Bleivergiftung

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. Februar 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Eine Bleivergiftung (Saturnismus) entsteht bei der Aufnahme des toxischen Metalls Blei. Der menschliche Organismus wird durch das Schwermetall Blei geschädigt.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine Bleivergiftung?

Da das Schwermetall hemmend in die Blutbildung eingreift, entwickelt sich bei einer chronischen Bleivergiftung eine sogenannte Bleianämie.
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Es wird zwischen einer akuten und einer chronischen Bleivergiftung unterschieden. Erst bei sehr großen, einmalig aufgenommenen Mengen an Blei oder Bleiverbindungen tritt eine akute Bleivergiftung auf. Tödlich wirkt bei Erwachsenen z. B. eine Dosis von 5 bis 30 Gramm des in Wasser gut löslichen Bleisalzes Bleiacetat.

Hingegen führt die tägliche Aufnahme von 1 Mikrogramm z. B. über die Nahrung erst nach längerer Zeit zu einer chronischen Bleivergiftung. Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass eine tägliche Bleiaufnahme über den Mund von durchschnittlich etwa 100 bis 500 Milligramm erfolgt.

Durch eine Bleivergiftung werden unterschiedliche Organe des menschlichen Körpers betroffen. Dazu gehören sowohl das periphere als auch das zentrale Nervensystem, das Knochenmark, das maßgeblich auch für die Blutbildung verantwortlich ist, der Magen-Darm-Bereich, die Keimdrüsen, die Haut und die Nieren.

Ursachen

Eine Bleivergiftung ist heute vor allem eine Folge von Arbeitsunfällen oder des Konsums verunreinigter Drogen, während früher häufig auch Bleivergiftungen aufgrund bleihaltiger Gegenstände wie Wasserleitungen, Dosen oder Geschirr vorkamen.

Eine Bleivergiftung entsteht insbesondere beim Einatmen bleihaltiger Dämpfe oder Stäube z. B. bei der Verarbeitung bleihaltiger Farben. Aber auch über Hautkontakt oder über die Nahrung kann Blei in den Körper gelangen. So können z. B. in der Schönheitspflege eingesetzte bleihaltige Salben eine Bleivergiftung auslösen. Eine chronische Bleivergiftung bei Erwachsenen tritt bei Zuführung einer Bleimenge ab ungefähr 500 Nanogramm auf.

Das in das Blut gelangte Blei bindet sich zu 95 % an die Erythrozyten (rote Blutkörperchen) und an Bluteiweiße. Über die Blutbahnen gelangt das Blei dann in Organe wie Gehirn, Leber und Lunge, wo es eine 20-tägige Halbwertzeit aufweist.

Während ein Teil des Bleis ausgeschieden wird, lagert es sich teilweise auch in Zähnen und Knochen ab. Dort beträgt die Halbwertzeit 5 bis 20 Jahre. Wenn in größerem Ausmaß ein Abbau von Knochensubstanz erfolgt, kann es zu einer Erhöhung des Bleispiegels im Blut auch ohne Neuzuführung von außerhalb des Körpers kommen.

Da Blei auch die Plazenta durchdringt, kann eine Bleivergiftung von der Mutter auf das ungeborene Kind übertragen werden.


Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Je nach Stärke und Dauer der Bleibelastung kommt es zu chronischen oder akuten Vergiftungen. Akute Bleivergiftungen zeichnen sich durch Kopf- und Gliederschmerzen, schweren Bauchkrämpfen sowie Abgeschlagenheit aus. In schweren Fällen kann es auch zum Koma und Kreislaufversagen mit Todesfolge kommen. Auch ein spastischer Ileus (Darmverschluss) ist möglich.

Eine akute Bleivergiftung kann mit Magenspülungen behandelt werden. Heimtückischer verläuft jedoch eine chronische Bleivergiftung. Langfristige Kontamination mit Blei kann zu verschiedenen Symptomen führen. Da das Schwermetall hemmend in die Blutbildung eingreift, entwickelt sich bei einer chronischen Bleivergiftung eine sogenannte Bleianämie.

Wie alle Anämieformen führt diese zu Müdigkeit sowie zu verminderter körperlicher und geistiger Leistungsfähigkeit. Am Zahnfleisch setzt sich ein bläulich grauer bis schwarzgrauer Belag aus Bleisulfid ab. Das Herzkreislaufsystem wird aufgrund der von Blei freigesetzten gefäßerweiternden Hormone beeinträchtigt. Es kann zu Herzrhythmusstörungen, Herzschwäche und Herzinfarkt kommen.

