Riesenwuchs (Hypersomie)
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 5. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Früher wurden Menschen, die unter Riesenwuchs bzw. Hypersomie litten, häufig ausgegrenzt und als Attraktion zur Schau gestellt. Erst im vergangenen Jahrhundert hat sich diese Einstellung langsam verändert und Riesenwuchs wurde als Krankheit anerkannt.
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Was ist Riesenwuchs?
Als Riesenwuchs wird eine außergewöhnliche und enorm über dem Durchschnitt liegende Körpergröße bezeichnet. Grundsätzlich werden jene Menschen als riesenwüchsig angesehen, die zu den drei Prozent der Größten in ihrer Alters- und Geschlechtsklasse zählen.
Spezifischere Einteilungen beziehen sich auf die Ursache des enormen Wachstums. Ein hormonell bedingter Riesenwuchs wird beispielsweise als hypophysärer Riesenwuchs bezeichnet, ein genetisch bedingter hingegen als primordialer Hochwuchs. Weitere Bezeichnungen für Riesenwuchs sind Hypersomie und Gigantismus.
Eine besondere Form des Riesenwuchses ist die Akromegalie, bei der nur die Körperendglieder und die Akren des Körpers wie zum Beispiel Füße, Ohren, Augen oder Kinn vergrößert sind. Riesenwuchs ist in Deutschland ein sehr seltenes Phänomen. Jährlich erkranken von einer Millionen Menschen etwa drei bis vier neu.
Ursache
In diesem Fall schüttet sie zu viele Wachstumshormone aus, was zu einem unkontrollierten Wachstum des Körpers führt. Grund für diese Störung ist in den meisten Fällen ein gutartiger Tumor in der Hirnanhangsdrüse. Tumore in der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) können ebenfalls einen Effekt auf das Wachstum haben, da auch dort Wachstumshormone produziert werden.
Doch nicht immer sind Tumore für eine Hypersomie verantwortlich. Auch eine angeborene Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose) oder eine Diabeteserkrankung der Mutter während der Schwangerschaft kann bei Säuglingen zu Riesenwuchs führen, weil auch dabei der Hormonhaushalt Störungen unterliegt. Zu den extrem seltenen Auslösern für Gigantismus zählen zudem Gendefekte wie das Klinefelter-Syndrom, bei dem Männer ein zusätzliches X-Chromosom haben.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Das charakteristische Merkmal von Riesenwuchs ist eine weit über dem Durchschnitt liegende Körpergröße. Der Durchschnittswert hängt dabei von Ethnie, Alter und Geschlecht ab. Eine Form von Hypersomie liegt vor, wenn die Körpergröße im ersten Perzentil liegt. In der Regel wachsen bei Riesenwuchs alle Körperteile gleichermaßen proportional zur Körpergröße mit.
Es gibt jedoch einige Formen der Erkrankung, bei denen nur die Extremitäten und Körperspitzen überdurchschnittlich lang werden. Riesenwuchs macht sich in vielen Fällen bereits bei Säuglingen und Kindern bemerkbar. Sie leiden häufig unter Wachstumsschmerzen. Babys und Kleinkinder weinen aus diesem Grund häufig.
Diese Schmerzen bleiben bis ins frühe Erwachsenenalter bestehen und werden für manche Patienten unerträglich. Je nach Art und Schwere des Riesenwuchses entwickeln die Betroffenen häufig Haltungsschäden. Diese verursachen zusätzliche Schmerzen und körperliche Einschränkungen. Oft zeigen sich sichtbare Fehlstellungen. Ein weiteres häufiges Symptom sind Gelenkschmerzen.
Wenn der Riesenwuchs hormonell bedingt ist, können noch eine Reihe weiterer Beschwerden auftreten. Es kommt dabei in vielen Fällen zur Schädigung der inneren Organe. Vor allem Leber und Nieren sind davon besonders häufig betroffen. Zudem sind betroffene Kinder und Jugendliche auffällig früh geschlechtsreif. Die sekundären Geschlechtsmerkmale sind bei ihnen oftmals schon vor dem zehnten Lebensjahr stark ausgeprägt.
Diagnose & Verlauf
Das offensichtlichste Symptom bei Riesenwuchs ist eine enorm überdurchschnittliche Körpergröße, die oft schon im frühen Kindesalter besteht. Daneben kommt es häufig zu starken Schmerzen beim Wachstum sowie zu heftigen Wachstumsschüben. Die Diagnose von Riesenwuchs wird anhand von Auswertungen der Blutwerte im Labor gestellt. Weisen diese ein starkes Ungleichgewicht bei den Hormonwerten auf, werden weitere Untersuchungen wie eine Kernspintomographie oder Röntgen angeordnet. Dadurch kann ein krankhafter Gigantismus von einem natürlichen, rein genetisch bedingten überdurchschnittlichen Wachstum unterschieden werden.
