Gangbild
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 11. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Das Gangbild ist ein komplexer Bewegungsablauf, der von vielen Faktoren abhängig ist. Veränderungen können sich erheblich auf die Mobilität und die Lebensqualität auswirken.
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Was ist das Gangbild?
Der Begriff Gangbild ist die Bezeichnung für den optischen Eindruck, den ein Mensch gewinnt, wenn er den Bewegungsvorgang des Gehens eines anderen beobachtet. In die Wahrnehmung fließen nicht nur die zyklischen Beinbewegungen mit ein, sondern auch die dynamischen und statischen Elemente in anderen Körperbereichen.
Da es sich um einen alltäglich auftretenden Bewegungsablauf handelt, hat jeder eine Art von normalem Gangbild im Kopf, mit dem er seine Beobachtungen vergleicht. Abweichungen werden als Gangbildveränderung eingeordnet. Die Kriterien, die bei dem Vergleich herangezogen werden, sind nicht objektivierbar, sie beruhen nur auf Erfahrungswerten.
Ein normales Gangbild ist gekennzeichnet durch fließende, rhythmische und wohl koordinierte Bewegungen der Beine und Arme bei aufrechter Haltung des Rumpfes und des Kopfes.
Die professionelle Beobachtung des Gehens, Ganganalyse genannt, bedient sich bestimmter Parameter zur Beurteilung. Für einige dieser Kriterien gibt es zwar Normwerte, mit denen das Beobachtete verglichen werden kann, sie stellen aber keine objektiven Messwerte zur Verfügung, sondern lediglich Orientierungsmöglichkeiten. Es handelt sich um Charakteristika wie Schrittlänge, Spurbreite, Schrittfrequenz, Gangtempo und Gangrhythmus.
Funktion & Aufgabe
Im Grunde ist der ganze Körper in den Bewegungsablauf eingebunden, entweder dynamisch oder statisch. Die Beinbewegungen bilden die Grundlage für die eigentliche Fortbewegung, indem die rechte und linke Extremität in abwechselnden Zyklen den Vortrieb des Körpers bewerkstelligen. Ein Gangzyklus eines Beines umfasst eine Stand- und eine Schwungbeinphase. Die Ausführung ist individuell unterschiedlich und sowohl von den körperlichen Gegebenheiten, als auch von Bewegungsgewohnheiten abhängig. In der Regel sind die benutzten Bewegungsamplituden gleich groß und der gesamte Bewegungsablauf rhythmisch, was bedeutet, dass die Gangzyklen im Seitenvergleich annähernd gleich lang sind.
Die Schrittlänge kann variieren und vom Normwert (1,5 – 2 Fußlängen) abweichen, je nach Hebelverhältnissen. Menschen mit verhältnismäßig langen Beinen im Vergleich zum Oberkörper neigen dazu, eher große Schritte zu machen, umgekehrte Längenverhältnisse führen zu kleinen Schritten. Die Spurbreite und die Stellung der Füße sind sehr stark abhängig von der Stellung der Hüftgelenke und der Ausprägung der Beinachse.
Das Becken begleitet die Schwungbeinbewegung mit einer Rotation nach vorne und nimmt dabei die Lendenwirbelsäule ein Stück mit. Die Abduktoren gewährleisten, dass die Beckenhälfte, die in der Luft schwebt, in der waagerechten bleibt und nicht abkippt.
Die Arme schwingen gegengleich zum Heben der Beine, wobei der Bewegungsimpuls aus den Schultern und den Ellenbogen kommt, die Bewegungsamplitude in der Regel aber relativ gering ist. Der Schultergürtel und die angrenzende Brustwirbelsäule rotieren im Gleichklang mit den Armbewegungen mit. Ansonsten wird der Oberkörper in der aufrechten Haltung stabilisiert, mit nur geringen seitlichen Abweichungen.
Normalerweise ist das gesamte Gangbild ein wohl koordiniertes Miteinander aller zugehörigen Komponenten. Die freien Bewegungen der Beine und Arme laufen zielgerichtet und auf möglichst direktem Wege ab. Alle stabilisierenden Elemente sind ohne Schwierigkeiten und ohne große muskuläre Anstrengung möglich und es treten keine Irritationen auf.
Krankheiten & Beschwerden
Mit zunehmendem Fortschreiten dieser Erkrankung wird das betroffene Bein immer mehr geschont und die Muskeln bauen ab. Das betrifft sehr früh die Muskulatur, die das Becken beim Gehen in der Waagerechten hält. Aufgrund der Insuffizienz der Abduktoren sinkt es auf der Schwungbeinseite ab, es entsteht das sogenannte Trendelenburg-Hinken.
Einseitige Bewegungseinschränkungen in den Hüft- oder Kniegelenken verändernd den Gangrhythmus, indem sie entweder die zugehörige Stand- oder Schwungbeinphase auf der betroffenen Seite verkürzen. Hüftflexoren mit einer verminderten Dehnfähigkeit schränken die Hüftextension ein, wodurch die Standbeinphase auf der betroffenen Seite frühzeitig abgebrochen wird. Druckabhängige Schmerzen infolge von Verletzungen können die gleichen Folgen haben. Diese Art der Gangbildveränderung wird im normalen Sprachgebrauch als Humpeln bezeichnet.
Auch neurologische Erkrankungen können das Gangbild erheblich modifizieren. Beim Morbus Parkinson ist häufig die Schrittlänge auf beiden Seiten deutlich verkürzt, es entsteht der typische kleinschrittige, trippelnde Gang.
Koordinative Veränderungen können die Folge eines Schlaganfalls sein oder bei Erkrankungen auftreten, die eine Ataxie zur Folge haben. Hemiplegiker entwickeln meist nach einer schlaffen Phase ein spastisches Streckmuster im Bein, welches die Bewegungsabläufe beim Gehen erheblich verändert. In der Schwingbeinphase wird das gestreckte Bein mit einer Kreisbewegung, die aus dem Becken kommt, nach vorne innen gebracht und mit dem Vorfuß aufgesetzt. Dann erfolgt eine kurze Standbeinphase, in der das andere Bein schnell nach vorne gesetzt wird. Es entsteht ein Gangbild mit Veränderungen der Koordination und des Rhythmus.
Ataktische Bewegungsstörungen sind komplexe Symptome von zentralen neurologischen Erkrankungen wie der Multiplen Sklerose oder angeborenen Ataxien. Sowohl die Ausführung von zielgerichteten Bewegungen als auch das Halten und Stabilisieren von Positionen kann gestört sein. Beim Gehen macht sich das subjektiv als Unsicherheit bemerkbar, die dadurch kompensiert wird, dass die Spur verbreitert wird und die Füße in kurzen wackligen Schritten voran gesetzt werden. Ein ähnliches Gangbild entsteht nach reichlichem Alkoholgenuss.
Quellen
- Hacke, W.: Neurologie. Springer, Heidelberg 2010
- Hüter-Becker, A., Dölken, M.: Physiotherapie in der Orthopädie. Thieme, Stuttgart 2015
- Rössler, H., Rüther, W.: Orthopädie und Unfallchirurgie. Urban & Fischer, München, 2005