Erythromelalgie
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 28. Februar 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Die Erythromelalgie ist eine selten auftretende Durchblutungsstörung, die mit anfallartig wiederkehrenden schmerzhaften Schwellungen in Beinen, Füßen, Armen und/oder Händen einhergeht. Männer und Frauen können gleichermaßen von einer Erythromelalgie betroffen sein.
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Was ist die Erythromelalgie?
Als Erythromelalgie wird eine seltene neuro-vaskuläre Erkrankung und funktionelle Durchblutungsstörung bezeichnet, die mit anfallartig auftretenden schmerzhaften Hyperämien (erhöhte Durchblutung) und geröteten Schwellungen des Hautgewebes in den akralen Bereichen (v.a. Beine, Füße, Hände) insbesondere nach Wärmeexposition und/oder Belastung (u.a. langes Stehen, Sitzen) einhergeht.
Eine Erythromelalgie im engeren Sinne kann in aller Regel auf eine hämatologisch bedingte Grunderkrankung (u.a. Thrombozytose, Thrombozythämie) zurückgeführt werden. Darüber hinaus können zum Formenkreis der Erythromelalgie auch die primären und sekundären Formen der Erythermalgie, die jeweils mit einer anderen Ätiologie korrelieren, gezählt werden.
Ursachen
Die Ätiologie der Erythromelalgie ist abhängig von der spezifisch vorliegenden Form der Erkrankung und bislang nicht vollständig geklärt. So manifestiert sich die klassische Erythromelalgie im engeren Sinne in vielen Fällen als Symptom einer hämatologischen Grunderkrankung wie Thrombozyten-vermittelte Gefäßokklusionen infolge eines myeloproliferativen Syndroms (u.a. chronische myeloische Leukämie, Thrombozythämie).
Darüber hinaus kann zwischen primären und sekundären Formen der Erythermalgie differenziert werden, wobei hinsichtlich der primären Erythermalgie zwischen einer nicht-familiären und einer familiären Form unterschieden wird. Die familiäre Erythermalgie wird auf eine autosomal-dominant vererbte Mutation auf dem sogenannten SCN9A-Gen zurückgeführt, das eine Untereinheit eines Natriumkanals von bestimmten Nervenzellen codiert, die für die Schmerzweiterleitung verantwortlich gezeichnet werden.
Infolge der Mutation wird über eine Funktionserhöhung des betroffenen Natriumkanals die Schmerzschwelle so reduziert, dass bei Wärmeexposition, langem Stehen oder Sitzen die für die Erythromelalgie charakteristische Schmerzsymptomatik auftritt.
Dagegen wird die sekundäre Erythermalgie im Kontext bestimmter Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises (u.a. rheumatoide Arthritis), systemischer Stoffwechsel- und Autoimmunerkrankungen (u.a. Diabetes mellitus, Sjögren-Syndrom, Lupus erythematodes), neurologische Erkrankungen (u.a. Neuropathien, multiple Sklerose) oder der Einnahme bestimmter Medikamente (u.a. Nifedipin, Norephedrin, Bromocriptin, Nicardipin) erworben.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Eine Erythromelalgie ist mit sehr unangenehmen Beschwerden und Symptomen verbunden. In erster Linie leiden die Betroffenen bei dieser Erkrankung an starken Schmerzen. Schmerzen werden dabei vor allem als stechend oder brennend empfunden und wirken sich sehr negativ auf die Lebensqualität des Betroffenen aus. Auch der Alltag des Patienten wird aufgrund der dauerhaften Schmerzen häufig eingeschränkt.
Die Schmerzen breiten sich in vielen Fällen auch in die benachbarten Regionen des Körpers aus und können auch dort zu Beschwerden führen. Vor allem in der Nacht kann die Erythromelalgie damit zu Schlafbeschwerden und zu einer allgemeinen Gereiztheit des Betroffenen führen. Es kommt weiterhin zur Ausbildung von Ödemen und zu Schwellungen.
Diese treten vor allem an den Füßen und den Händen auf und können sich dabei auch negativ auf die Ästhetik des Betroffenen auswirken. Viele Patienten fühlen sich durch die Beschwerden nicht schön und leiden daher an Minderwertigkeitskomplexen oder an einem deutlich verringerten Selbstwertgefühl.