Der Krankheitsverlauf bei Riesenwuchs ist sehr unterschiedlich und stets abhängig von Ausprägung und Therapiemöglichkeiten. Am schwersten belastet das rasante und unkontrollierte Wachstum das Skelett und mit ihm die Knochen. Das Knochenwachstum verläuft oft nicht einheitlich und kann zu schwerwiegenden Fehlstellungen und Haltungsschäden führen, die oft mit starken Kopf- und Gelenkschmerzen einhergehen.
Darüber hinaus hat der gestörte Hormonhaushalt auch Auswirkungen auf die inneren Organe wie die Nieren oder die Leber. In vielen Fällen sind von Riesenwuchs betroffene Kinder vorzeitig geschlechtsreif. Sekundäre Geschlechtsmerkmale beginnen sich dann schon vor dem zehnten Lebensjahr zu entwickeln. Trotz besserer Behandlungsmöglichkeiten liegt die durchschnittliche Lebenserwartung von Menschen mit Riesenwuchs noch immer deutlich unter der von normalgroßen Menschen.
Komplikationen
Diese Auffälligkeiten haben oft auch psychische Leiden zur Folge. So geht Riesenwuchs meist mit Minderwertigkeitskomplexen und Depressionen einher. Der gestörte Hormonhaushalt überlastet die inneren Organe wie Nieren und Leber. Kinder mit Riesenwuchs kommen zudem verfrüht in die Geschlechtsreife und haben zudem eine verringerte Lebenserwartung. Liegt der Hypersomie ein Hypophysentumor zugrunde, können weitere Beschwerden wie Sehstörungen, Gesichtsfeldausfälle und neurologische Störungen hinzukommen.
Selten verläuft die Tumorerkrankung tödlich. Bei der Behandlung von Riesenwuchs kann es, abhängig vom gewählten Therapieverfahren, zu vielgestaltigen Komplikationen kommen. Eine Chemotherapie kann Spätfolgen wie Organschäden und Hormonstörungen nach sich ziehen. Auch die Hormontherapie kann Störungen des Hormonhaushalts bedingen und bei Frauen zu einer verfrühten Menopause führen. Ein operativer Eingriff ist grundsätzlich mit Risiken (zum Beispiel Verletzungen und Blutungen) verbunden.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Eine Hypersomie sollte immer durch einen Arzt untersucht werden. Bei dieser Erkrankung kommt es nicht zu einer Selbstheilung. In der Regel kann die Hypersomie auch nicht richtig behandelt werden, sodass der Betroffene nur auf eine rein symptomatische Behandlung angewiesen ist. Eine vollständige Heilung kann nicht erreicht werden. In den meisten Fällen wirkt sich die Hypersomie nicht negativ auf die Lebenserwartung des Betroffenen aus. Ein Arzt ist dann aufzusuchen, wenn der Patient an einem Riesenwuchs leidet. Dabei sind die Betroffenen sehr groß, auch die Gliedmaßen sind meist sehr lang.
Ebenfalls deuten häufig sehr starke Schmerzen während des Wachstums auf eine Hypersomie hin, sie sollten immer untersucht werden. Auch bei Schmerzen in den Gelenken ist eine Untersuchung durch einen Arzt sehr sinnvoll. In der Regel kann die Hypersomie durch einen Kinderarzt oder durch einen Allgemeinarzt festgestellt werden. Die Behandlung selbst richtet sich immer nach den genauen Beschwerden und nach ihrer Ausprägung, sodass keine universelle Prognose abgegeben werden kann.
Behandlung & Therapie
Zur Behandlung von Riesenwuchs ist eine erfolgreiche Behandlung der zugrundeliegenden Erkrankung erforderlich. Der häufigste Auslöser, der Hypophysentumor, kann durch verschiedene Methoden behandelt werden. Da Operationen in der Nähe des Gehirns große Risiken bergen, wird oft zunächst versucht, den Tumor durch Bestrahlung oder eine Chemotherapie zu bekämpfen.
Ist der Tumor hingegen in einem der sehr seltenen Fälle bösartig, ist ein neurochirurgischer Eingriff unumgänglich. Ähnlich wird bei einem Tumor in der Bauchspeicheldrüse verfahren. Zusätzlich zur Behandlung des Tumors wird häufig eine Hormontherapie verordnet, um das Wachstum zu hemmen. Bei weiblichen Patienten werden dann Östrogene und Gestagene eingesetzt, bei männlichen Testosteron. Ist das Risiko für einen Riesenwuchs durch eine Schwangerschaftsdiabetes bei der Mutter erhöht, muss diese während der gesamten Schwangerschaft optimal behandelt werden, um ein übermäßiges Wachstum des Embryos zu verhindern.
