überwiegenden Fällen nicht gestellt. Viele Erkrankungen können ähnliche Symptome aufweisen. Nur im Zusammenhang mit einer auffälligen Fehlernährung, wie beispielsweise bei Magersucht, können diese Krankheiterscheinungen zu dem Verdacht eines Niacin-Mangels führen.

Dieser Verdacht sollte durch eine Bestimmung von Niacin und seinen Abbauprodukten im Urin bestätigt werden. Allerdings gibt es auch eine genetisch bedingte Stoffwechselerkrankung, welche sich durch einen extremen Mangel an Niacin auszeichnet. Hierbei handelt es sich um die sogenannte Hartnup-Krankheit. Wenn pellagraartige Symptome ohne eine ernährungsbedingte Ursache auftreten, sollte durch eine Urinanalyse die Aminosäurekonzentration bestimmt werden.

Da die Hartnup-Krankheit durch das Unvermögen des Körpers gekennzeichnet ist, die Aminosäuren abgebauter Proteine im Blut zurückzuhalten, befindet sich im Urin eine hohe Aminosäurekonzentration. Eine Genanalyse kann die Diagnose bestätigen.

Komplikationen

Ein Mangel an Vitamin B3 macht sich zunächst durch rau gewordene Haut, Juckreiz und einer Rötung oder Braunfärbung der Haut bemerkbar. Da ein Vitaminmangel in der westlichen Welt quasi nicht mehr vorkommt, wird Pellagra häufig selbst dann nicht diagnostiziert, wenn alle typischen Symptome vorliegen. Wird das Vitamindefizit nicht behoben, kann es zu einer Reihe von Komplikationen kommen.

Häufig treten Schleimhautentzündungen im Verdauungstrakt auf. Das allgemeine Leistungsvermögen nimmt ab. Der Betroffene entwickelt Symptome, die auch für eine Erkältung typisch sind. Insbesondere leidet er an Abgeschlagenheit, Kopfschmerzen und Fieber. Die Haut verschlimmert sich zusehends. Auch die Zahngesundheit leidet unter einem anhaltenden Mangel an Vitaminen.

Insbesondere das Zahnfleisch entzündet sich stark, der Patient entwickelt eine schwere Gingivitis, die zum Zahnverlust führen kann. In einem fortgeschrittenen Stadium stellen sich Schäden an den Nerven und dem Gehirn ein. Der Patient kann sich nicht mehr konzentrieren, das Gedächtnis verschlechtert sich beständig. In extremen Fällen bildet sich eine Demenz heraus.

Bleibt die Grunderkrankung dann immer noch unerkannt, besteht akute Lebensgefahr für den Betroffenen. Das gilt insbesondere dann, wenn die Pellagra auf eine Mangelernährung, zum Beispiel aufgrund von Magersucht, zurückzuführen ist, da diese Patienten in der Regel auch noch andere Nährstoffdefizite und ein geschwächtes Immunsystem aufweisen.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Symptome wie Kopfschmerzen, Darmstörungen oder Krämpfe sollten zügig ärztlich abgeklärt werden, da sie auf Pellagra oder eine andere Erkrankung hindeuten, die durch einen Vitamin- und Nährstoff-Mangel ausgelöst wird. Spätestens mit Hautveränderungen, Entzündungen der Schleimhäute und neurologischen Beschwerden empfiehlt sich ein Arztbesuch. Unbehandelt kann die Pellagra zu Erkrankungen wie Demenz oder Dermatitis oder sogar zum Tod führen. Personen, die sich einseitig ernähren und insbesondere Mais oder Hirse verzehren, erkranken besonders häufig an Pellagra. Auch der Gendefekt, der der Hartnup-Krankheit zugrunde liegt, kann ursächlich für die Erkrankung sein.

