Reaktivbewegungen
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 15. April 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Reaktivbewegungen sind motorische Antworten auf körperliche und seelische Reize, die von Spontanbewegungen zu unterscheiden sind. Im Wesentlichen liegt reaktiven Bewegungen der Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus zugrunde, der bei der aktiven Verlängerung von Muskeln eintritt. Die Reaktivkraft ist bei neurogenen Läsionen des extrapyramidalen Systems Störungen unterworfen.
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Was sind Reaktivbewegungen?
Die Neurologie kennt verschiedene Bewegungsarten des neuromuskulären Bewegungsapparats. Jede Bewegung besteht grundsätzlich aus der Muskelkraft und Kontraktion, die über efferent motorische Nervenbahnen vom zentralen Nervensystem aus veranlasst wird.
Unwillkürliche Bewegungen wie faszikuläre Zuckung nach einer Reizung von peripheren Neuronen werden als Spontanbewegungen bezeichnet. Davon sind die sogenannten Reaktivbewegungen zu unterscheiden. Bei einer Reaktivbewegung handelt es sich um eine Bewegungen, die einen körperlichen oder seelischen Reiz beantwortet. Reaktive Bewegungen entsprechen in der Regel einer schnell aufeinanderfolgend exzentrischen und konzentrischen Arbeit der Muskulatur.
Die Muskelaktionsform der Reaktivbewegung ist als Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus bekannt. Der Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus tritt bei der aktiven Verlängerung der Muskulatur auf, an die unmittelbar eine Kontraktion des entsprechenden Muskels anschließt.
Die plastisch elastischen Eigenschaften der Muskeln führen dazu, dass die Kontraktion direkt nach der Dehnung erfolgt. Der Muskel kontrahiert also, bevor er sich der Dehnung anpasst. Die gespeicherte Energie der vorausgegangenen Bewegungen macht den Zyklus energiesparend und schnell.
Die Kraft zur Ausführung von Reaktivbewegungen wird als Reaktivkraft bezeichnet.
Funktion & Aufgabe
Die Reaktivkraft hängt von verschiedenen Faktoren ab, so unter anderem von den neuro-muskulären Faktoren. Außerdem spielt die Dehnfähigkeit der tendinösen Strukturen eine ausschlaggebende Rolle. Die Basis der erbrachten Leistungssteigerung innerhalb einer Reaktivbewegung ist der Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus, der die Rezeptoren der Muskelspindel aktiviert. Die Aktivierung der Muskelspindelrezeptoren ist damit der Reiz, der einer jeden Reaktivbewegung vorausgehen muss.
Die Reaktivkraft ist genau die Kraft, die im Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus den höchstmöglichen Kraftstoß realisiert. Der Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus selbst ist die Phase zwischen exzentrisch nachgebender und konzentrisch überwindender Arbeit der Muskulatur. Eine gute Reaktivkraft ist die Folge aus guter Maximalkraft, reaktiv angemessener Spannungsfähigkeit der Muskeln und schneller Kontraktionsfähigkeit. Die reaktive Spannungsfähigkeit ergibt sich aus passiven Elastizitätskräfte von Muskulatur und Sehnen.
Reaktivkraft benötigt der Mensch zur Durchführung von Bewegungsformen wie Sprüngen, Sprints oder Würfen. Alle so gearteten Bewegungen besitzen im Wesentlichen reaktiven Charakter.
Das extrapyramidale System ist für Reaktivbewegungen eine anatomisch entscheidende Struktur. Steuerungsvorgänge der Motorik finden sich dann in diesem System wieder, sobald sie nicht über die Pyramidenbahnen des Rückenmarks laufen. Die Nervenbahnen des Systems verlaufen von Kerngebieten der Großhirnrinde durch subkortikale Basalganglien, Nucleus ruber und Substantia nigra im Mittelhirn. Von dort aus setzen sie sich in den Olivenkern von Medulla oblongata fort und laufen das Rückenmark herunter.
Bei Primaten besitzt das extrapyramidale System eine gewisse Dominanz bei der Bewegungskontrolle. Eine funktionell klare Trennung des pyramidalen und extrapyramidalen Systems existiert aber auch bei Primaten im Grunde nicht.
Krankheiten & Beschwerden
Abgesehen von diesen Zusammenhängen können Reaktivbewegungen durch neurogene Läsionen beeinträchtigt werden. Als extrapyramidales Syndrom wird zum Beispiel eine Störung des Bewegungsablaufs bezeichnet, die auf solcherlei Läsionen zurückgeht. Durch einen erhöhten oder verminderten Spannungszustand der Muskulatur stellt sich eine drastische Erhöhung oder Verminderung der Bewegungen ein.
Dem Extrapyramidalsystem werden vor allem unbewusst unwillkürliche Bewegungen zugeschrieben, die automatisierte Bewegungsabläufe prägen. Außerdem trägt das System einen wesentlichen Teil zur Koordination des Tonus und der Bewegung bei. Wegen des extrapyramidalen Systems werden die Arme beim Gehen zum Beispiel mitgependelt.
Darüber hinaus hemmt und kontrolliert das exrapyramidale System die Willkürmotorik der Pyramidenbahn. Störungen des Systems sind entweder hypokinetisch-hyperton, so zum Beispiel bei der Parkinson-Krankheit oder äußern sich hyperkinetisch-hypoton wie bei Chorea oder Ballismus.
Auch durch Medikamente wie Neuroleptika können entsprechende Störungen eintreten. Die Folge aus diesen Störungen sind Erscheinungen wie Ataxie, Tremor oder Starthemmungen, die einer gestörten Bewegungseinleitung entsprechen.
Alle Reaktivbewegungen sind im Rahmen der hypokinetisch-rigiden Form des extrapyramidalen Syndroms vermindert. Patienten mit dieser Krankheitserscheinung leiden in vielen Fällen unter einer Fallneigung beim Gehen, da gerade das Gehen mit Reaktivbewegungen in Zusammenhang steht. Auch Verletzungen oder andere pathologische Zustände der Muskeln können einer verminderten Reaktivkraft zugrundeliegen.
Quellen
- Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Berlin 2007
- Hacke, W.: Neurologie. Springer, Heidelberg 2010
- Poeck, K., Hacke, W.: Neurologie. Springer, Heidelberg 2010