Grundsätzlich gilt: je eher die Behandlung des Auslösers beginnt, desto größer sind die Chancen für einen unkomplizierten Verlauf der Erkrankung. Erfolgt eine Behandlung erst in einem fortgeschrittenen Stadium oder nach Beendigung der Wachstumsphase, können bleibende Haltungsschäden oft nicht mehr abgewendet werden. In diesem Fall kann ein Orthopäde nur noch versuchen, die bereits bestehenden Leiden zu therapieren.
Vorbeugung
Da sich sowohl die Einstellung gegenüber Menschen mit Riesenwuchs als auch die Behandlungsmöglichkeiten in den letzten Jahrzehnten stark verbessert haben, können Betroffene heute viel effizienter und erfolgreicher behandelt werden. Dennoch bleibt eine frühzeitige Erkennung das Wichtigste, weshalb schon bei geringen Anzeichen von Riesenwuchs ein Arzt aufgesucht werden sollte.
Nachsorge
Betroffene von Riesenwuchs (Hypersomie) fallen durch ihre überdurchschnittliche Größe ein Leben lang auf. Die Krankheit ist angeboren und wird unter Anderem durch eine zu hohe Ausschüttung von Wachstumshormonen ausgelöst. Der Körpergröße kann man durch Operationen oder Verabreichung entsprechender Hormone nur bedingt entgegenwirken, die Betroffenen heben sich dauerhaft von der Masse ab. Aus diesem Grund erfolgt die Nachsorge hauptsächlich in psychotherapeutischer Form.
Ein Facharzt wird zunächst die Ursache für den Riesenwuchs ermitteln. Dafür kommen verschiedene erbliche Krankheiten oder hormonelle Störungen infrage. Die ursächliche Erkrankung kann nachträglich nicht mehr behoben werden, wenn sie angeboren ist. Bei einer hormonellen Überproduktion kann eine entsprechende Therapie einem weiteren Wachstumsschub entgegenwirken.
Dafür muss sich der Patient noch in der Wachstumsphase befinden. Falls der Riesenwuchs mit Schmerzen in den Gelenken einhergeht, empfiehlt sich die kontrollierte Vergabe von Schmerzmitteln. Eine Psychotherapie kann bei der Riesenwuchs-Erkrankung helfen, bestehende seelische Beschwerden besser in den Griff zu bekommen.
Ziel ist die Vorbeugung einer Depression durch ein zu geringes Selbstbewusstsein. Der Betroffene lernt, mit seiner Besonderheit im Alltag zurechtzukommen. Sein Selbstvertrauen soll gefestigt und stabilisiert werden. Der Therapeut muss dem Patienten vermitteln, dass er trotz seiner Größe im Vergleich zu durchschnittlich gewachsenen Personen auf keinen Fall 'falsch', sondern nur anders ist.
Das können Sie selbst tun
Die Möglichkeiten einer Selbsthilfe sind bei einem Riesenwuchs gering. Es gibt keine alternativen Heilmethoden oder selbst angewendete Maßnahmen, die zu einer Verringerung des körperlichen Wachstums führen. Da der Wachstumsprozess in den ersten Lebensjahren stattfindet, können die Betroffenen aus eigener Kraft kaum Initiativen ergreifen, die zu einer Ursachenforschung oder Veränderung führen. Sie sind auf die Unterstützung und Hilfe von Erziehungsberechtigten oder Angehörigen angewiesen.
Die Aussicht auf Veränderungen sind lediglich in einer engmaschigen Zusammenarbeit mit einem Arzt und dem Patienten möglich. Bereits in den ersten Lebensjahren ist daher die Konsultation eines Arztes notwendig. Ein erreichtes körperliches Wachstum kann nicht mehr korrigiert werden. Daher sollten Betroffene des Riesenwuchses verschiedene Strategien entwickeln, die trotz der optischen Auffälligkeiten zu einem erfüllten Leben sowie einer Stärkung der Lebensqualität beitragen.
Die mentale Stärke, ein stabiles Selbstbewusstsein und der gesunde Umgang den körperlichen Besonderheiten sind wichtig, um im Verlauf des Lebens Unwohlsein oder psychische Störungen zu vermeiden. Treten Beschwerden der Gelenke auf, sollten rechtzeitig Ruhephasen und Pausen eingelegt werden. Darüber hinaus ist es anzuraten, mit einem Physiotherapeuten zusammenzuarbeiten. Übungen, die speziell auf die Bedürfnisse des Patienten abgestimmt sind können eigenverantwortlich und täglich durchgeführt werden. Sie dienen der Linderung der Beschwerden und verbessern das allgemeine Wohlbefinden.
Quellen
- Arasteh, K., et. al.: Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
- Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
- Piper, W.: Innere Medizin. Springer, Berlin 2013