Fibulare Hemimelie

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 24. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Bei der Fibularen Hemimelie handelt es sich um das angeborene Fehlen oder die Unterentwicklung des Wadenbeins (medizinische Bezeichnung Fibula). Die Erkrankung wird auch als fibulärer Längsdefekt bezeichnet. Sie kann entweder isoliert oder in Kombination mit Missbildungen am Oberschenkelknochen, Fehlbildungen der Füße oder mit einer Verkürzung des kompletten Unterschenkelknochens vorkommen.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine Fibulare Hemimelie?

Als funktionelles Symptom der Erkrankung steht die Verkürzung des betroffenen Beins im Vordergrund, die im Verlauf der Wachstumsphase zunimmt.
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Die Fibulare Hemimelie ist eine Erkrankung, die sehr selten vorkommt. Sie tritt lediglich bei drei von 100.000 Neugeborenen auf. Dabei sind Männer zweimal so oft von der Fibularen Hemimelie betroffen wie Frauen. Bei zwei Dritteln aller erkrankten Personen ist lediglich ein Bein von der Fehlbildung betroffen.

Die Fibulare Hemimelie tritt häufiger am rechten als am linken Bein auf. Noch deutlich seltener kommt das angeborene, vollständige Fehlen eines Schienbeines vor, das als Tibiale Hemimelie bezeichnet wird. Die Fibulare Hemimelie ist durch einen kongenitalen und longitudinalen Defekt gekennzeichnet und weist ein breites Deformitätenspektrum auf.

Ursachen

Potenzielle Ursachen der Fibularen Hemimelie sind zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht in ausreichendem Maß erforscht, um gesicherte Angaben darüber machen zu können. Die Suche nach Ursachen für die Krankheit ist jedoch bereits seit längerer Zeit Gegenstand der medizinischen Forschung. Die Fibulare Hemimelie weist eine familiäre Häufung auf, woraus sich die Schlussfolgerung ergibt, dass es sich um eine angeborene Erkrankung mit erblichen Ursachen handelt.

Die Fehlbildung könnte ihren Ursprung in der Störung einer kritischen Periode in der Entwicklung der Gliedmaßen beim Embryo haben. Diese liegt im Zeitraum zwischen der vierten und siebten Schwangerschaftswoche. Darüber hinaus werden Virusinfektionen, Vaskuläre Dysgenesie, Trauma und diverse Umwelteinflüsse als potenzielle Ursachen diskutiert. Bei einem familiär gehäuften Vorkommen der Fibularen Hemimelie wurde auf eine autosomal-dominante Vererbung geschlussfolgert.


Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Die Symptome und Beschwerden im Zusammenhang mit einer Fibularen Hemimelie können vielseitig sein. Als funktionelles Symptom der Erkrankung steht die Verkürzung des betroffenen Beins im Vordergrund, die im Verlauf der Wachstumsphase zunimmt. In den meisten Fällen ist der Fuß ebenfalls von der Erkrankung betroffen, wobei häufig eine sogenannte Knick- und Spitzfuß-Stellung besteht.

Es sind lediglich mediale Strahlen des betroffenen Fußes angelegt. Zudem fehlen mitunter Teile des Rückfußes. In zahlreichen Fällen ist der komplette Unterschenkel unterentwickelt beziehungsweise hypoplastisch. Zudem liegt in Verbindung mit der Fibularen Hemimelie oftmals eine Femurhypoplasie vor. Auch eine sogenannte Kugelgelenkdeformität im Sprunggelenk mit gestörter Gelenkmechanik ist oftmals mit der Fibularen Hemimelie assoziiert.

Weitere Fehlbildungen, die häufig in Kombination mit der Fibularen Hemimelie auftreten, können beispielsweise ein Proximaler Femurdefekt, Fehlbildungen der Zehen oder eine Kraniosynostose sein. Auch kann die Fibulare Hemimelie in Zusammenhang mit Dysplasien des Skeletts auftreten.

