Akromegalie
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 11. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Kommt es beim Menschen zu einem plötzlichen Wachstum seiner Extremitäten oder vorspringenden Körperteile, so ist der Verdacht einer Akromegalie berechtigt. Dabei handelt es sich um eine Wachstumshormonerkrankung, welche unter anderem auch als Pierre-Marie-Syndrom bezeichnet wird. Bei ersten Anzeichen sollte der Betroffene umgehend einen Facharzt aufsuchen, da vor allem das mit der Erkrankung verbundene Wachstum der inneren Organe schwerwiegende Folgen für den Patienten haben kann.
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Was ist Akromegalie?
Bei der Akromegalie handelt es sich um eine spezielle Wachstumshormonerkrankung, die bei den Betroffenen in der Regel um das 50. Lebensjahr herum auftritt. Derzeit wird davon ausgegangen, dass in Deutschland unter einer Millionen Menschen circa 50 Betroffene vorzufinden sind.
Die Hauptursache der Erkrankung stellt dabei ein Überschuss an Wachstumshormonen im Blut dar, welche aus der Hirnanhangsdrüse, der sogenannten Hypophyse, entstammen und den Gewebeaufbau ermöglichen.
Zu diesen Wachstumshormonen können das sogenannte Human Growth Hormon (HGH), das Growth-Hormon (GH), das Somatotrope Hormon (STH) und das Somatotropin gezählt werden. Oft ist ein Zeitraum von bis zu zehn Jahren notwendig, um die Krankheit endgültig zu diagnostizieren. Grund hierfür ist die Tatsache, dass die äußeren Anzeichen der Erkrankung erst spät sichtbar werden.
Ursachen
Eine Akromegalie wird im Großteil der Krankheitsfälle durch ein Adenom der Hypophyse verursacht. So ist ein Adenom, welches einen gutartigen hormonbildenden Tumor darstellt, in über 95% die Grundlage einer Akromegalie.
Die Bildung von Hormonen in den Adenomen lässt sich dabei nicht von einem normalen Regelkreis unterbrechen, sodass langfristig eine Überproduktion an Wachstumshormonen stattfindet. Sollte das vorliegende Adenom kleiner als einen Zentimeter sein, wird von einem Mikroadenom gesprochen. Sollten sie mehr als einen Zentimeter messen, werden sie wiederum als Makroadenome bezeichnet.
In selteneren Fällen kann auch eine ektope Herstellung des sogenannten Somatotropin einer Akromegalie zugrunde liegen. Diese nach außen gelagerte Produktion kann über hormonbildende Tumore beim Menschen entstehen. Als Ursache kommt ebenfalls ein maligner Hypophysen-Tumor in Frage. Diese bösartigen Tumore sind als Grund einer Akromegalie jedoch sehr selten.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Bei einer Akromegalie treten die Symptome im Verlauf von Jahren auf. Zunächst verspüren die Betroffenen undefinierbare Kopfschmerzen sowie eine zunehmende Müdigkeit und Abgeschlagenheit. Im weiteren Verlauf der Erkrankung kommen Knochenschmerzen hinzu. Die Hände und Füße nehmen langsam an Größe zu und rufen dadurch Beschwerden wie Hautverdickung, einen Überschuss der Gelenkknorpel und Gelenkerkrankungen hervor.
Begleitend dazu kommt es zu einem gesteigerten Haarwuchs und oft auch zu Bluthochdruck. Typischerweise wachsen auch die Organe – es kommt zu einer sogenannten Viszeromegalie, die, je nachdem, welches Organ betroffen ist, Beschwerden wie Verdauungsstörungen, Gelbsucht oder Herzrhythmusstörungen nach sich ziehen kann.
Beim Mann äußert sich die Akromegalie außerdem durch Erektionsprobleme. Bei der Frau kommt es zu Sexualstörungen und einem Ausbleiben der Periode. Der Überwuchs kann frühzeitig anhand von Taubheitsgefühlen, Kribbeln und einem vermehrten Schwitzen festgestellt werden. Im Gesicht treten Veränderungen an den Ohren, den Augenhöhlen und dem Kinn auf.