Weiterhin sind häufig auch die Extremitäten des Betroffenen sehr warm, sodass es zum Burning-Feet-Syndrom kommen kann. Nicht selten führt die Erythromelalgie damit auch zu starken psychischen Verstimmungen oder sogar zu Depressionen. Die Lebenserwartung des Patienten wird durch die Krankheit in der Regel nicht negativ beeinflusst.
Diagnose & Verlauf
Eine Erythromelalgie wird anhand der für die Erkrankung typischen Symptome, insbesondere der anfallartig auftretenden, schmerzhaft geröteten, hyperämischen und geschwollenen Haut in den betroffenen Akren, diagnostiziert.
Charakteristischerweise können die Symptome schlagartig durch eine Kälteexposition reduziert werden, während eine Erwärmung der betroffenen Bereiche zu einem erneuten Auftreten des Symptombildes führt. Differentialdiagnostisch sollten andere organische und/oder funktionelle Durchblutungsstörungen sowie ein Burning-Feet-Syndrom und Raynaud-Syndrom ausgeschlossen werden.
Darüber hinaus sollten die zugrundeliegende Grunderkrankung sowie die spezifisch vorliegende Form der Erythromelalgie für eine adäquate Therapieplanung bestimmt werden. So befindet sich die Thrombozytenzahl beispielsweise bei den primären und sekundären Formen der Erythermalgie im Gegensatz zur Erythromelalgie im engeren Sinne in aller Regel im Normalbereich.
Der Verlauf der Erythromelalgie ist abhängig vom Schweregrad der spezifisch vorliegenden Symptomatik. Häufig ist ein chronischer, individuell stark variabler Verlauf mit Progression, partiell auch Remissionen beobachtbar.
Komplikationen
Die Erythromelalgie führt bei Männern und bei Frauen zu den selben Komplikationen. In der Regel kommt es durch die Erythromelalgie zu starken Schmerzen und Schwellungen an den Füßen, Armen und den Beinen. Diese Schwellungen können die Bewegung des Patienten stark einschränken und damit die Lebensqualität verringern.
Ebenso kommt es bei der Erythromelalgie zu warmen Extremitäten. Die Schmerzen treten stechend auf und führen dazu, dass der Betroffene nicht mehr in der Lage ist, körperliche Tätigkeiten oder Sportarten auszuführen. Auch kann die Gangfähigkeit durch die Erythromelalgie eingeschränkt werden. Die Behandlung zielt in der Regel auf die Reduktion des Schmerzes ab, sodass es hierbei zu keinen Komplikationen kommt.
Nicht selten wird zur Schmerzreduzierung eine Kältetherapie verwendet, sodass der Patient die betroffenen Stellen mit kaltem Wasser oder Eis kühlt. Durch die ständige Kühlung kann die Haut rissig werden und schmerzen. Dadurch ist die Gefahr für Infektionen und Entzündungen an der Haut erhöht, weswegen diese Therapie von einem Arzt kontrolliert werden sollte.
In der Regel kann die Erythromelalgie nicht komplett verhindert werden, sodass der Patient mit dem Symptom sein restliches Leben führen muss. Durch die starken Schmerzen kann es ebenso zu psychischen Beschwerden oder Depressionen kommen.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Da es bei der Erythromelalgie nicht zu einer Selbstheilung und in der Regel zu einer Verschlechterung der Symptome kommt, muss immer ein Arzt aufgesucht werden. Dadurch können die Schmerzen und auch weitere Komplikationen vermieden werden. Ein Arzt ist bei dieser Erkrankung dann aufzusuchen, wenn die Betroffenen an stechenden oder brennenden Schmerzen leiden. In der Regel können diese Schmerzen in unterschiedlichen Körperregionen auftreten und dadurch die Lebensqualität des Betroffenen erheblich verringern.
