Artesunat
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 30. April 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Artesunat ist ein Wirkstoff zur Behandlung von Malaria. Die tropische Infektionskrankheit wird durch Erreger der Gattung Plasmodium ausgelöst und fordert weltweit jährlich 1 Million Todesopfer. Wie Studien zeigen, könnte der Wirkstoff künftig auch zur Behandlung maligner – also bösartiger – Tumore eingesetzt werden.
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Was ist Artesunat?
Das Medikament Artesunat gehört zur Wirkstoffklasse Antiprotozoikum und wird aus dem Pflanzenderivat des einjährigen Beifuß (Artemisia annus) hergestellt. Das in Blättern und Blüten des Beifuß enthaltene Artesiminin findet bereits seit Jahrtausenden in der traditionellen chinesischen Medizin Verwendung.
In den letzten Jahren rückte der Pflanzenwirkstoff auch in den Fokus westlicher Medizin. 2002 wurde das daraus synthetisierte Artesunat von der WHO in die Liste der unverzichtbaren Arzneimittel aufgenommen. Der Arzneistoff wird meist gegen Malaria tropica mit dem Erreger Plasmodium falciparum eingesetzt, die von einem schweren Verlauf gekennzeichnet ist. Artesunat ist auch hoch effizient gegen multiresistente Malariaerreger, die nicht mehr auf gängige Malaria-Präparate ansprechen.
Pharmakologische Wirkung
Die Malaria wird durch den Stich der Anopheles-Mücke übertragen. Die Erreger siedeln sich zunächst in der Leber an, befallen die roten Blutkörperchen (Erythrozyten) und zerstören sie. Der Wirkstoff Artesunat gelangt direkt in die Mitochondrien der Erregerzelle. Mitochondrien kommen in allen Zellen vor und sind das "produktive Kraftwerk" jeder Zelle.
Eine entscheidende Rolle bei der pharmakologisch-biologischen Wirksamkeit von Artesunat spielen die sogenannten Peroxid-Brücken in der chemischen Struktur des Wirkstoffs. Sie geben eine hohe Konzentration an Sauerstoffradikalen ab, die die Mitochondrien angreifen und den Zelltod des Erregers bewirken. Der Arzneistoff wirkt auch gegen Krebszellen. Tumorzellen enthalten Eisenionen in hoher Konzentration. Sie reagieren chemisch mit den Sauerstoffradikalen und bewirken das Absterben der Zelle.
Artesunat scheint auch in der Lage, die Bildung von Blutgefäßen zu verhindern, die das tumoröse Gewebe versorgen. Es wirkt dadurch der Bildung von Metastasen entgegen. Durch eine geringfügig veränderte biochemische Grundstruktur zeigt das Derivat Artesunat eine wesentlich höhere Bioverfügbarkeit als der Ursprungsstoff Artesiminin. Die Bioverfügbarkeit gibt darüber Aufschluss, wie schnell und in welchem Umfang ein Medikament vom Organismus aufgenommen und dem Körper zur Verfügung gestellt wird. Artesunat hat eine sehr kurze Halbwertzeit. Es wird schnell von der Leber verstoffwechselt und in wenigen Stunden aus dem Körper ausgeschieden.
Medizinische Anwendung & Verwendung
Besonders bei schweren Fällen senkt das Artesiminin-Derivat signifikant die Sterberate der an Malaria Erkrankten. Von 1.000 Malariapatienten, die mit Artesunat behandelt wurden, starben lediglich 147 statt 241 der mit dem gängigen Malariamedikament Quinin Behandelten. Bisher werden artesunathaltige Medikamente ausschließlich bei Erwachsenen angewendet.
Neueste Untersuchungen zeigen, dass bald auch Kinder von dem Wirkstoff profitieren können. Verschiedene Studien verweisen darauf, dass Artesunat künftig auch in der Krebstherapie eingesetzt werden könnte. So wurde nachgewiesen, dass der Wirkstoff ein vielversprechendes Medikament für maligne Tumore ist. Krebszellen haben dem oxidativen Stress durch die Sauerstoffradikalen kaum etwas entgegenzusetzen. Besonders effektiv ist der Arzneistoff bei schnell wachsenden Tumoren. Sie weisen eine besonders hohe Anzahl von Eisenionen auf.
Wissenschaftler aus Singapur schreiben dem Stoff zudem eine bessere Wirksamkeit gegen Asthma zu als üblicherweise verordnete Corticosteroide. Artesunat wird gegen Malaria meist als Kombinationspräparat verwendet, um eventuelle Resistenzen zu verhindern. Der Wirkstoff wird bei der schweren Malaria tropica meist intravenös als Infusion verabreicht, steht aber auch in Tablettenform zur Verfügung.