Risikopatienten wie Personen, die regelmäßig fasten oder sich aufgrund einer psychischen Erkrankung einseitig ernähren, sollten bei dem Verdacht auf eine Folgeerkrankung den Hausarzt konsultieren. Wenn andere Risikofaktoren vorliegen, sollte bei genannten Symptomen rasch zum Arzt gegangen werden. Erste Anlaufstellen sind der Hausarzt, der Gastroenterologe sowie der Dermatologe, wenn Hautbeschwerden zu den Symptomen zählen. Die Routineuntersuchungen können von einem Allgemeinarzt durchgeführt werden. Etwaige Injektionen werden in der Regel stationär verabreicht.

Behandlung & Therapie

Die Behandlung von Pellagra ist einfach. Der Mangel an Niacin kann durch eine Ernährung mit Fleisch, Fisch, Leber, Vollkornprodukten oder Milchprodukten gut ausgeglichen werden. Bei extremem Niacinmangel kann anfangs auch Nikotinsäure verabreicht werden. Auch Bierhefe eignet sich gut, den Vitaminmangel zu beheben. Häufig wird der Nikotinsäuremangel auch mit zusätzlichen Gaben von Tryptophan behandelt.

Wenn der Niacinmangel genetisch bedingt ist wie bei der Hartnup-Krankheit, wird eine Substitutionstherapie mit Nikotinamid durchgeführt. Dabei verbessert sich der gesundheitliche Zustand meist. Manchmal bleibt die Substitution jedoch wirkungslos. Da Nikotinamid jedoch lebertoxisch ist, sollte lieber Niacin in großen Dosen eingesetzt werden. Die darauf folgende Rotfärbung der Haut verschwindet nach einigen Wochen Behandlung wieder.

Parallel zur Substitution wird eine proteinreiche Ernährung mit Milchprodukten, Geflügel, Rindfleisch, Nüssen und Kartoffeln empfohlen. Im Gegensatz zur klassischen Pellagra sollte diese protein- und tryptophanreiche Ernährung bei der Hartnup-Krankheit lebenslang beibehalten werden.


Aussicht & Prognose

Die auf einem chronischen Niacin- bzw. Vitaminmangel beruhende Erkrankung namens Pellagra sollte an sich durch eine ausreichende Nahrungsversorgung mit Obst und Gemüse ausgerottet werden können. Doch der Reichtum an entsprechenden Lebensmitteln kommt nur wirtschaftlich hoch entwickelten Ländern zugute.

Der Klimawandel sorgt dafür, dass immer weitere Teile der Erde verkarsten. Andere Teile des Planeten sind zunehmend von Überschwemmungen bedroht. Beides verschärft die Ernährungslage - und damit kann auch die Pellagra nicht zum Verschwinden gebracht werden. Die weltwirtschaftliche und ökologische Prognose ist hier genauso zu beachten, wie die gesundheitliche.

Das Überleben hängt beim Auftreten einer Pellagra entscheidend davon ab, ob sofort eine Behandlung erfolgt, oder nicht. Außerdem entscheiden die Dauer und die Schwere des Niacin-Mangels darüber, ob die Pellagra noch erfolgreich behandelt werden kann. Ist der allgemeine Gesundheitszustand noch robust, und das Alter der Betroffenen nicht zu hoch, kann die Pellagra oft erfolgreich behandelt werden.

Die Prognose ist hingegen schlecht, wenn die Behandlung nicht zeitnah erfolgt. Je schlechter es um die oben genannten anderen Parameter bestellt ist, desto schlechter sind die Aussichten auf vollständige Heilung. Da die medizinische Versorgung in vielen Regionen der Erde, die von Pellagra betroffen sind, alles andere als gut ist, waren durch Pellagra bereits viele Todesfälle zu verzeichnen.

Vorbeugung

Pellagra kommt in Europa sehr selten vor, weil die Nahrung ausreichend Niacin enthält. Zur Vorbeugung dieser Erkrankung sollte jedoch eine extreme einseitige und eiweißarme Ernährung vermieden werden. Da Pellagra heute hauptsächlich im Rahmen einer krankhaften Magersucht entsteht, ist es wichtig, die Ursachen dieser Essstörung zu erkennen und zu behandeln.