Der von der Erkrankung betroffene Knochen besitzt lediglich ein geringes Wachstumspotential, sodass die Deformität mit steigendem Alter zunimmt. In seltenen Fällen ist die Fibuläre Hemimelie mit weiteren Fehlbildungen verbunden, die sich außerhalb des Skelettsystems befinden, etwa Herzfehler, Thrombozytopenie, Nierendysplasie oder Fehlbildungen der Augen. Intellektuelle Defizite treten im Rahmen der Fibularen Hemimelie jedoch selten auf.

Diagnose

Im Rahmen der Diagnose der Fibularen Hemimelie stehen diverse untersuchungstechnische Methoden zur Auswahl. Schon im Mutterleib kann mittels einer Ultraschalluntersuchung eine bestehende Fehlbildung des Embryos erkannt werden. Nach der Geburt sind die Verkrümmung und Verkürzung der betroffenen Knochen offensichtlich. Die Durchführung von Röntgenuntersuchungen gibt Auskunft über die Ausprägung der Fehlbildung und zusätzliche Veränderungen der Knochen.

In jedem Fall muss die Diagnose sowohl klinisch als auch röntgenologisch gestellt werden. Auch Differentialdiagnosen sind durchzuführen, um die Fibulare Hemimelie von diversen anderen Erkrankungen mit teilweise ähnlichen Symptomen abzugrenzen zu können. Dies ist besonders vor dem Hintergrund relevant, als dass jede Erkrankung trotz ähnlicher Beschwerden eine individuelle Therapie benötigt. Dabei ist insbesondere das Vorliegen einer Thalidomid-Embryopathie, des Amnionbänder-Syndroms sowie verschiedener Skelettdysplasien mit einer asymmetrischen Beteiligung von unteren Gliedmaßen zu prüfen.

Komplikationen

Durch diese Krankheit kommt es zu starken Fehlbildungen und Missbildungen im Bereich der Füße und der Oberschenkel. In den meisten Fällen kommt es durch diese Missbildungen auch zu Einschränkungen der Bewegung und zu einer verringerten Ästhetik. Dabei treten bei vielen Patienten auch Minderwertigkeitskomplexe und ein verringertes Selbstwertgefühl auf.

Diese Symptome können mitunter zu Depressionen führen. Neben den Fehlbildungen am Skelett und den Füßen können ebenfalls Beschwerden am Herzen und an den Nieren auftreten. Diese Beschwerden können im schlimmsten Falle tödlich enden, wenn es zu einer Niereninsuffizienz oder zu einer Herzinsuffizienz kommt. In einigen Fällen können auch Entwicklungsstörungen auftreten, die zu einer verringerten Intelligenz führen.

Die Behandlung selbst führt zu keinen weiteren Komplikationen und kann die Beschwerden der Krankheit relativ gut mindern. Dabei werden vor allem operative Eingriffe eingesetzt, um die Beine auf die selbe Länge zu bringen. Gegebenenfalls ist eine Amputation notwendig. Bei weiteren Beschwerden der Koordination oder der Bewegung werden therapeutische Maßnahmen eingesetzt. Bleiben die Organe von Beschädigungen ausgespart, bleibt die Lebenserwartung unverändert.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Werden bei der Geburt eines Kindes Anomalien und Fehlbildungen des Skelettsystems bemerkt, sollte unverzüglich eine ärztliche Untersuchung eingeleitet werden. Stationäre Geburten werden durch ein Geburtshelferteam begleitet, die selbständig den Gesundheitszustand des Säuglings überprüfen. Findet die Geburt ohne einen Geburtshelfer statt, ist direkt im Anschluss ein Arzt aufzusuchen. Unstimmigkeiten des Knochenbaus an der Wade oder den Beinen gelten als besorgniserregend.

Ein Arzt ist zu konsultieren, sobald ertastbare Unregelmäßigkeiten an Füßen, Ober- oder Unterschenkel wahrgenommen werden können. Ist die Zehenbildung optisch auffällig, sollte eine Kontrolluntersuchung eingeleitet werden. Kommt es während des Wachstums- und Entwicklungsprozesses des Kindes zu deutlich erkennbaren Missbildungen, ist ein Arzt aufzusuchen. Ist das Wachstum des Kindes insbesondere im Bereich der Beine oder Füße im Vergleich zu Gleichaltrigen deutlich verzögert, sollte eine Kontrolluntersuchung vorgenommen werden. Treten Gelenkprobleme und Unregelmäßigkeiten auf, sollten die Beobachtungen mit einem Arzt besprochen werden.