Verabreichung & Dosierung
Artesunat ist ein wichtiges Antimalariamittel, das insbesondere zur Behandlung von schweren Malariafällen verwendet wird. Bei der Verabreichung und Dosierung von Artesunat sind mehrere wichtige Punkte zu beachten, um eine effektive und sichere Behandlung zu gewährleisten.
Zunächst sollte die Dosierung von Artesunat individuell auf den Patienten abgestimmt werden und basiert typischerweise auf dem Körpergewicht. Die Standarddosis für Erwachsene und Kinder mit schwerer Malaria beginnt oft mit einer initialen Dosis, gefolgt von weiteren Dosen nach 12 und 24 Stunden, und dann täglich bis zur klinischen Besserung.
Artesunat wird meist intravenös oder intramuskulär verabreicht, besonders in Fällen von schwerer Malaria, wo schnelles Handeln erforderlich ist. Es kann auch in oralen Formulierungen für weniger schwere Fälle vorhanden sein. Die intravenöse Verabreichung sollte langsam erfolgen, um das Risiko von Nebenwirkungen zu minimieren.
Es ist auch wichtig, nach Abschluss der Artesunat-Behandlung eine Anschlusstherapie mit einem anderen Antimalariamittel durchzuführen, um eine vollständige Eradikation der Parasiten zu erreichen. Diese Kombinationstherapie hilft, die Entwicklung von Resistenzen zu verhindern.
Nebenwirkungen von Artesunat können unter anderem Schwindel, Kopfschmerzen und gastrointestinale Beschwerden umfassen. Bei der Behandlung ist es daher entscheidend, den Patienten sorgfältig zu überwachen und auf Anzeichen von Nebenwirkungen oder Komplikationen zu achten. Generell sollte die Anwendung von Artesunat nur unter fachkundiger medizinischer Aufsicht erfolgen.
Risiken & Nebenwirkungen
Die Wirkung von Artesunat ist selektiv. Das heißt, es wirkt auf sehr stark eisenhaltige Tumorzellen und Malariaerreger toxisch, hat aber auf gesunde Zellen keine negativen Auswirkungen.
Der Arzneistoff Artesunat gilt als gut verträglich. Die bislang bekannten Nebenwirkungen halten sich in Grenzen und sind in der Regel gut beherrschbar. Mit welchen Begleiterscheinungen die Einnahme von Artesunat einhergeht, hängt auch von der Medikamentenkombination ab, in der es verfügbar ist.
Die häufigsten Nebenwirkungen sind Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit, Benommenheit und Schwäche – es können aber auch Übelkeit, Erbrechen und Durchfall auftreten. In seltenen Einzelfällen kommt es zu einer Hämolyse – der Auflösung der roten Blutkörperchen – was eine Anämie zur Folge hat.
Kontraindikationen
Artesunat ist ein wirksames Medikament zur Behandlung von Malaria, aber es gibt bestimmte Bedingungen, unter denen seine Verwendung vermieden oder sorgfältig überwacht werden sollte. Die Kenntnis dieser Kontraindikationen ist entscheidend, um die Sicherheit der Patienten zu gewährleisten.
Eine der Hauptkontraindikationen für Artesunat ist eine bekannte Überempfindlichkeit oder Allergie gegen das Medikament oder seine Hilfsstoffe. Patienten mit einer Vorgeschichte von allergischen Reaktionen auf Artesunat sollten dieses Medikament nicht verwenden, da dies zu schwerwiegenden allergischen Reaktionen führen kann.
Schwangere, besonders im ersten Trimester, sollten Artesunat nur verwenden, wenn es absolut notwendig ist, da die Sicherheitsdaten für diese spezifische Patientengruppe begrenzt sind. Obwohl die WHO die Anwendung von Artesunat bei schwerer Malaria auch während der Schwangerschaft empfiehlt, sollte dies unter sorgfältiger Abwägung der Risiken und Vorteile erfolgen.
Patienten mit schweren Leber- oder Nierenerkrankungen sollten ebenfalls Vorsicht walten lassen, da Artesunat metabolische Prozesse beeinflussen kann, die in diesen Organen stattfinden. Bei diesen Patienten kann eine Dosisanpassung erforderlich sein, und die Funktion dieser Organe sollte während der Behandlung überwacht werden.
Außerdem sollten Personen, die gleichzeitig andere Medikamente einnehmen, die das QT-Intervall verlängern können, Artesunat mit Vorsicht verwenden, da es zu Herzrhythmusstörungen kommen kann. Eine genaue Medikamentenanamnese und gegebenenfalls eine Anpassung der Medikation sind daher notwendig.
In allen Fällen ist eine fachkundige medizinische Überwachung während der Behandlung mit Artesunat wichtig, um sicherzustellen, dass das Medikament sicher und effektiv verwendet wird.
