Ablepharon-Makrostomie-Syndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 18. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Das Ablepharon-Makrostomie-Syndrom ist ein seltener und angeborener Komplex aus multiplen Fehlbildungen, die vor allem das Gesicht betreffen. Zur Ätiologie ist bislang kaum etwas bekannt, aber die Vererbung scheint autosomal-dominant zu erfolgen. Therapeutisch lassen sich viele der Fehlbildungen rekonstruktiv korrigieren.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Ablepharon-Makrostomie-Syndrom?

Für das Ablepharon-Makrostomie-Syndrom liegen genetisch erbliche Faktoren nahe. Am ehesten liegt der Erkrankung ein autosomal-dominanter Erbgang zugrunde.

Die Krankheitsgruppe der angeborenen Fehlbildungssyndrome beinhaltet viele unterschiedliche Fehlbildungskomplexe, die abhängig von ihrer Ausprägung weiterunterteilt werden. Zu den angeborenen Fehlbildungssyndromen mit vorwiegender Beteiligung des Gesichts zählt das Ablepharon-Makrostomie-Syndrom.

Für den Symptomkomplex wir eine extrem geringe Häufigkeit vermutet, die mit einer Prävalenz von weniger als einem Fall auf 1000000 Menschen angegeben wird. Die Erstschreibung fand 1977 statt. Als Erstbeschreiber gelten die britischen Ärzte Gillian McCarthy und Carolyn West. Das Syndrom manifestiert sich unmittelbar nach der Geburt in stark entstellenden Fehlbildungen des Gesichts.

Fehlende Augenlider, Wimpern und Augenbrauen sind mit Dysplasien der Ohren, der Mundhöhle und der Genitalen vergesellschaftet. Wegen der geringen Prävalenz ist die Forschung erschwert. Bisher wurden nur 14 Fälle am männlichen und ein Fall am weiblichen Geschlecht dokumentiert, sodass eine äußerst begrenzte Forschungsgrundlage besteht. Aus diesem Grund gelten nicht alle Zusammenhänge der Erkrankung als abschließend erforscht.

Ursachen

Das Ablepharon-Makrostomie-Syndrom scheint nicht sporadisch aufzutreten. An den 15 bislang dokumentierten Fällen konnten die Forscher die Tendenz zur familiären Häufung nachvollziehen. Genetisch erbliche Faktoren liegen daher nahe. Am ehesten liegt der Erkrankung ein autosomal-dominanter Erbgang zugrunde.

Ob zusätzlich zu den vermuteten genetischen Faktoren auch äußere Faktoren wie Giftexposition oder Mangelernährung während der Schwangerschaft bei der Krankheitsentstehung eine Rolle spielen könnten, ist bislang nicht geklärt. Für die Ursachenforschung relevant scheint auch die offensichtliche Präferenz des männlichen Geschlechts.

Eventuell liegt der Erkrankung ursächlich eine Mutation zugrunde. Welche Mutation das Syndrom aber auslöst, ist nicht bekannt. Ebenso wenig sind bisher eventuell beteiligte Gene identifiziert worden. Die molekulare Grundlage ist aktuell der wichtigste Forschungsgegenstand im Zusammenhang mit dem seltenen Syndrom.


Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Patienten des Ablepharon-Makrostomie-Syndroms leiden an einem Komplex aus klinisch unterschiedlichen Symptomen. Zu den wichtigsten, klinischen Kriterien zählen die Nichtanlage der Augenlider und das Fehlen der Wimpern oder Augenbrauen. An den Augen manifestiert sich das Syndrom in Form von Strabismus.

Vergesellschaftet sind diese fazialen Symptome mit tiefsitzend dysplastischen Ohrmuscheln und abnormalen Nasenlöchern mit flacher Nasenwurzel. Auch ein abnormal geformter Mund mit Gaumenspalte wurde an Patienten des Syndroms dokumentiert. Zusätzlich leiden die meisten Patienten an einer Makrostomie.

In einigen Fällen wurde auch von winzigen, unterentwickelten Zähnen berichtet. Die Haut der Betroffenen ist meist rau und trocken. Flechtenbildungen werden durch die dermalen Symptome begünstigt. Zwischen den Fingern und Zehen können häutige Syndaktylien bestehen. Die Fingergelenke sind streckgehemmt und die Brustwarzen oft hypoplastisch.

