Wartenberg-Reflex
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 23. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Der Wartenberg-Reflex ist ein Reflex aus der Gruppe der pathologischen Reflexe. Er gehört zu den Pyramidenbahnzeichen und liefert somit Hinweise auf eine Erkrankung des Nervensystems.
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Was ist der Wartenberg-Reflex?
Der Wartenberg-Reflex ist auch als Wartenberg-Zeichen bekannt. Er wurde nach dem amerikanischen Neurologen Robert Wartenberg benannt. Ähnlich wie das Gordon-Fingerspreizzeichen und der Trömner-Reflex gehört der Wartenberg-Reflex zu den Pyramidenbahnzeichen der oberen Extremität.
Er ist positiv, wenn durch das Beugen der Finger zwei, drei und vier gegen Widerstand der Daumen einschlägt, und tritt fast ausschließlich bei einer Läsion der Pyramidenbahn auf.
Funktion & Aufgabe
Die Gesamtheit dieser Motoneurone und ihrer Nervenfasern bezeichnet man als Pyramidenbahn. Im Bereich der Pyramidenkreuzung, am Übergang vom Hirn zum Rückenmark, kreuzen mehr als 80 % der Nervenfasern auf die jeweils andere Seite. Mithilfe der Pyramidenbahnzeichen kann daher die Funktionalität der Pyramidenbahn getestet werden.
Pyramidenbahnzeichen sind Reflexe oder unwillkürliche, rhythmische Muskelkontraktionen (Kloni), die, wenn sie bei Erwachsenen auftreten, pathologisch sind. Bei Säuglingen sind diese Phänomene physiologisch, da hier die Pyramidenbahnen noch nicht komplett ausgereift sind.
Beim Wartenberg-Zeichen werden Zeigefinger, Mittelfinger und Ringfinger aktiv gegen Widerstand gebeugt. Bei einem negativen Wartenberg-Zeichen geschieht daneben nichts weiter. Bei einem positiven Wartenberg-Zeichen biegt sich hingegen der Daumen in die Hohlhand. Man spricht hier von einer pathologischen Mitbewegung des Daumens.
Das Wartenberg-Zeichen wird im Seitenvergleich mit der anderen Hand durchgeführt. Ein positives Wartenberg-Zeichen ist als Hinweis auf eine Läsion der Pyramidenbahn zu werten.
Krankheiten & Beschwerden
Weitere Symptome, die auf einen Schlaganfall hinweisen, sind Sehstörungen auf einem oder sogar beiden Augen, Doppelbilder, Gesichtsfeldausfall, Schwindel, Übelkeit, Erbrechen, Gangstörungen, Schwäche, starker Kopfschmerz, Schluckstörungen (Dysphagie) oder Orientierungsstörungen. Nur in seltenen Fällen kommt es zu vollständigen Lähmungen. Die sogenannte extrapyramidale Steuerung besteht in der Regel fort und kann einige Funktionen übernehmen.
Ein positiver Wartenberg-Reflex kann auch bei der multiplen Sklerose auftreten. Die multiple Sklerose ist eine chronische Erkrankung des Nervensystems. Betroffen sind hier insbesondere die Myelinscheiden der Nervenfasern. Für eine schnellere Reizweiterleitung sind viele Nervenfasern mit einer isolierenden Schicht umhüllt. Diese Schicht bezeichnet man auch als Myelinscheide oder Markscheide. Bei der multiplen Sklerose entstehen an diesen Markscheiden zahlreiche Entzündungsherde, die zu einer Degeneration der Isolierungsschicht führen. Man spricht hier auch von multiplen Entmarkungsherden. Vornehmlich ist die weiße Substanz des Gehirns und des Rückenmarks, und damit auch die Pyramidenbahn, betroffen.
Da die Entzündungen der Nerven jedoch im gesamten Nervensystem auftreten können, kann die multiple Sklerose nahezu jedes neurologische Symptom hervorrufen. Zu Beginn der Erkrankung kommt es meist zu Seh- und Sensibilitätsstörung. Ein typisches Symptom ist das Sehen von Doppelbildern. In Beinen und Händen treten Sensibilitätsstörungen wie Missempfindungen, Schmerzen oder Taubheitsgefühle auf. Bei Befall des motorischen Systems kommt es zudem zu Lähmungserscheinungen der Extremitäten. Nicht immer zeigen sich die Symptome jedoch deutlich. Daher sollte ein positives Wartenberg-Zeichen immer an eine multiple Sklerose denken lassen.
Eine Erkrankung, bei der es ebenfalls zu einem positiven Wartenberg-Reflex kommen kann, ist die Multisystematrophie. Dabei handelt es sich um eine neurodegenerative Erkrankung, die rasch fortschreitet und bei der verschiedene Systeme zur selben Zeit betroffen sind. Die Erkrankung tritt in der Regel zwischen dem 40. und dem 60. Lebensjahr auf. Neben den positiven Pyramidenbahnzeichen finden sich hauptsächlich extrapyramidal-motorische Symptome wie Zittern (Tremor) oder Muskelstarre (Rigor). Auch zerebelläre Symptome wie Nystagmus oder Gang- und Standunsicherheiten können auftreten. Ebenso werden Schluckstörungen, Sprechstörungen, Harninkontinenz und Erektionsstörungen bei den betroffenen Patienten beobachtet. Häufig leiden die Betroffenen zudem unter Depressionen.
Quellen
- Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Berlin 2007
- Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
- Mattle, H., Mumenthaler, M.: Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013