Auch Zunge, Kiefer, Zähne und Lippen können betroffen sein. Die vielgestaltigen Fehlbildungen rufen diverse Symptome und Beschwerden hervor, die erst im Verlauf der Erkrankung eindeutig auf eine Akromegalie zurückgeführt werden können. Das deutlichste Symptom sind die wachsenden Glieder.
Diagnose & Verlauf
Die charakteristischen Symptome einer Akromegalie werden erst über einen langen Zeitraum hinweg sichtbar, sodass die Diagnose dieser Erkrankung als schwierig angesehen wird. Im Verlauf einer Akromegalie wachsen die Hände und Füße der Betroffenen stetig an.
Zusätzlich hierzu sind Veränderungen im Gesicht kennzeichnend, zu welchen unter anderem große Ohren, wulstige Augenhöhlenränder und ein herausragendes Kinn zählen. Ebenfalls weisen Betroffene häufig eine große Zunge sowie einen großen Kiefer auf, welcher die Zahnstellung verändern kann. Das ansteigende Wachstum ist oft mit Gelenkschmerzen, Kopfschmerzen, Sehstörungen oder Kaustörungen verbunden. Am problematischsten ist jedoch die Vergrößerung der inneren Organe, welche zu undichten Herzklappen oder Herzrhythmusstörungen führen kann.
Sollten erste Hinweise auf einen möglichen Wachstumshormonüberschuss vorliegen, sollte umgehend ein Facharzt aufgesucht werden. Hierbei wird im ersten Schritt die Menge von GH und des Botenstoffs Insulin-like growth factor 1 (IGF-I) im Blut gemessen. Zeigt sich dabei ein erhöhter Hormonspiegel, wird im weiteren Diagnoseverlauf ein Glukosetoleranztest durchgeführt.
Anschließend wird der GH-Spiegel im Blut des Patienten bestimmt. Sollte der GH-Spiegel eine ungesteuerte GH-Bildung erkennen lassen, wird im nächsten Schritt ein MRT durchgeführt. Hierdurch kann frühzeitig ein mögliches Hypophysenadenom als Ursache der Erkrankung diagnostiziert werden.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Bei einer Akromegalie, die frühzeitig erkannt wurde, sind regelmäßige Arztbesuche durch die vielen Nebenwirkungen und Symptome der Erkrankung notwendig. Außerdem kommt es hier zu einem ungewöhnlichen Größenwachstum, das bald auffällt. Besuche bei Internisten, Kieferorthopäden oder anderen Medizinern sind an der Tagesordnung.
Tritt die Akromegalie aber erst vor oder nach der Pubertät auf, müssen das vermehrte Größenwachstum der Extremitäten und andere hervorragende Merkmale des Körpers zunächst einmal festgestellt werden. Das ist aufgrund der Seltenheit der Erkrankung und des schleichend eintretenden Krankheitsverlaufs meist nicht zeitnah der Fall. Am ehesten stellen geschulte Endokrinologen die Ursache des Größenwachstums bestimmter Körperteile fest. Der Patient geht meistens erst zum Arzt, wenn ihm das vermehrte Wachstum bestimmter Körperteile aufgefallen ist.
Ob ein Adenom oder eine hormonelle Überproduktion vorliegt, kann von einem Arzt auch anhand der weiteren Symptomatik und typischer Begleitsymptome festgestellt werden. Da die Akromegalie aber schleichend verläuft, kommt es oft zu falschen Diagnosen. Einzelne Symptome werden oft nicht aufeinander bezogen. Ohne Hormonanalyse kommen die hinzugezogenen Ärzte der Akromegalie meist erst spät auf die Spur.
Bei Vorliegen eines Adenoms kann der chirurgische, medikamentöse oder strahlentherapeutische Behandlungsweg eingeschlagen werden. Dazu ist ein Onkologe oder Internist hinzuzuziehen, der das Vorliegen einer tumorbedingten Akromegalie verifiziert und eine entsprechende Empfehlung ausspricht.