Die Genitalen der Patienten sind in der Regel intersexuell angelegt. Darüber hinaus können Skelettanomalien vorliegen, so zum Beispiel inform von fehlenden Jochbögen. Oft treten im späteren Verlauf Entwicklungsverzögerungen ein. Vor allem die Sprachentwicklung der Patienten ist oft beeinträchtigt. Dasselbe gilt für das allgemeine Wachstum. Außerdem kann sich im Laufe der Zeit ein anteiliger oder vollständiger Verlust der Hörfähigkeit manifestieren.

Diagnose & Verlauf

Die Diagnosestellung ist beim Ablepharon-Makrostomie-Syndrom ein eher schwieriges Unterfangen. Durch die klinischen Charakteristika wird der Arzt durch die Blickdiagnose vielleicht einen ersten Verdacht hegen, aber ihm stehen keine molekulargenetischen Tests zur Sicherung der Verdachtsdiagnose zur Verfügung.

Differentialdiagnostisch muss er das Syndrom dennoch von klinisch ähnlichen Erkrankungen wie dem Fraser-Syndrom und vor allem dem Barber-Say-Syndrom abgrenzen. Gerade das Barber-Say-Syndrom mit Ektropium und reduzierter Behaarung ähnelt dem Ablepharon-Makrostomie-Syndrom enorm.

Das gänzliche Fehlen der Augenlider spricht in diesem Fall für das Ablepharon-Makrostomie-Syndrom. Auch die genitalen Anomalien sind wesentlich stärker ausgeprägt. Die Prognose für Patienten des Ablepharon-Makrostomie-Syndroms hängt von der Ausprägung im Einzelfall ab.

Komplikationen

Unter dem Ablepharon-Makrostomie-Syndrom wird eine angeborene höchst seltene multiple Fehlbildung verstanden. Das Symptom sorgt für verschiedene Dysplasien. Betroffen sind das Gesicht und die Genitalen. Die meisten Patienten sind intersexuell. Ferner können die Augenlider, Wimpern, Augenbrauen und sogar die Jochbeine fehlen.

Teilweise sind die Zehen und Finger fehlgebildet und die Zähne unterentwickelt. Die Haut ist rau und neigt zu Flechten. Es wird vermutet, das die Krankheit einem Gendefekt zugrunde liegt. Es wird auch eine Gen-Mutation durch Kontakt mit hochgiftigen Substanzen sowie eine Mangelernährung während der Schwangerschaft in Erwähnung gezogen.

Für den Betroffenen bedeutet dies von Geburt an eine Kette an Komplikationen, welche sich durch das gesamte Leben zieht. Kleinkinder, benötigen von Beginn an eine aufmerksame medizinische Betreuung. Mit den Jahren können sich unterschiedliche Wachstums- und Entwicklungsverzögerung bemerkbar machen. Auch besteht das Risiko auf vollständigen Hörverlust.

Die klinische Diagnose erfolgt über eine gründliche Sichtung sowie eines molekulargenetischen Tests. Die Krankheit selbst ist nicht heilbar, einzig die Symptome. Mittels plastischer Chirurgie werden die Finger und Zehen, das Gesicht und bei Bedarf die Brustwarzen wiederhergestellt. Seh-, Hör-, Bewegungs- und Sprachdefizite werden durch Therapiemaßnahmen behandelt. Diese Maßnahmen helfen dem Patienten die meisten Komplikationen aufgrund der Diagnose zu mindern.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Anhand seiner eindeutigen Symptome kann das Ablepharon-Makrostomie-Syndrom meist direkt nach der Geburt des betroffenen Kindes festgestellt werden. Der Arzt kann mittels seiner Augen allerdings keine exakte Diagnose stellen und auch die notwendigen molekulargenetischen Tests stehen Allgemeinärzten in der Regel nicht zur Verfügung. Eltern, die bei ihrem Kind das Ablepharon-Makrostomie-Syndrom vermuten, müssen die entsprechenden Fachkliniken unter Umständen selbstständig kontaktieren und einen Test veranlassen.