Des Weiteren treten durch die Schädigung des Nervensystems und des Gehirns solche Symptome wie Desorientierung, Kopfschmerzen, Aggressivität, Überaktivität, Schlaflosigkeit oder Apathie auf. Schwere Fälle von Nervenschädigungen sind durch Delirium, Koma oder Krämpfe gekennzeichnet, die bis zum Tod durch Kreislaufversagen führen können. Des Weiteren sind Taubheitsgefühle und Sensibilitätsstörungen in den Extremitäten sowie motorische Ausfälle möglich. Schließlich können sich ab einer gewissen Bleikonzentration im Blut langfristig auch Nierenschädigungen einstellen.

Diagnose & Verlauf

Symptome der eher seltenen akuten Bleivergiftung sind trotz starker Müdigkeit vorhandene Schlaflosigkeit, Schwindelgefühle, Kopfschmerzen, Bauchschmerzen und Krampfanfälle, eine Verlangsamung von Bewegungsabläufen und einem Delirium ähnelnde Zustände. Vor allem bei Kindern, die eine Bleivergiftung erleiden, kommt es zu einer Hirnschädigung (Bleienzephalopathie). Bei der akuten Bleivergiftung handelt es sich um eine schwere Vergiftung, die zum Koma und durch Kreislaufversagen zum Tod führen kann.

Bei einer chronischen Bleivergiftung sind Appetitlosigkeit, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Bauchschmerzen und Verstopfung festzustellen. Die Haut des Patienten wirkt grau-gelblich, während der Rand des Zahnfleisches mit einem sog. Bleisaum dunkel verfärbt ist. Blei erschwert die Bildung von rotem Blutfarbstoff, so dass Blutarmut (Bleianämie) auftritt. Ferner kann es zu schweren Nierenschädigungen kommen.

Bei einer Nervenerkrankung aufgrund Bleivergiftung (Polyneuropathie) kommt es regelmäßig zu einer Lähmung der Streckmuskeln in den Armen, zu Schwerhörigkeit und zu Ohrensausen. Insbesondere bei Kindern kann es bei Bleivergiftung zu Gehirnschädigungen kommen.

Die Diagnose einer Bleivergiftung lässt sich am besten mittels einer Blutuntersuchung stellen, kann aber auch durch eine Analyse von Urin, Haaren oder Zähnen erfolgen. Im Urin kann das Blei aufgrund der nicht unbedingt gleichmäßigen Flüssigkeitsverwertung durch den Körper allerdings unregelmäßig verteilt sein, so dass Messungenauigkeiten bei Bleivergiftung nicht auszuschließen sind.

Komplikationen

Eine Bleivergiftung führt meist unmittelbar zu Müdigkeit, Übelkeit und Erbrechen. Längerfristig kann eine unsachgemäße Behandlung der Vergiftung weitere Komplikationen verursachen. Bei Kindern kann bereits eine geringe Menge Blei zu bleibenden körperlichen und geistigen Schäden führen. Die größten Komplikationen sind Entwicklungsstörungen, Hörprobleme, Koordinations- und Konzentrationsschwierigkeiten.

Daneben kann es zu Verhaltensauffälligkeiten wie Aggressivität und Hyperaktivität kommen. Typische körperliche Komplikationen bei einer Bleivergiftung sind unter anderem Nierenschäden und Lungenerkrankungen. Selten kann eine Bleivergiftung zu einer lebensbedrohlichen Sepsis mit schwerwiegenden Folgen führen. Bei größeren Mengen Blei besteht außerdem die Gefahr eines Nierenversagens, welches bei Nichtbehandlung ebenfalls tödlich enden kann.

Eine chronische Bleivergiftung reduziert das allgemeine Wohlbefinden und geht mit Appetitlosigkeit, Abgeschlagenheit, Kopf- und Bauchschmerzen sowie Verstopfung einher. Da Blei die Bildung roter Blutkörperchen reduziert, steigt außerdem das Risiko von Blutarmut. Ferner können dauerhafte Nierenschäden und weitere Komplikationen entstehen.

Das Ausmaß der Beschwerden hängt im Wesentlichen von der aufgenommenen Bleimenge und der Konstitution des Betroffenen ab; eine rasche Behandlung reduziert das Risiko für bleibende Schäden erheblich und führt meist zu einer vollständigen Genesung des Patienten.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Eine akute Bleivergiftung ist eine potentiell lebensgefährliche Störung, die nicht unterschätzt oder verharmlost werden darf. Bei der Aufnahme großer Mengen des Giftstoffes muss unbedingt medizinische Hilfe in Anspruch genommen werden. 30 Gramm Blei gelten als akut lebensgefährlich, für viele Menschen ist aber bereits eine deutlich geringere Menge letal.