Erlebt das Kind im Lauf des Lebens aufgrund der optischen Anomalien emotionale oder seelische Probleme, sollte ein Arzt oder Therapeut aufgesucht werden. Bei einem aggressiven Verhalten, vermindertem Selbstwertgefühl oder einer starken Rückzugstendenz, ist es ratsam, wenn dem Kind eine therapeutische Hilfe zur Seite gestellt wird. Treten ernste psychische Probleme, in Form einer Angststörung oder Depression auf, benötigt das Kind professionelle Hilfe.

Behandlung & Therapie

Zur Therapie der Fibularen Hemimelie kommen diverse Maßnahmen in Betracht, die sich am individuellen Einzelfall orientieren. In jedem Fall sollte die Behandlung so früh wie möglich aufgenommen werden und nach Möglichkeit in einem kinderorthopädischem Zentrum stattfinden. Dabei reicht das Spektrum möglicher Behandlungsmethoden von Orthesen und Prothesen bis hin zu sogenannten Umstellungsosteotomien.

In schwereren Fällen müssen auch eine operative Beinverlängerung oder gar eine Amputation des betroffenen Beins abgewogen werden. Je schwächer die Fibulare Hemimelie ausgeprägt ist, umso mehr kann mit einem Erhalt des Beins bei guter Funktionsfähigkeit gerechnet werden. Generell erfolgt die Therapie in Verbindung mit einem multidisziplinären Vorgehen, wobei genetische Berater und kinderorthopädische Chirurgen zusammenwirken.

Die orthopädische Behandlung verfolgt das Ziel, die Beinlängendiskrepanz auszugleichen und in beidseitigen Fällen den asymmetrischen Kleinwuchs zu korrigieren. Bei einer lediglich schwach ausgeprägten Fibularen Hemimelie mit einer leichten Beinlängendiskrepanz kommt auch eine Therapie mittels orthopädischer Schuhe und entsprechender Einlagen zum Einsatz, um die Längendifferenz auszugleichen.

Aussicht & Prognose

Die Aussicht auf eine Genesung ist bei einer fibularen Hemimelie sehr gut. Wird das Leiden direkt nach der Geburt operativ oder medikamentös behandelt, kann es relativ schnell gelindert werden. Das Kind benötigt allerdings Unterstützung in Form einer Physiotherapie.

In manchen Fällen, etwa wenn die fibulare Hemimelie die Bewegungsfähigkeit erheblich einschränkt, muss außerdem eine ambulante Pflegekraft hinzugezogen werden, welche dem Kind bei alltäglichen Aufgaben hilft. Grundsätzlich ist die Prognose also gut, insofern der Patient die notwendige Behandlung und später eine umfassende Unterstützung erhält.

Schlechter ist die Prognose, wenn das Leiden nicht rechtzeitig erkannt wird oder die Therapie nicht die gewünschte Wirkung zeigt. Dann können dauerhafte Einschränkungen der Bewegungsfähigkeit zurückbleiben. Zudem kann es zu Missempfindungen, Nervenschäden und anderen Komplikationen kommen, welche die Lebensqualität erheblich einschränken.

Die Lebenserwartung ist durch die fibulare Hemimelie nicht eingeschränkt. Als Folge der Erkrankung steigt das Risiko für Durchblutungsstörungen, Thrombosen und andere Komplikationen, die unter Umständen lebensbedrohlich sein können. Der Arzt kann nach einer ersten Untersuchung und dem Beginn der Therapie eine Prognose stellen und weitere Maßnahmen vorschlagen.


