Gefäßweitstellung
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 5. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Über die Gefäßweitstellung und die Gefäßengstellung steuert das vegetative Nervensystem, also Sympathikus und Parasympathikus, viele Körperfunktionen wie Blutdruck, Herzleistung und Thermoregulation. Grundsätzlich bewirkt eine Gefäßweitstellung, die durch eine Entspannung der glatten Muskulatur in den Wänden der Blutgefäße erreicht wird, eine Zunahme des Blutvolumens in den Gefäßen und eine Verminderung des Blutdrucks.
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Was ist die Gefäßweitstellung?
Als Gefäßweitstellung, auch Vasodilatation genannt, wird eine Volumenvergrößerung der Blutgefäße verstanden, die durch Entspannung des glatten Muskelgewebes in den Wänden der Adern erreicht wird.
Das System von Spannung und Entspannung wird vegetativ durch Sympathikus und Parasympathikus gesteuert. In der Regel führen die vom Sympathikus produzierten Stresshormone zu einer Gefäßengstellung und zu einer Erhöhung des Blutdrucks. Der Parasympathikus als Antagonist des Sympathikus reduziert die Stresshormone zum Teil und synthetisiert Hormone und Neurotransmitter, die prinzipiell zu einer Gefäßweitstellung führen.
Die Gefäßweitstellung geschieht nicht an allen Adersystemen des Körpers gleichzeitig, sondern bei psychischem Stress sorgt der Sympathikus dafür, dass die Skelettmuskulatur versorgenden Gefäße weitgestellt und die peripheren Gefäße und die der Nieren enggestellt werden.
Auch in der Thermoregulation zur Vermeidung einer überhöhten Körpertemperatur spielt die Gefäßweitstellung eine große Rolle. Der wichtigste physiologische Mechanismus ist dabei ein verringerter Calciumeinstrom in die glatten Muskelzellen der Gefäßwände. Die Muskelzellen entspannen dadurch, so dass daraus eine Volumenvergrößerung, eine Gefäßweitstellung resultiert.
In besonderen Fällen, z. B. bei starkem Blutverlust, setzt der Körper die Gefäßweitstellung bei gleichzeitiger Gefäßengstellung der peripheren Gefäße als Notfallprogramm ein, um mit dem noch verbliebenen Blut die wichtigsten Organe versorgen zu können.
Funktion & Aufgabe
Bei Stresssituationen ist die Gefäßweitstellung Teil der Reaktionen, die den Körper optimal auf Flucht oder Angriff vorbereiten. Physiologisch ähnlich reagiert der Körper mit der Ausschüttung von Stresshormonen auf traumatische Zustände wie starke Verletzungen und hohen Blutverlust. Das verbleibende Blut wird durch die Gefäßweitstellung im Körper konzentriert, und die Engstellung der peripheren Gefäße vermindert den weiteren Blutverlust im Falle einer äußeren Verletzung.
Die Gefäßweitstellung spielt auch eine große Rolle in der Thermoregulation. Wenn die Thermorezeptoren des Körpers melden, dass die Körpertemperatur über den Sollwert von etwa 37 Grad Celsius gestiegen ist, sorgt der Parasympathikus für eine Gefäßweitstellung der peripheren Blutgefäße. Hierdurch zirkuliert mehr Blut in den peripheren Gefäßen, so dass der Kühleffekt durch die vorbeistreichende Außenluft verstärkt wird. Die Gefäßweitstellung ist dann vor allem im Gesicht durch eine auftretende Röte nach außen sichtbar.
Der gesteigerte Kühleffekt funktioniert auch in Kombination mit Schweißabsonderung zur Nutzung der Verdunstungskälte bei hohen Außentemperaturen und/oder bei starker körperlicher Betätigung, die überschüssige Wärme in den Muskeln freisetzt.
Bis zu einem gewissen Grad kann die Gefäßweitstellung auch der Kommunikation in der Körpersprache dienen. Bei psychischer Erregung, vor allem bei Wut und Aggressionszuständen, werden vorwiegend Gesicht, Hals und Dekolleté rot. Die rote Hautfarbe, die auf kurzfristige Erhöhung des Blutdrucks und einer Gefäßweitstellung beruht, signalisiert den momentanen Zustand und rät allgemein zur Vorsicht.
Krankheiten & Beschwerden
Funktionseinschränkungen der Gefäßweitstellung können akute und chronische Probleme auslösen. Der bekannteste Störfaktor, der den physiologischen Mechanismus beeinträchtigen kann, ist die Arteriosklerose. Durch Ablagerungen (Plaques) in den Gefäßwänden von Arterien werden diese unelastisch und bei Fortschreiten der Krankheit kommt es zu einer Verengung des Querschnitts. Eine durch parasympathische Neurotransmitter veranlasste Entspannung der glatten Muskelzellen in den Gefäßwänden wird dann nicht mehr voll wirksam. Der Blutdruck kann sich nicht mehr genügend an die Erfordernisse anpassen. Das macht sich vor allem beim diastolischen Blutdruck (Entspannungsphase) bemerkbar, der bei leichter Dauerbelastung des Körpers nur minimal ansteigen sollte. Bei arteriosklerotischen Veränderungen der Gefäße steigt der diastolische Wert bei Dauerbelastung deutlich an.
Die Gefäßweitstellung muss immer im Zusammenhang mit der Gefäßengstellung gesehen werden. Dem Wechselspiel zwischen der sympathisch gesteuerten Spannung und der parasympathisch gesteuerten Entspannung kommt eine hohe Bedeutung zu. Bei einer Störung des Wechselspiels wird häufig eine sogenannte vegetative Dystonie diagnostiziert. Dieser Begriff wird allerdings nicht von allen Ärzten benützt, weil die Krankheit nicht genau definierbar ist und der Verdacht auf eine Verlegenheitsdiagnose besteht.
Bezüglich Weitstellung der Gefäße kann das gestörte Wechselspiel dazu führen, dass ein ständiger erhöhter Sympathikotonus mit einem erhöhten Stresshormonspiegel die parasympathischen Entspannungsanregungen übertüncht, so dass sich keine Gefäßweitstellung zur generellen Blutdrucksenkung einstellt. Es kommt in der Folge zu chronischem Bluthochdruck (Hypertonie), die, wenn unbehandelt, zu schweren Folgeproblemen führt.
Quellen
- Debus, S., Gross-Fengels, W.: Operative und interventionelle Gefäßmedizin. Springer Verlag, Berlin 2012
- Luther, B. (Hrsg.): Kompaktwissen Gefäßchirurgie. Springer, Berlin 2011
- Piper, W.: Innere Medizin. Springer, Berlin 2013