Große Mengen Blei werden in der Regel nur bei Arbeitsunfällen aufgenommen. Betroffene können die Bleivergiftung an einer Reihe charakteristischer Symptome erkennen. Typisch sind zum Beispiel der Verlust des Geschmackssinns und starke Bauschmerzen, die in die oberen Körperregionen ausstrahlen können. Wer in einem Betrieb arbeitet, der Blei oder bleihaltige Stoffe verarbeitet, sollte bei diesen Symptomen unverzüglich einen Arzt aufsuchen. Treten zusätzliche Beschwerden wie Schwindel, Krampfanfälle und eine Beeinträchtigung der Koordinationsfähigkeit hinzu, muss ohne Zögern der Notarzt verständigt werden.

Auch chronische Bleivergiftungen sollten unbedingt ärztlicher behandelt werden. Sie sind für die Betroffenen aber schwerer zu identifizieren. Der Verdacht auf eine chronische Bleivergiftung sollte ärztlich abgeklärt werden, wenn eine Person sich ohne erkennbaren Grund ständig gestresst fühlt, über diffuse Kopf- und Bauchschmerzen klagt und Anzeichnen einer Blutarmut aufweist. Typische Symptome sind außerdem eine gelbliche Verfärbung der Haut und der sogenannte Bleisaum, eine blau-schwarze Verfärbung des Zahnfleisches. Wer solche Symptome beobachtet, sollte unverzüglich zum Arzt gehen.

Behandlung & Therapie

Die Behandlung einer Bleivergiftung hängt von der Art der Bleiaufnahme und von der Vergiftungsdauer ab. Bei Aufnahme des Bleis über den Mund wird versucht, das Schwermetall durch Erbrechen oder durch eine Magenspülung so weit wie möglich wieder aus dem Körper zu entfernen. Bei akuter Bleivergiftung besteht die zur Magenspülung verwendete Flüssigkeit aus einer dreiprozentigen Natriumsulfatlösung. Gleichzeitig wird Aktivkohle verabreicht, wodurch die Bleibestandteile - in schwerer lösliches Bleisulfat umgewandelt - an die Aktivkohle gebunden wird.

Ist das Blei bereits über den Magen hinaus in den Körper gelangt, werden dem Patienten Medikamente wie z. B. Penicillamin verabreicht, die das in seinem Körper befindliche Blei binden und damit unschädlich machen, so dass das Schwermetall über die Nieren wieder ausgeschieden werden kann. Zu diesem Zeitpunkt ermöglicht das Blut in idealer Weise eine Kontrolle darüber, ob die Therapie wie gewünscht anschlägt.

Krampflösende Präparate (Spasmolytika) werden gegen Bauchschmerzen eingesetzt. Sollte eine Nierenschädigung eingetreten sein, ist möglicherweise vorübergehend oder sogar dauerhaft eine Blutwäsche erforderlich. Der Erkrankte muss unbedingt jeden weiteren Kontakt mit dem Schwermetall Blei vermeiden. Dazu ist es aber erforderlich, die Quelle einer Bleivergiftung eindeutig zu identifizieren.

Aussicht & Prognose

Die Prognose bei einer Bleivergiftung ist abhängig von der Menge des Bleis im Körper und der Dauer der Exposition. Desto früher die Bleivergiftung erkannt und behandelt wird, desto besser ist die Prognose. Leichte Fälle einer akuten Bleivergiftung haben hierbei eine besonders gute Prognose.

Kleinere Kinder sind insgesamt von einer akuten Bleivergiftung härter betroffen als Erwachsene. So können bei Kindern etwa zusätzlich zu den Koliken auch Hirnschäden auftreten, was die Prognose bei ihnen ungünstiger werden lässt und ein noch schnelleres Handeln erfordert.

Eine chronische Bleivergiftung wird nach einiger Zeit zum Tod führen, wenn sie nicht behandelt wird. Vor allem Nerven- und Nierenschäden spielen hierbei eine Rolle, da sie den Betroffenen letztlich lebensunfähig werden lassen. Dennoch können auch schwere Fälle einer chronischen Bleiintoxikation durch Komplexbildner und eine Chelattherapie therapiert werden. Bereits eingetroffene Schädigungen der Organe auf einer strukturellen Ebene lassen sich damit aber nicht rückgängig machen, sodass Betroffene nach einer Therapie weiterhin mit Einschränkungen leben werden.

Eine chronische Bleiintoxikation kann zudem beim Betroffenen immer wieder auftreten und zu Symptomen führen, wenn es nicht gelingt, die Schadquelle ausfindig zu machen.