Interaktionen mit anderen Medikamenten
Artesunat ist ein wirksamer Bestandteil der Malaria-Behandlung, der jedoch potenzielle Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten aufweisen kann, die bei der Behandlung berücksichtigt werden müssen.
Eine bedeutende Interaktion besteht zwischen Artesunat und Medikamenten, die das Cytochrom P450-Enzymsystem beeinflussen, da Artesunat durch dieses System metabolisiert wird. Medikamente, die als starke Inhibitoren oder Induktoren des Cytochrom P450-Systems wirken, wie z. B. Rifampicin, Ketoconazol oder Erythromycin, können die Plasmakonzentrationen von Artesunat beeinflussen und dessen Wirksamkeit und Sicherheitsprofil verändern.
Eine weitere wichtige Interaktion besteht mit Antiretroviralen Medikamenten, die häufig zur Behandlung von HIV/AIDS eingesetzt werden. Einige dieser Medikamente können die Metabolisierung von Artesunat beschleunigen oder verlangsamen, was zu einer unzureichenden Wirkung oder erhöhten Toxizität von Artesunat führen kann.
Artesunat kann auch Wechselwirkungen mit Medikamenten eingehen, die das QT-Intervall verlängern, was das Risiko für kardiale Arrhythmien erhöhen kann. Es ist wichtig, das Risiko solcher Wechselwirkungen zu bewerten, besonders bei Patienten, die bereits Herzmedikamente einnehmen.
Die gleichzeitige Anwendung von Artesunat mit anderen antimalariellen Medikamenten, wie z.B. Mefloquin, erfordert ebenfalls Vorsicht, da die Kombination zu erhöhten Nebenwirkungen führen kann.
Bei der Verschreibung von Artesunat ist es daher essentiell, dass Ärzte eine vollständige Medikamentenliste des Patienten überprüfen, um mögliche Wechselwirkungen zu identifizieren und die Behandlung entsprechend anzupassen. Dies gewährleistet die Sicherheit und Effektivität der Therapie, besonders bei Patienten, die Mehrfachmedikationen erhalten.
Alternative Behandlungsmethoden
Wenn Artesunat aufgrund von Unverträglichkeit oder Kontraindikationen nicht geeignet ist, stehen andere wirksame Medikamente zur Behandlung von Malaria zur Verfügung. Diese Alternativen sind besonders wichtig für die effektive Behandlung der Krankheit unter Beachtung individueller Patientenbedürfnisse.
Ein häufig verwendetes alternatives Medikament ist Quinine, ein traditionelles Antimalariamittel, das besonders bei der Behandlung von schwerer Malaria eingesetzt wird. Quinine wird oft intravenös verabreicht und ist für seine Wirksamkeit bekannt, kann jedoch Nebenwirkungen wie Tinnitus, Kopfschmerzen und Hypoglykämie verursachen.
Mefloquin ist eine weitere Option, die zur Behandlung und Prophylaxe von Malaria verwendet wird. Es ist besonders nützlich in Gebieten, in denen die Parasiten gegenüber anderen Medikamenten Resistenzen entwickelt haben. Mefloquin kann jedoch neurologische und psychiatrische Nebenwirkungen verursachen, weshalb es mit Vorsicht und unter medizinischer Überwachung verwendet werden sollte.
Atovaquone-Proguanil ist ein Kombinationspräparat, das ebenfalls zur Behandlung und Vorbeugung von Malaria eingesetzt wird. Es ist bekannt für seine gute Verträglichkeit und geringen Nebenwirkungen, was es zu einer geeigneten Alternative für Patienten macht, die Artesunat nicht vertragen.
Für Patienten, die eine Behandlung in Form von oralen Medikamenten bevorzugen oder benötigen, bietet sich Dihydroartemisinin-Piperaquin als weitere Alternative an. Diese Kombination hat sich als wirksam in der Behandlung von Malaria erwiesen und ist gut verträglich.
Bei der Wahl einer alternativen Therapie ist es wichtig, die spezifischen Anforderungen und medizinischen Bedingungen des Patienten zu berücksichtigen sowie die Resistenzsituation in der jeweiligen Region. Eine sorgfältige Überwachung durch medizinisches Fachpersonal ist essenziell, um die bestmögliche Behandlung zu gewährleisten.
Quellen
- "Goodman & Gilman's The Pharmacological Basis of Therapeutics" von Laurence Brunton, Randa Hilal-Dandan, und Bjorn Knollmann
- "Rang & Dale's Pharmacology" von Humphrey P. Rang, Maureen M. Dale, James M. Ritter, und Rod J. Flower
- "Basic and Clinical Pharmacology" von Bertram Katzung, Anthony Trevor