Auch Ödeme können auftreten und werden häufig von Schwellungen an den Füßen und den Händen begleitet. Sollten diese Schwellungen ohne einen besonderen Grund erscheinen, ist in der Regel ein Besuch beim Arzt ratsam. Weiterhin deuten warme Extremitäten häufig auf die Erythromelalgie hin. In vielen Fällen leiden die Betroffenen bei der Erythromelalgie auch an einem Brennen an den Füßen, welches den Alltag deutlich erschweren kann. Die Diagnose der Erythromelalgie kann durch einen Allgemeinarzt erfolgen. Auch bei der weiteren Behandlung kann der Arzt den Betroffenen mit Hilfe von Medikamenten unterstützen. In der Regel kommt es zu einem positiven Krankheitsverlauf.
Behandlung & Therapie
Bei einer Erythromelalgie korrelieren die therapeutischen Maßnahmen mit der möglichen Grunderkrankung und werden den spezifisch vorliegenden Beschwerden angepasst. Die Schmerzsymptomatik einer Erythromelalgie im engeren Sinne lässt sich in aller Regel therapeutisch durch die Applikation von Acetylsalicylsäure oder Indometacin reduzieren, wobei eine ausgeprägte Beeinträchtigung der Thrombozytenfunktion bzw. eine hohe Thrombozytenzahl mit einer entsprechend hohen Dosierung einhergehen sollte.
Eine alternative therapeutische Maßnahme stellt hoch dosiertes Magnesium dar, während experimentell zudem Prostaglandin-E1 (auch Alprostadil) mit anschließender Applikation von Nitroprussidnatrium (u.a. Nipruss) zum Einsatz kommen kann. Dagegen sprechen die primären und sekundären Formen der Erythermalgie nicht auf Acetylsalicylsäure an (Ausschlusskriterium). Bei der primären Erythermalgie gestaltet sich eine kausale Therapie der neuropathischen Schmerzattacken aufgrund der zugrundeliegenden Mutation als schwierig, weshalb die therapeutischen Maßnahmen ausschließlich symptomatisch angelegt sind.
In vielen Fällen werden zur Schmerzreduzierung langfristig wirkende Lokalanästhetika (u.a. Lidocain, Bupivacain), Antikonvulsiva (u.a. Phenytoin) oder systemische Antiarrhythmika (u.a. Mexiletin), die zu einer Blockade der spannungsgesteuerten Natriumkanäle führen, eingesetzt. Analog zur Erythromelalgie im engeren Sinne steht bei einer sekundären Erythermalgie die Therapie der auslösenden Grunderkrankung im Vordergrund.
Ferner kann unabhängig davon, welche Form der Erythromelalgie spezifisch vorliegt, bei ausgeprägten Schmerzattacken das Bedürfnis, den Schmerz durch kaltes Eiswasser zu lindern, langfristig zu mazerierter Haut und Hautfissuren führen, die wiederum Infektionen bis hin zur Manifestation einer Sepsis begünstigen.
Aussicht & Prognose
Die Erythromelalgie ist mit einer relativ schlechten Prognose verbunden. Die Erkrankung kann bislang nicht ursächlich behandelt werden. Die einzelnen Symptome können durch vielgestaltige Therapiemaßnahmen wie die Gabe von Calcium-Antagonisten und Antidepressiva reduziert, jedoch nicht vollständig behoben werden. Grundsätzlich kann die Erkrankung besser behandelt werden, je früher sie diagnostiziert wird.
Personen, bei denen das Leiden bereits im ersten Stadium erkannt wurde, sind nach einer umfassenden Therapie oftmals schmerzfrei. Durch eine engmaschige Nachsorge kann das Risiko für ernste Komplikationen im Bereich der Gefäße reduziert werden. Dadurch verbessert sich auch die mit der Erkrankung verbundene Prognose.
Die Erythromelalgie kann ganz unterschiedlich verlaufen. Eine abschließende Prognose kann nur von dem zuständigen Arzt gestellt werden, der hierzu den Krankheitsverlauf, den Gesundheitszustand des Patienten und andere Faktoren berücksichtigt. Personen, die an einer Erythromelalgie leiden, sollten deshalb zunächst mit dem Mediziner sprechen.
Sollten weitere Komplikationen auftreten, verschlechtert sich die Prognose. Die Lebenserwartung wird durch das Gefäßleiden nicht reduziert. Allerdings können sich Folgeerkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems, der Gefäße und der Psyche negativ auf die Gesundheit auswirken. In Einzelfällen treten schwere Komplikationen wie Herzinfarkte oder Thrombosen auf, welche lebensbedrohlich sind.