Vorbeugung

Da es sich bei der Fibularen Hemimelie aller Wahrscheinlichkeit nach um eine erblich bedingte Erkrankung handelt, bestehen keine bekannten wirksamen Methoden zur Prävention der Fehlbildung. Umso bedeutsamer ist es, bei Anzeichen der Erkrankung fachärztliche Untersuchungen durchzuführen, um den weiteren Verlauf der Fibularen Hemimelie positiv zu beeinflussen.

Nachsorge

Da es sich bei dieser Krankheit um eine angeborene Erkrankung handelt, kann dabei auch keine kausale, sondern nur eine rein symptomatische Therapie durchgeführt werden. Eine vollständige Heilung ist dabei auch nicht möglich. Falls es beim Patienten zu einem Kinderwunsch kommen sollte, kann auch eine genetische Beratung und Untersuchung durchgeführt werden, sodass die Krankheit nicht an die Nachfahren vererbt wird.

Je früher die Krankheit erkannt wird, desto besser ist meistens auch der weitere Verlauf. Die Behandlung selbst erfolgt in erster Linie durch das Tragen von Prothesen. Diese sollten dabei immer eingesetzt werden, wenn sie die Beschwerden vollständig lindern können. In schwerwiegenden Fällen sind jedoch operative Eingriffe oder sogar eine Amputation notwendig, um diese Krankheit vollständig einzuschränken.

Nach einem solchen Eingriff muss sich der Betroffene in der Regel immer ausruhen und seinen Körper auf jeden Fall schonen. Dabei ist von anstrengenden Tätigkeiten oder von stressigen Betätigungen abzusehen, um die Heilung nicht zu verlangsamen. Weiterhin ist in vielen Fällen auch eine psychologische Unterstützung des Betroffenen sinnvoll.

Diese kann auch durch Angehörige oder Freunde durchgeführt werden, wobei auch der Kontakt zu anderen Patienten dieser Krankheit sinnvoll sein kann. Die Lebenserwartung des Betroffenen bleibt von dieser Krankheit unberührt.

Das können Sie selbst tun

Wurde bei einem Neugeborenen eine fibulare Hemimelie festgestellt, sollte die Behandlung so früh wie möglich aufgenommen werden. In Rücksprache mit dem zuständigen Arzt in der Geburtsklinik muss zeitnah Kontakt mit einer spezialisierten Fachklinik aufgenommen werden, um dem Kind die bestmögliche Therapie zu ermöglichen. Auch Orthopäden und Fachärzte für die spezifischen Symptome sollten zeitnah eingeschaltet werden, denn nur so ist eine reibungslose Therapie möglich.

Eltern, die infolge der Erkrankung des Kindes psychische Probleme haben, wird empfohlen einen Therapeuten zu konsultieren. Unter Umständen ist auch die Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe sinnvoll. Das betroffene Kind benötigt im späteren Leben unter Umständen ebenfalls psychologische Betreuung.

Je nach Ausprägung der fibularen Hemimelie benötigt das Kind Krücken oder eine Prothese. Nach einer Amputation ist Schonung angezeigt. Das Kind wird die ersten Wochen in der Klinik verbringen müssen und bedarf zu Hause einer umfassenden Unterstützung durch die Eltern.

In manchen Fällen muss ein ambulanter Pflegedienst hinzugezogen werden. Da der Umgang mit einem betroffenen Kind eine erhebliche Belastung darstellt, sollten alle verfügbaren Hilfs- und Fördermöglichkeiten in Anspruch genommen werden. Unabhängig von der Schwere der Fehlbildung ist eine engmaschige ärztliche Kontrolle des Patienten notwendig.

Quellen

  • Murken, J., Grimm, T., Holinski-Feder, E., Zerres, K. (Hrsg.): Taschenlehrbuch Humangenetik. Thieme, Stuttgart 2011
  • Rath, W., Gembruch, U., Schmidt, S. (Hrsg.): Geburtshilfe und Perinatologie: Pränataldiagnostik - Erkrankungen - Entbindung. Thieme, Stuttgart 2010
  • Witkowski R., Prokop O., Ullrich E.: Lexikon der Syndrome und Fehlbildungen. Springer, Berlin 2003

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