Nachsorge

Das beste Mittel, um eine Pellagra zu verhindern, besteht in einer abwechslungsreichen Ernährung. Menschen sollten eine einseitige Nahrungsaufnahme aus Mais- und Hirseprodukten meiden. Stattdessen ist der Konsum von Eiern, Erdnüssen und Fleisch sinnvoll. Sie enthalten Nicotinsäure. Diese selbstverantwortete Nachsorge sorgt meist für ein Abklingen der typischen Beschwerden.

Im Rahmen einer leichten Verlaufsform vermittelt der Arzt seinem Patienten entsprechendes Wissen. Dadurch dürften keine weiteren Komplikationen auftreten. Der Pellagra kann auch ein Gendefekt zugrunde liegen. Dann wird eine dauerhafte Nachsorge notwendig, weil die Symptome immer wieder auftreten können. Eine Diät ist erforderlich. Der Patient beginnt eine Therapie mit Nicotinsäure oder Nicotinamid.

Arzt und Patient vereinbaren je nach schwere der Beschwerden die Kontrolltermine. Diese dienen der Absprache über den gegenwärtigen Zustand. Eine körperliche Untersuchung sowie eine Analyse des Blutes und Urins erlauben einen Rückschluss über den Ist-Zustand. Die Pellagra weckt gerade in Europa den Verdacht einer bewussten Fehlernährung, wie sie beispielsweise bei Magersucht vorkommt.

Denn bei einer normalen Ernährungsweise dürfte sich die Erkrankung nicht einstellen. Bestätigt sich ein solcher Verdacht, kann eine Psychotherapie angezeigt sein. Der Erfolg der Nachsorge ist dann stark davon abhängig, inwieweit der Patient bereit ist, von einem bestimmten Schönheitsideal abzurücken.

Das können Sie selbst tun

Pellagra ist eine Vitamin-B3-Mangelerkrankung, die einzig und allein durch einen Mangel von Vitamin B3 (Niacin) verursacht wird. Im fortgeschrittenen Stadium ist eine unmittelbare Zufuhr von Niacin in Form der Nicotinsäure oder des Nicotinamids erforderlich. Falls der Vitaminmangel nicht durch eine Mangelernährung, sondern durch eine gestörte Resorptionsfähigkeit des Dünndarms verursacht wurde, empfiehlt sich anstelle oraler Verabreichung eine intravenöse Zufuhr.

Bei schwächer ausgeprägter Erkrankung bestehen Alltags- und Selbsthilfemaßnahmen im Verzehr von Lebensmitteln mit einem hohen Anteil an Niacin. Für Nicht-Vegetarier empfehlen sich Fleisch sowie Innereien von Schwein und Rind sowie Lachs und Hering wie auch Milchprodukte und Eierspeisen. Der Vorteil von Vitamin B3, der von tierischen Produkten abstammt, ist seine gute Resorbierbarkeit, weil das Niacin meist in der gut verwertbaren Form des Nicotinamids vorliegt. Aber auch für Vegetarier und sogar für Veganer hält die Natur Nahrungsmittel mit einem hohen Vitamin-B3-Anteil bereit. Es sind dies im Einzelnen verschiedene Vollkorngetreidesorten, Walnüsse, Erdnüsse und getrocknete Aprikosen. Ein Lebensmittel mit besonders reichlichem Anteil an Vitamin B3 ist die Süßwasseralge Spirulina platensis.

Falls der Vitaminmangel auf ein gestörtes Aufnahmevermögen im Dünndarm zurückzuführen ist, sollte überprüft werden, ob der Mangel durch die Einnahme bestimmter Medikamente hervorgerufen wird oder durch eine chronische Entzündung der Darmschleimhaut oder durch chronisch überhöhten Alkoholkonsum.

Quellen

  • Bässler, K.-H.: Vitamin-Lexikon. Urban & Fischer, München 2002
  • Greten, H., Rinninger, F., Greten, T. (Hrsg.): Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2010
  • Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013

Das könnte Sie auch interessieren