Spontandepolarisation

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 13. April 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Eine Spontandepolarisation ist durch eine spontane Reduzierung des Membranpotenzials an der Zellmembran gekennzeichnet. Die Depolarisation dient der Weiterleitung elektrischer Impulse von Nerven- oder Muskelzellen. So basiert die Schrittmacherposition des Sinusknotens auf einer spontanen Depolarisation der Herzmuskelzellen.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die Spontandepolarisation?

Eine Spontandepolarisation ist durch eine spontane Reduzierung des Membranpotenzials an der Zellmembran gekennzeichnet.

Spontandepolarisationen finden hauptsächlich am Sinusknoten des Herzens statt. Der Sinusknoten stellt das primäre Reizzentrum des Herzens dar. Dort kommt es einmal pro Sekunde spontan zu einer Depolarisation des Membranpotenzials. Dabei werden elektrische Impulse an das Arbeitsmyocard der Vorhöfe weitergeleitet. Diese leiten die Kontraktion des Herzens ein.

Grundlage der Vorgänge ist ein Ruhepotenzial an den Zellmembranen. Zwischen Zellinnerem und Zelläußerem besteht ein elektrisches Potenzial, welches durch bestimmte Ionenkonzentrationen aufgebaut wird. Bei Einwirkung äußerer Reize werden Neurotransmitter aktiviert, welche wiederum kurzfristig zu einer Verminderung des Ruhepotenzials führen. Dabei strömen über Ionenkanäle Natrium- und Kalziumionen in die Zellen, während Kaliumionen aus dem Innern der Zelle nach außen transportiert werden. Diese Ionentransporte werden durch Ionenpumpen bewerkstelligt, die durch Neurotransmitter aktiviert sind.

Die Reizweiterleitung in den Nerven- und Muskelzellen beruht auf der Änderung des elektrischen Potenzials aufgrund von Depolarisation und Polarisation. Nachdem das Ruhepotenzial also durch Depolarisation vermindert ist und der Reiz weitergeleitet wurde, baut sich das normale Ruhepotenzial wieder auf.

Funktion & Aufgabe

Spontandepolarisationen sind, wie bereits erwähnt, wichtig für die Anregung des Herzmuskels. Am sogenannten Sinusknoten finden ständig spontane Depolarisationen statt, um elektrische Impulse an den Herzmuskel weiterzuleiten. Dabei kommt es zur Kontraktion des Herzmuskels, die zum Herzschlag führt. Mit jedem Herzschlag werden mehrere Liter Blut durch den Körper gepumpt.

Der Sinusknoten befindet sich im Bereich des rechten Herzohrs. Er besitzt eine muskuläre Struktur mit drei abgehenden Faserbündeln. Sympathikus und Parasympathikus steuern den Herzrhythmus über den Sinusknoten. Die Knotenzellen haben wiederum die Fähigkeit, spontan zu depolarisieren. Pro Minute geben sie in der Regel 60 bis 80 Herzschläge vor.

Für den Sinusknoten ergibt sich die Besonderheit, dass sofort nach der Depolarisation wieder eine Repolarisation stattfindet. Das Ausgangspotenzial wird also umgehend wieder hergestellt, um gleich wieder depolarisiert zu werden. Dies gewährleistet die regelmäßige Herztätigkeit.

Verantwortlich für die sofortige Depolarisation sind die sogenannten HCN-Kanäle. Sie öffnen sich durch eine Hyperpolarisation und veranlassen den Einstrom von Natriumionen. Die Hyperpolarisation bezeichnet eine übermäßige Polarisation der Zellmembran, die sich nach jeder Depolarisation sofort einstellt. Außerdem werden die HCN-Kanäle durch zyklische Nukleotide modifiziert.

HCN-Kanäle spielen besonders für Herz und Gehirn zur Gewährleistung der rhythmischen Aktivität eine große Rolle. Sie werden allerdings auch in der Retina, in den Geschmacksnerven der Zunge oder in den Spermien gefunden. Auf der Zunge reagieren die HCN-Kanäle auf saure Reize. Sie öffnen sich in diesem Fall sofort und verstärken dadurch das Sauersignal.


Krankheiten & Beschwerden

Im Zusammenhang mit Spontandepolarisationen können verschiedene Erkrankungen auftreten. Dazu zählen neben Herzrhythmusstörungen auch neurologische Erkrankungen wie Epilepsie. So verändert sich bei der Epilepsie das Depolarisationsverhalten von Nervenzellen. Dabei kommt es zu einer Übererregung, die sich in einem epileptischen Anfall äußert. Durch sehr starke Entladungen können in bestimmten Bereichen des Gehirns Störungen auftreten, die sich auf die Motorik, das Bewusstsein oder gar das Denken auswirken.

Die Depolarisationseigenschaften werden auch durch bestimmte Medikamente beeinflusst. Dazu zählen unter anderem Muskelrelaxantien, die bei spinalen Lähmungen verabreicht werden. Dabei kann es zu einer dauerhaften Depolarisation kommen, die unkoordiniertes Muskelzittern auslöst. Andere Medikamente können jedoch auch eine Untererregbarkeit hervorrufen.

Bei einer Beeinträchtigung des Sinusknotens kann sich das sogenannte Sick-Sinus-Syndrom entwickeln. Unter dem Sick-Sinus-Syndrom werden eine Reihe von autonomen Herzrhythmusstörungen verstanden, die ihren Ursprung in einer Fehlfunktion des Sinusknotens haben. Ursache dafür kann eine Schädigung des Sinusknotengewebes sein, die im Rahmen einer koronaren Herzkrankheit, einer Myokarditis oder einer Kardiomyopathie auftritt.

Manchmal ist für ein Sick-Sinus-Syndrom auch eine Überdosierung von Antiarrhythmika wie Betablocker verantwortlich. Dabei kann es sowohl zu einer Tachykardie als auch zu einer Bradykardie kommen. Die Tachykardie äußert sich durch eine zu starke Erhöhung der Herzfrequenz und verursacht Herzrasen. Die Bradykardie ist im Gegensatz dazu von einer Verringerung der Herzfrequenz gekennzeichnet. Die schwerste Form einer Bradykardie ist das Vorhofflimmern. Häufig kommen auch kombinierte Krankheitsbilder mit Phasen von Tachykardie und Bradykardie vor. Bei diesen Störungen finden keine koordinierten Depolarisationen mehr statt. Einzelne Herzmuskelzellen werden unabhängig voneinander und unwillkürlich entladen.

Auch während physiologischer Ruhephasen können Depolarisationen stattfinden, wenn falsche Faserverbindungen bestehen. Neben organischen Ursachen für die Herzrhythmusstörungen können auch falsche Medikamentendosierungen sowie Hektik und Stress zu ihnen führen. Da unregelmäßige Impulse erzeugt werden, kann oft nur noch ein Herzschrittmacher die Funktion des Sinusknotens unterstützen. Dieser sendet gleichmäßige elektrische Signale aus, die wieder geordnete Depolarisationen erzeugen. Wenn keine klinischen Symptome auftreten, ist der Einsatz eines Herzschrittmachers nicht immer notwendig. In einigen Fällen können psychotherapeutische Maßnahmen zur Normalisierung der Herzfrequenz und des Herzrhythmus beitragen.

Quellen

  • Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Berlin 2007
  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • Mattle, H., Mumenthaler, M.: Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013

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