Vorbeugung

Eine Bleivergiftung lässt sich vor allem durch die Vermeidung der Freisetzung von Blei erreichen. Der Gebrauch vieler bleihaltiger Materialien wurde eingeschränkt oder untersagt. Bleihaltige Abfallstoffe (z. B. in alten Autobatterien) werden separat entsorgt. Noch vorhandene bleihaltige Wasserleitungen, die das Trinkwasser in erheblichem Umfang mit Blei kontaminieren können, sollten erneuert werden. Insbesondere Schwangere und Kleinkinder müssen bleihaltiges Trinkwasser meiden.

Nachsorge

Die Nachsorge ist bei einer Bleivergiftung insbesondere dann von großer Bedeutung, wenn es sich um einen schweren Vergiftungsfall handelt und es zu Folgeerkrankungen gekommen ist. So kann eine schwere Bleivergiftung das Hirn schädigen und die kognitiven Fähigkeiten beeinträchtigen. In diesem Fall ist es wichtig, dass Patienten ihre kognitiven Fähigkeiten regelmäßig trainieren, um Langzeitschäden so gering wie möglich zu halten.

Insbesondere eine durch eine Bleivergiftung herbeigeführte Verminderung der Gedächtnisleistung sowie starke Konzentrationsstörungen können durch gezielte Übungen gemildert werden. Bei Kinder kommt es oft zu psychischen Auffälligkeiten, insbesondere zu einer gesteigerten Aggressivität oder dem genauen Gegenteil, Antriebslosigkeit und Lethargie oder häufigen Weinkrämpfen. Diesem Verhalten kann durch gezielte pädagogische Maßnahmen entgegengewirkt werden.

Wichtig ist auch die physiotherapeutische Begleitung und Behandlung von Schäden an Muskeln und Gelenken. Auch hier kann durch regelmäßige, gezielte Übungen die Leistungsfähigkeit der betroffenen Muskeln und Gelenke deutlich verbessert werden. Schwangere Frauen sollten über mögliche Fruchtschäden beim Embryo und das erhöhte Risiko für eine Totgeburt aufgeklärt werden.

Bei Patienten, bei denen vor allem der Magen-Darm-Trakt geschädigt wurde, kann über längere Zeit hin Schonkost, eventuell auch eine generelle Ernährungsumstellung, erforderlich werden. Bleivergiftungen können auch zu Schäden am Zahnfleisch führen, die oftmals erst zeitverzögert auftreten, weshalb auch eine angemessene zahnmedizinische Versorgung sichergestellt werden sollte. Wegen des gesteigerten Krebsrisikos sollte den Patienten auch die Bedeutung von Vorsorgeuntersuchungen vor Augen geführt werden.

Das können Sie selbst tun

Bei dem Verdacht auf eine Bleivergiftung führt der erste Weg zum Arzt. Ist die Vergiftung diagnostiziert, kann die Genesung durch einige Hausmittel und Selbstmaßnahmen unterstützt werden.

Zunächst sollte viel und regelmäßig getrunken werden, um das Blei auszuspülen. Sportliche Aktivitäten sowie regelmäßige Saunagänge fördern die Schweißbildung und damit ebenfalls die Ausschwemmung des schädlichen Stoffes. Einen ähnlichen Effekt erzielen diverse Naturheilmittel wie Schüsslersalze oder die Chlorella-Alge. Damit die Entgiftung ohne Komplikationen gelingt, sollten begleitend dazu die inneren Organe wie Leber, Nieren, Darm und Lungen gestärkt werden. Auch hier empfiehlt sich körperliche Bewegung, in Ergänzung zu einer gesunden und ausgewogenen Ernährung.

Sollte die Bleivergiftung bereits psychische Schäden verursacht haben, müssen diese durch verschiedene Therapiemaßnahmen behandelt werden. Als ergänzende Eigenmaßnahmen empfehlen sich hier vor allem Entspannungsübungen, Gespräche mit Freunden und Familienmitglieder und mitunter auch ein Wechsel des Umfelds. Zuvor muss allerdings die Ursache für die Bleivergiftung festgestellt und eliminiert werden. Möglich ist dies etwa durch einen Umzug (z.B. bei Blei in der Wandfarbe) oder einen Wechsel des Arbeitsplatzes. Entsprechende Schritte sollten immer zuerst mit dem zuständigen Arzt besprochen werden.

Quellen

  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • I care Krankheitslehre. Thieme, Stuttgart 2015
  • Ziegenfuß, T.: Notfallmedizin. Springer, Heidelberg 2011

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