Behandlung & Therapie
Zur Therapie einer Akromegalie sind unterschiedliche Wege vorzufinden. Eine häufige Möglichkeit bildet das operative Entfernen des Hypophysenadenoms. Diese Operationen, bei denen meist ein Zugang durch die Nase gelegt wird, sind besonders bei Mikroadenomen erfolgreich.
Neben den operativen Verfahren gibt es jedoch auch die Möglichkeit, die Akromegalie mit Medikamenten zu behandeln. Hier sind zum Beispiel die Somatostatin-Analoga zu nennen, welche die Wachstumshormonausschüttung aus der Hypophyse deutlich hemmen. Sie können ebenfalls eine Reduzierung der Adenome herbeiführen, bergen jedoch gleichzeitig das Risiko von Gallensteinen.
Oft werden die Medikamente mit sogenannten Dopaminagonisten verbunden, welche unter anderem auch zur Therapie eines Morbus Parkinson eingesetzt werden. Beim Einsatz von Dopaminagonisten sollten jedoch stets die Leberwerte auf einen möglichen Anstieg kontrolliert werden. Zeigt die Behandlung mit Somatostatin oder Dopaminagonisten keine ausreichenden Erfolge, können auch die sogenannten GH-Rezeptorantagonisten zum Einsatz kommen. Diese verhindern, dass sich Wachstumshormone im Körper wirksam ausbreiten können.
Sollte auch diese Maßnahme keine Erfolge herbeiführen, wird versucht, das Adenom über eine Hochpräzisionsbestrahlung zu entfernen. Sollte es nach dieser Strahlentherapie oder anderen Operationen zu einer Hypophysenunterfunktion kommen, wird eine Hormonersatztherapie angefordert. Der Erfolg aller Therapien muss durch einen Arzt überprüft werden, indem stets die Messwerte der Wachstumshormone im Blut kontrolliert werden.
Aussicht & Prognose
Durch die Akromegalie kommt es zu einer Wachstumsstörung des Patienten. Diese Störung kann sich ebenso auf die inneren Organe auswirken und dabei zu verschiedenen Beschwerden und Komplikationen führen. In der Regel können sich dabei die Organe verschieben und dadurch andere Organe einquetschen. Durch die Akromegalie kann es daher zu lebensgefährlichen Situationen für den Patienten kommen, die in jedem Fall von einem Arzt behandelt werden müssen.
In den meisten Fällen sinkt die Belastbarkeit des Patienten extrem ab und der Betroffene leidet dabei an starken Kopfschmerzen und an einer Müdigkeit. Auch die Knochen und Gelenke schmerzen dabei und schränken den Alltag des Patienten extrem ein. Weiterhin tritt ein Riesenwuchs auf, der nicht selten von Haarausfall und von hohem Blutdruck begleitet wird. Durch die äußerlichen Symptome werden Kinder häufig gehänselt. Am gesamten Körper können ebenfalls Taubheitsgefühle oder Lähmungen auftreten.
Die Akromegalie wird in der Regel durch einen operativen Eingriff behandelt. Dabei treten keine weiteren Beschwerden ein. Allerdings ist nach dem Eingriff meistens eine Strahlentherapie notwendig, um die Krankheit vollständig zu bekämpfen.
Vorbeugung
Eine vorbeugende Maßnahme gegen das Auftreten einer Akromegalie ist bisher nicht bekannt. Betroffene können lediglich darauf achten, bei ersten Beschwerden umgehend einen Facharzt aufzusuchen. So verstreicht keine wichtige Behandlungszeit.
