Schwungbeinphase
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 18. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
Sie sind hier: Startseite Körperprozesse Schwungbeinphase
Die Schwungbeinphase ist eine der Hauptkomponenten des Gangbildes. Durch Funktionseinschränkungen des Bewegungsablaufes kann der Bewegungsradius erheblich eingeschränkt sein.
Inhaltsverzeichnis |
Was ist die Schwungbeinphase?
Die Schwungbeinphase beschreibt den Bewegungsablauf des freien Beines beim Gehen und Laufen. Zusammen mit einer Standbeinphase ergibt sich ein Gangzyklus.
Die Schwungbeinphase kann analytisch und funktionell in 3 Abschnitte eingeteilt werden, die frühe, die mittlere und die terminale Schwungphase. Sie beginnt mit dem Anheben des Beines nach der Standbeinphase. Dabei werden der Oberschenkel durch die Hüftbeuger und der Unterschenkel durch die Kniebeuger angehoben, der Fuß bleibt zunächst passiv.
In der mittleren Phase wird das Bein durch eine verstärkte Hüftbeugung nach vorne bewegt, während das Knie locker in die Senkrechte gelangt. Zehen und Fuß werden aktiv angehoben, so dass sie über dem Boden nach vorne geführt werden können. In dieser Phase erreicht die Flexion im Hüftgelenk ihr größtes Ausmaß.
In der terminalen Standbeinphase wird das Bein wieder Richtung Boden abgesenkt. Gleichzeitig wird das Knie aktiv gestreckt und der Fuß in Neutralstellung gehalten, in Vorbereitung für den bevorstehenden Bodenkontakt mit der Ferse. Eine funktionell wichtige Begleitkomponente ist die Mitrotation des Beckens nach vorne.
Funktion & Aufgabe
Die Bewegungskomponenten der Schwungbeinphase sind bei normalem Gehtempo so angelegt, dass ein flüssiges Gangbild mit minimalem Kraftaufwand entsteht. Die Hüftbeugung ist in allen Phasen relativ gering und der Fuß wird nur einige Zentimeter vom Boden abgehoben. Lediglich das Kniegelenk ist in der ersten Phase relativ stark gebeugt, jedoch nur für kurze Zeit.
Die Hauptarbeit für die Vorwärtsbewegung leisten die Hüftbeuger, während die Kniebeuger zu Beginn und die Extensoren des Sprunggelenkes und der Zehen in der Mitte Haltearbeit beziehungsweise bremsende Muskelaktivität zeigen. In der terminalen Schwungbeinphase werden dann die Kniestrecker aktiv und die Hüftflexoren kontrollieren das adäquate Absenken des Beines.
Eine Erhöhung des Bewegungstempos führt zu einer Akzentuierung aller Bewegungskomponenten. Sehr deutlich zu beobachten ist dies bei Sprintern. Vor allem die Hüftbeugung erreicht viel höhere Bewegungsgrade als beim normalen Gehen und der Fuß wird von Beginn an deutlich hoch gezogen.
Die Überwindung von Höhen erfordert ebenfalls mehr Flexion im Hüftgelenk und eine größere Extension im Fuß und den Zehen, während beide Komponenten beim Gehen auf einer abschüssigen Straße vermindert sind. Die Bewegungsamplituden werden ebenfalls von der Schrittlänge beeinflusst, die wiederum von der relativen Beinlänge abhängt. Bei kleinen Schritten dauert die Schwungbeinphase nur kurz, es bleibt also wenig Zeit für die Durchführung. Aus diesem Grunde ist der Bewegungsumfang in der Hüft- und Kniebeugung in der frühen und mittleren Phase geringer als bei normaler Schrittlänge. Umgekehrt ist bei langen Schritten vor allem die Flexion im Hüftgelenk vergrößert. Bei gleichem Gehtempo verändert sich mit der Schrittlänge auch die Schrittfrequenz. Bei kurzen Schritten ist sie höher als bei langen.
Krankheiten & Beschwerden
Bandscheibenvorfälle können zu einer Läsion des Nervus ischiadicus führen, der mit einem seiner Äste die Fußheber versorgt. Fallen diese Muskeln aus, können der Fuß und die Zehen nicht mehr angehoben werden und die Zehen schleifen in der Schwungbeinphase über den Boden. Dadurch ist die Verletzungsgefahr durch Stolpern und Fallen erhöht, insbesondere, wenn gleichzeitig die Sensibilität am Fuß gestört ist.
Häufig kann man bei den betroffenen Menschen einen Kompensationsmechanismus beobachten, um diese Gefahr zu umgehen, den sogenannten Steppergang. Dabei werden die Oberschenkel deutlich mehr als normal angehoben, um den hängenden Fuß hoch genug vom Boden zu bekommen und das Bein ohne Schleifen nach vorne bewegen zu können.
Zentrale Erkrankungen oder Verletzungen des Nervensystems betreffen unter Umständen alle Muskeln, die an der Schwungbeinphase beteiligt sind. Eine Querschnittslähmung oberhalb des 3. Lendenwirbels führt zu einem Ausfall der Hüft- und Kniebeuger, der Kniestrecker und aller Fußmuskeln. Das Schwingen des Beines nach vorne ist aktiv nicht mehr möglich.
Bei einem spastischen Muster infolge eines Schlaganfalles, ist die Schwungbeinphase deutlich verändert. Die Bewegung wird über das Becken eingeleitet und das im Knie- und Sprunggelenk gestreckte Bein über eine Kreisbewegung (Circumduktion) nach vorne gesetzt.
Ataktische Gangstörungen wie zum Beispiel bei der Multiplen Sklerose verursachen zuerst ein Unsicherheitsgefühl in der Standbeinphase. Daher trauen sich die betroffenen Menschen oft nicht, das Bein in der Schwungbeinphase lange anzuheben. Es entstehen kurze wacklige Schritte.
Eine andere neurologische Erkrankung beeinträchtigt auf ganz andere Art und Weise die Schwungbeinphase. Bei Parkinson kann oft das Phänomen beobachtet werden, dass beim Gehen die Schritte immer kleiner werden und schließlich komplett aufhören. Die Erkrankten bleiben wie festgefroren an der Stelle stehen. Ein optischer oder akustischer Reiz kann in dem Fall den Impuls für die Wiederaufnahme des Gehens sein.
Verletzungen haben durch Schmerzen oder Bewegungseinschränkungen negative Auswirkungen auf die Ausführung der Schwungbeinphase. Eine Zerrung oder ein Muskelfaserriss der Hüftflexoren führen dazu, dass die Zeitspanne der Aktivität dieser Muskeln relativ kurz gehalten wird. Das Bein wird schnell und kurz nach vorne geführt, um den Schmerz, der durch die Anspannung verstärkt wird zu beenden. Streckdefizite im Knie infolge einer Arthrose oder einer Operation verkürzen die terminale Schwungbeinphase.
Quellen
- Arasteh, K., et. al.: Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
- Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
- Piper, W.: Innere Medizin. Springer, Berlin 2013