Vorbeugung
Einer Erythromelalgie kann lediglich bedingt vorgebeugt werden. Insbesondere für die genetisch bedingte primäre Erythermalgie existieren bislang keine bekannten Maßnahmen zur Prophylaxe. Zudem sollten Erkrankungen, in deren Kontext eine Erythromelalgie auftreten kann, rechtzeitig und adäquat therapiert werden, um das Risiko einer Manifestation zu reduzieren.
Nachsorge
Bei einer Erythromelalgie stehen dem Betroffenen in den meisten Fällen keine besonderen Maßnahmen oder Möglichkeiten einer Nachsorge zur Verfügung. Dabei ist der Betroffene daher in erster Linie auf eine frühzeitige Diagnose mit einer frühzeitigen Behandlung angewiesen, damit es nicht zu weiteren Komplikationen oder zu anderen Beschwerden kommt. Je früher die Erythromelalgie dabei erkannt wird, desto besser ist oft auch der weitere Verlauf dieser Erkrankung.
Die Behandlung selbst richtet sich nach den genauen Beschwerden und wird in der Regel mit Hilfe von Medikamenten durchgeführt. Dabei ist auf eine richtige Einnahme zu achten. Bei Unklarheiten oder anderen Zweifelsfällen sollte dabei auch immer ein Arzt oder ein Apotheker um Rat gefragt werden. Weiterhin kann die Erythromelalgie in vielen Fällen durch die Einnahme von Magnesium behandelt werden.
Dieses kann auch durch die Nahrung eingenommen werden, sodass sich eine gesunde und ausgewogene Ernährung ebenfalls positiv auf den weiteren Verlauf der Erythromelalgie auswirken kann. In vielen Fällen sind die Betroffenen auch nach einer erfolgreichen Behandlung auf weitere regelmäßige Untersuchungen angewiesen. Ob die Krankheit die Lebenserwartung des Betroffenen verringert, kann nicht allgemein vorausgesagt werden.
Das können Sie selbst tun
Im Alltag kann der Patient einige Maßnahmen zur Linderung seiner Beschwerden ergreifen. Die geschwollenen Beine und Füße sollten entlastet und gekühlt werden. Um Risse der Haut zu vermeiden, ist es hilfreich, wenn der Patient Cremes und Salben für die Pflege der Haut verwendet. Überanstrengungen und Fehlhaltungen des Körpers sind trotz der Beschwerden zu vermeiden. Zur Vorbeugung einer Unfallgefahr sind bei Gangunsicherheiten Gefahrenquellen zu minimieren und die Erledigung von alltäglichen Tätigkeiten sollte umstrukturiert werden.
Viele Patienten nehmen für eine Linderung des Schmerzerlebens das Angebot von Entspannungsverfahren in Anspruch. Über eine mentale Arbeit kann bei Methoden wie Meditation oder Selbsthypnose eine Linderung der Symptome erlebt werden. Tiefenentspannungen helfen vielen Schmerzpatienten, um eine Verbesserung ihrer Lebensqualität zu erreichen. Über verschiedene Atemtechniken oder das gezielte An- oder Entspannen der Muskeln kann eine Linderung der Schmerzsymptomatik erreicht werden. Die progressive Muskelrelaxation ist dafür zu empfehlen.
Darüber hinaus helfen kognitive Verfahren, um den Anforderungen des Alltags sowie den Beschwerden der Erythromelalgie zu begegnen. Der Patient kann in einer Verhaltenstherapie verschiedene Techniken zur Schmerzbewältigung erlernen, die er anschließend eigenverantwortlich in seinen Tagesablauf integrieren kann. Der Betroffene kann sich selbst enorm helfen, wenn er es versteht, dem Schmerz nicht ausgeliefert zu sein.
Quellen
- Braun, J., Dormann, A .J.: Klinikleitfaden Innere Medizin. Urban & Fischer, München 2013
- Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
- Renz-Polster, H., Krautzig, S. (Hrsg.): Basislehrbuch Innere Medizin. Urban & Fischer, München 2012