Nachsorge
Nach der erfolgreichen Behandlung von Akromegalie ist eine stetige Nachsorge zu empfehlen. Dazu gehören Nachsorgeuntersuchungen in regelmäßigen Abständen. Dabei wird der Behandlungserfolg überprüft. Nur so können rechtzeitig Maßnahmen ergriffen werden, falls sich die Werte des Patienten verändern. Die Nachsorgetermine werden mit dem zuständigen Arzt koordiniert. Bei diesen Untersuchungen werden Blutwerte sowie der Tumor der Hirnanhangdrüse überprüft.
Auch potenzielle Nebenwirkungen der eingenommenen Medikamente werden kontrolliert. Außerdem wird immer der allgemeine Gesundheitszustand des Patienten untersucht. Dabei helfen dem behandelnden Arzt alle relevanten Zusatzinformationen. Dazu gehört das körperliche und seelische Wohlbefinden und die Angabe, ob weitere Medikamente eingenommen werden.
Zu den weiteren Nachsorgeuntersuchungen kann die Kontrolle der Sehschärfe, die Untersuchung der Gelenke und der Schilddrüse sowie die Krebsvorsorge gehören. Diese Untersuchungen finden abhängig von den Symptomen des Patienten statt. Im Einzelfall wird dies von dem behandelnden Arzt entschieden und eine zusätzliche Behandlung angeordnet.
Neben regelmäßigen Nachsorgeuntersuchungen bei einem Arzt empfiehlt sich außerdem ein gesunder Lebensstil. Diesen erreicht man mit einer vollwertigen und gesunden Ernährung, ausreichend Bewegung sowie wertvollen sozialen Kontakten. Gerade Familie und Freunde können den Patienten dabei helfen, mit ihrer Krankheit umzugehen. Bei Bedarf oder psychischen Problemen, die aus der Krankheit resultieren, kann außerdem ein Psychotherapeut in Anspruch genommen werden.
Das können Sie selbst tun
Um den Verlauf der Akromegalie zu kontrollieren, kann der Patient selbst einiges beitragen. Als hilfreiche Maßnahme gilt zum Beispiel die Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe.
Damit die Behandlung der Akromegalie einen günstigen Verlauf nimmt, ist es wichtig, dass der Patient regelmäßig die Nachsorge- und Kontrolluntersuchungen wahrnimmt. Falls erforderlich, kann auf diese Weise eine frühzeitige Anpassung der Therapie an mögliche Veränderungen vorgenommen werden.
Der Patient hat auch die Möglichkeit, selbst aktiv zu werden, indem er ein spezielles Tagebuch erstellt und in dieses seine Beschwerden sowie die Auswirkungen der eingenommenen Medikamente oder die Ergebnisse der Kontrolluntersuchungen einträgt. So hat das Patiententagebuch einen positiven Anteil an der Überwachung des Krankheitsverlaufs.
Eine bedeutende Rolle bei der Akromegalie spielt zudem die Psyche der betroffenen Person. So wirkt sich die Krankheit nicht nur auf das körperliche, sondern auch auf das psychische und seelische Gleichgewicht aus. Hat die Akromegalie negative Folgen für die Psyche, kann eine professionelle Beratung durch einen Psychologen oder Arzt hilfreich sein.
Als sinnvoll gilt auch die Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe, wie zum Beispiel dem Netzwerk „Hypophysen- und Nebennierenerkrankungen e.V.“ Dabei nimmt der Betroffene Kontakt zu anderen Menschen auf, die ebenfalls an Akromegalie leiden, um sich mit ihnen auszutauschen.
Zu empfehlen sind ferner eine gesunde Ernährungsweise, Bewegung sowie Rückhalt durch Angehörige oder Freunde, um Kraft zum Umgang mit der schweren Erkrankung zu schöpfen.
Quellen
- Comberg, H.-U., Klimm, H.-D. (Hrsg.): Allgemeinmedizin. Thieme, Stuttgart 2004
- Murken, J., Grimm, T., Holinski-Feder, E., Zerres, K. (Hrsg.): Taschenlehrbuch Humangenetik. Thieme, Stuttgart 2011
- Witkowski R., Prokop O., Ullrich E.: Lexikon der Syndrome und Fehlbildungen. Springer, Berlin 2003