Sinnvoll ist dies bei einem klaren Verdacht auf das Syndrom. Charakteristisch sind natürlich die vielgestaltigen Missbildungen und Fehlstellungen (Fehlen der Augenlider, abnormal geformte Nasenlöcher, kleine unterentwickelte Zähne, trockene Haut mit Flechtenbildung), aber auch die intersexuellen Genitalien und später auftretende Sprachstörungen. Liegt eines oder mehrere dieser Symptome vor, handelt es sich womöglich um das Ablepharon-Makrostomie-Syndrom, aber in jedem Fall um ein ernstes Leiden, dass es abzuklären gilt. Begleitend zur Diagnose sollten auch die Eltern medizinischen Rat in Anspruch nehmen. Durch eine umfassende Aufklärung und therapeutische Maßnahmen kann der Umgang mit der Krankheit erleichtert werden.

Behandlung & Therapie

Eine ursächliche Behandlung steht für Patienten des Ablepharon-Makrostomie-Syndroms bislang nicht zur Verfügung. Das liegt vor allem daran, dass die Ursache des Syndroms bisher nicht definitiv identifiziert wurde. Bis die molekulare Forschung die beteiligten Gene identifiziert hat, wird die Gentherapie als Gegenstand der Forschung eventuell die klinische Phase erreicht haben.

Eine ursächliche Therapie mag es so in gar nicht allzu ferner Zukunft zwar geben, bisher erfolgt die Behandlung der Betroffenen aber rein symptomatisch. Eine frühzeitig chirurgische Intervention zur Behebung der multiplen Fehlbildungen ist im Rahmen dieser Behandlung angezeigt. Die plastische Chirurgie kann die fehlenden Augenlider beispielsweise in einer rekonstruktiven Operation wiederherstellen.

Auch das äußere Ohr und der Mund sind rekonstruierbar. Subkutane Prothesen können zur Wiederherstellung von Jochbögen eingesetzt werden. Die Syndaktylien werden nur operativ korrigiert, wenn sie die Bewegungsfähigkeit des Betroffenen stark einschränken. Die Anomalien der Haut werden dermatologisch behandelt. Die Unterentwicklung der Mamillen werden durch eine kosmetisch-chirurgische Intervention korrigiert.

Strabismus kann durch Therapiemaßnahmen wie die langfristige Abdeckung eines Auges behandelt werden. Die Hörprobleme lassen sich durch Hörhilfen oder Implantate ausgleichen. Falls Probleme in der Sprachentwicklung auftreten, ist eine logopädische Betreuung indiziert. Bei motorischen Entwicklungsschwierigkeiten kann physiotherapeutische Behandlung erfolgen.

Aussicht & Prognose

Durch das Ablepharon-Makrostomie-Syndrom kommt es in der Regel zu verschiedenen Fehlbildungen, die vor allem das Gesicht betreffen. Oft führen diese Fehlbildungen bei den Patienten zu einem verringerten Selbstwertgefühl und nicht selten zu Minderwertigkeitskomplexen.

Meist fehlen bei diesem Syndrom die Augenlider und die Wimpern beim Patienten. Ebenso sind die Ohrmuscheln von Fehlbildungen betroffen, wodurch es zu verschiedenen Einschränkungen beim Hören kommen kann. Nicht selten leiden die Patienten auch an der sogenannten Gaumenspalte. Es bilden sich Flechten und die Fingergelenke können nicht richtig gestreckt werden.

Weiterhin leiden Kinder mit dem Ablepharon-Makrostomie-Syndrom an einer Entwicklungsverzögerung, wobei es auch im Erwachsenenalter zu Einschränkungen des Denkvermögens kommen kann. Ebenso treten Sprachbeschwerden auf. Im weiteren Verlauf der Krankheit kommt es zu einem vollständigen Verlust des Hörvermögens und damit zu einer Taubheit. Die Lebensqualität wird durch das Ablepharon-Makrostomie-Syndrom auf diese Weise stark eingeschränkt.

Da in der Regel keine kausale Behandlung des Ablepharon-Makrostomie-Syndroms möglich ist, können nur die Symptome behandelt werden. Dabei werden vor allem operative Eingriffe verwendet. In einigen Fällen ist der Betroffene auf die Hilfe anderer Menschen im Alltag angewiesen.


