Spirochäten

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 28. Februar 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Vier verschiedene Familien von gramnegativen, extrem dünnen und langen, wendelförmigen Bakterien, die sich aktiv bewegen können, begründen die Gruppe der Spirochäten. Sie kommen in Böden und Gewässern vor sowie als Parasiten oder Kommensalen im Verdauungstrakt von Säugetieren, Mollusken und Insekten. Verschiedene Arten treten beim Menschen als Verursacher von Spirochätosen in Erscheinung, dazu gehören so verschiedene Krankheiten wie Borreliose, Leptospirose und Treponematose.

Inhaltsverzeichnis

Was sind Spirochäten?

Weithin bekannt ist beispielsweise die Lyme-Borreliose, die fast ausschließlich von infizierten Zecken übertragen wird. Die Krankheit wird durch Borrelien des Typs Borrelia burgdorferi, die zu den Spirochäten zählen, ausgelöst und nimmt sehr unterschiedliche Verläufe.
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Spirochäten verkörpern eine Gruppe von gramnegativen Bakterien, die sich durch einen sehr dünnen und korkenzieherartig gewundenen (helikalen), flexiblen, langen Zellkörper auszeichnen. Ihr Durchmesser erreicht nur 0,1 bis 3,0 Mikrometer, während ihre Länge bei einigen Arten bis zu 250 Mikrometer betragen kann.

Spirillen etwa, eine Gruppe von ebenfalls helikalen Bakterien, unterscheiden sich von den Spirochäten durch ihre äußeren Geißeln und durch ihren starren Zellkörper, während der von Spirochäten flexibel und biegsam ist. Der geringe Durchmesser erlaubt es ihnen, Bakterienfilter problemlos zu passieren.

Spirochäten können sich mit einem einzigartigen Bewegungssystem aktiv fortbewegen. Es besteht aus gebündelten fadenförmigen Proteinen (Fibrillen) und axial angeordneten Filamenten, die auch als Endoflagellen oder innere Geißeln bezeichnet werden, da sie sich innerhalb des Zellkörpers befinden. Endoflagellen erlauben es ihnen, sich schlängelnd oder in Drehbewegungen aktiv fortzubewegen. Mithilfe der Fibrillen und Endoflagellen können sich die Bakterien auch ruckartig bewegen. Ein Teil der Filamente besteht aus Tubulin-ähnlichen Gerüstproteinen, die bei Bakterien selten vorkommen.

Das Milieu, in dem Spirochäten gedeihen können, ist sehr unterschiedlich. Es lassen sich strikt anaerob lebende von fakultativ anaeroben und aerob lebenden Spirochäten unterscheiden. Auch mikroaerophile Arten existieren, die nur bei einer Sauerstoffkonzentration weit unterhalb des normalen Luftsauerstoffgehalts Wachstumsbedingungen vorfinden.

Vorkommen, Verbreitung & Eigenschaften

Spirochäten bilden eine sehr heterogene Gruppe innerhalb der Bakterien. Einige Autoren plädieren dafür, den Spirochäten, von denen nur vier verschiedene Familien bekannt sind, eine eigene Klasse zuzuordnen. Entsprechend des sehr heterogenen Stoffwechsels der Spirochäten ist auch ihre Verbreitung und Vorkommen. Weite Verbreitung finden Spirochäten als freilebende Bakterien in Böden, Gewässern und Gewässerschlamm. Es handelt sich dabei um Arten, die keine gesundheitliche Relevanz für den Menschen haben.

Andere Arten von Spirochäten besiedeln den Verdauungstrakt von Mollusken, Insekten und anderen Gliederfüßlern. Besonders stark sind die Enddarmabschnitte holzfressender Insekten wie Termiten mit Spirochäten besetzt. Möglicherweise spielen die Bakterien bei den holzfressenden Insekten eine Rolle beim Abbau von Lignin.

Auch im gesamten Verdauungstrakt von Säugetieren und Menschen lassen sich verschiedene Spirochätenarten nachweisen. Spirochäten bilden sogar einen Teil der Mundflora bei Säugern und Menschen. Selbst im Pansen der Wiederkäuer sind sie vertreten.