Vorbeugung

Bislang sind weder die äußeren, noch die molekularen Faktoren für das Ablepharon-Makrostomie-Syndrom abschließend geklärt. Da die Ursachen und die Ätiologie bislang unbekannt sind, stehen für das Syndrom derzeit keine vorbeugenden Schritte zur Verfügung. Auch eine genetische Beratung ist bisher nicht möglich.

Nachsorge

Da es sich beim Ablepharon-Makrostomie-Syndrom um eine angeborene Erkrankung handelt, kann diese nicht kausal, sondern nur rein symptomatisch behandelt werden. Aus diesem Grund sind auch die Möglichkeiten zur Nachsorge bei dieser Erkrankung stark eingeschränkt. Sollte beim Patienten ein Kinderwunsch vorliegen, kann auch eine genetische Beratung sinnvoll sein, um das Vererben des Ablepharon-Makrostomie-Syndroms an die Nachfahren zu verhindern.

In der Regel ist die Lebenserwartung des Patienten durch das Syndrom nicht negativ beeinflusst. Die Beschwerden werden dabei meist durch operative Eingriffe gelöst. Es kommt dabei meist nicht zu Komplikationen oder zu anderen Beschwerden. Auch die Hautbeschwerden können relativ gut behandelt werden.

Nach einem operativen Eingriff muss der Patient seinen Körper schonen und sich ausruhen. Dabei ist von anstrengenden Tätigkeiten oder von sportlichen Betätigungen abzusehen, um den Körper nicht unnötig zu belasten. Da auch eine Physiotherapie notwendig ist, können einige Übungen auch im eigenen Zuhause durchgeführt werden, um die Heilung zu beschleunigen.

Im Falle eines Hörschadens sollte der Betroffene darauf achten, seine Hörhilfe immer zu benutzen, um eine weitere Schädigung der Ohren zu vermeiden. Auch der Kontakt zu anderen Betroffenen des Ablepharon-Makrostomie-Syndroms kann sich positiv auf den Verlauf der Erkrankung auswirken, da es dabei zu einem Austausch an Informationen kommen kann.

Das können Sie selbst tun

Für eine dauerhafte Heilung der körperlichen Symptomatik hat der Betroffene keine Möglichkeiten, die er selbständig und eigenverantwortlich umsetzen kann. Je nach Wunsch besteht die Option, mit einem Chirurgen zusammen zu arbeiten, um über einen kosmetischen Eingriff anhaltende Veränderungen zu erzielen.

Im Alltag kann der Patient in Abhängigkeit von dem Ausmaß des körperlichen Makels mit kosmetischen Hilfsmitteln arbeiten. Mit verschiedenen Schminkprodukten lassen sich einzelne Gesichtsbereiche optisch verändern. Sie helfen dabei, das eigene Schönheitsempfinden zu optimieren. Dennoch sind bei dieser Methode Grenzen der Möglichkeiten vorhanden. Ebenso lassen sich mit verschiedenen Accessoires oder einer passenden Haarfrisur einige Gesichtsbereiche gut verdecken, die als unangenehm empfunden werden.

Darüber hinaus ist die emotionale Stabilität und psychische Gesundheit wichtig. Ein Leben mit den multiplen Fehlbildungen sollte für den Betroffenen wie auch dessen Angehörigen im Fokus stehen. Die Akzeptanz der Erkrankung und deren optischen wie körperlichen Begleiterscheinungen führt zu einer Verbesserung des Wohlbefindens. Mit einem stabilen Selbstbewusstsein und einem verlässlichen sozialen Umfeld steigt die allgemeine Lebenszufriedenheit an. Der Austausch mit anderen Erkrankten und dessen sozialen Umfeld kann dabei als hilfreich empfunden werden. Zur mentalen Unterstützung kann die Hilfe eines Therapeuten in Anspruch genommen werden. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit, Entspannungsverfahren anzuwenden.

Quellen

  • Koletzko, B.: Basiswissen Pädiatrie. Springer Medizin Verlag, Berlin 2009
  • Murken, J., Grimm, T., Holinski-Feder, E., Zerres, K. (Hrsg.): Taschenlehrbuch Humangenetik. Thieme, Stuttgart 2011
  • Witkowski R., Prokop O., Ullrich E.: Lexikon der Syndrome und Fehlbildungen. Springer, Berlin 2003

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