In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle treten Spirochäten als Kommensalen oder Parasiten auf. Das bedeutet, dass sie überwiegend eine neutrale bis leicht parasitäre Wirkung im Verdauungstrakt entfalten. Ein eventueller, direkter gesundheitlicher Nutzen für den Menschen konnte bisher nicht nachgewiesen werden.

Einige wenige Arten von Spirochäten aus jeder der vier Familien sind allerdings stark pathogen. Sie sind Verursacher leichter bis schwerwiegender Krankheiten, die durch Insektenstiche, Zeckenbisse oder durch direkte Einbringung der Erreger über kleinste Hautläsionen oder über Kontakt mit den Schleimhäuten übertragen werden können. In den meisten Fällen lassen sich die Erreger während der Anfangsstadien der Krankheiten gut mit Antibiotika bekämpfen.


Krankheiten & Beschwerden

Weithin bekannt ist beispielsweise die Lyme-Borreliose, die fast ausschließlich von infizierten Zecken übertragen wird. Die Krankheit wird durch Borrelien des Typs Borrelia burgdorferi, die zu den Spirochäten zählen, ausgelöst und nimmt sehr unterschiedliche Verläufe, die auch nach Jahren noch zu Problemen führen können. Häufig sind Lymphsystem und Hirnnerven betroffen. Beispielsweise kann eine ein- oder beidseitige Fazialisparese oder auch eine Myokarditis als Folge der Infektion auftreten.

Andere Borrelienarten sind als Verursacher des s bekannt. Die Geschlechtskrankheit Syphilis, auch harter Schanker oder Franzosenkrankheit genannt, wird von Treponema-Bakterien, die ebenfalls der Gruppe der Spirochäten angehören, ausgelöst. Die Krankheit wird fast ausschließlich beim Geschlechtsverkehr durch Berührung mit den Entzündungsherden an den äußeren Geschlechtsorganen übertragen.

Treponema pertenue, ein Treponema-Bakterium, das ebenfalls den Spirochäten angehört, ist der Auslöser einer anderen Treponematose, der sogenannten Frambösie. Die nicht-venerische Infektionskrankheit der Tropen zeigt sich zunächst als juckende und nässende, himbeerartige Papel an den Unterschenkeln – bei Kindern häufig auch im Gesicht. Unbehandelt führt die Krankheit im dritten Stadium, das teilweise erst nach einer Ruhepause von 5 bis 10 Jahren ausbricht, zu schwerwiegenden Veränderungen an Knochen und Gelenken. Die Infektion erfolgt in der Regel durch Insektenstiche, die Bakterien können allerdings auch durch direkten Hautkontakt mit den Papeln, über kleinste Läsionen der Haut, in den Körper eindringen. Die Krankheit lässt sich im Anfangsstadium gut mit Antibiotika therapieren.

Eine der vier Familien der Spirochäten wird von Leptospiren gebildet, von denen ebenfalls einige Arten für den Menschen pathogen sind. Sie sind die Verursacher sogenannter Leptospirosen. Von mehreren bekannten Leptospirosen zeigt nur die Weil-Krankheit unbehandelt einen schweren Verlauf. Leptospirosen sind unter Namen wie Reisfieber, Schweinehüterkrankheit oder Zuckerrohrfieber bekannt. Die Namen deuten darauf hin, dass enger Kontakt mit Tieren ein Infektionsrisiko darstellt. Infizierte Säugetiere wie Ratten, Mäuse, Hunde und Igel sowie Schweine und Rinder scheiden über ihren Urin Leptobakterien in die Umwelt aus, die über kleinste Läsionen der Haut oder über die Schleimhäute in den Körper eindringen. Leptospirosen sind in Deutschland dank der beachteten Hygiene und der Verfügbarkeit wirksamer Antibiotika sehr selten geworden.

Quellen

  • Buselmaier, W.: Biologie für Mediziner. Springer, Berlin Heidelberg 2006
  • Graw, J. et al.: Genetik. Springer, Berlin Heidelberg 2005
  • Groß, U.: Medizinische Mikrobiologie und Infektiologie. Thieme, Stuttgart 2009

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