Giftung (Toxifizierung)
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 10. April 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Bei einer Giftung entstehen während des Metabolismus im Organismus toxische Substanzen. Sie kann auftreten, wenn Fremdstoffe (Xenobiotika) im Körper abgebaut werden. Bei der Anwendung von Prodrugs kommt es zu einer milden und gewollten Form einer Giftung.
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Was ist die Giftung?
Eine Giftung oder Toxifizierung kennzeichnet einen Prozess im Organismus, welcher unwirksame oder schwach toxische Fremdsubstanzen im Rahmen des Metabolismus zu biologisch wirksamen oder gar stark giftigen Stoffen umwandelt.
Normalerweise werden von außen aufgenommene Fremdstoffe, die entweder keine Bedeutung für den Körper haben oder schädliche Wirkungen hervorrufen können, in der Leber in unwirksame und gut wasserlösliche Verbindungen transformiert, damit sie über die Nieren, den Schweiß oder den Atem ausgeschieden werden können. Damit soll der Körper entgiftet werden.
Die Enzyme wirken jedoch unspezifisch. So kann es passieren, dass bestimmte unwirksame Substanzen im Gegenteil wirksam oder gar toxisch werden. In einigen Fällen ist dies explizit gewollt. So entfalten manche Medikamente erst durch eine Biotransformation im Körper ihre Wirksamkeit. Jedoch können auch stark toxische Stoffe entstehen, die dem Organismus schaden.
Jeder Mensch ist mit individuellen Enzymen ausgestattet, sodass eine Toxifizierung oder ein Wirksamwerden eines Medikaments nicht überall im gleichen Maße stattfindet. Dies ist eine der Ursachen für das Auftreten unterschiedlicher Nebenwirkungen von Medikamenten.
Funktion & Aufgabe
Beispielsweise wird Codein in Morphin oder Phenacetin in Paracetamol umgewandelt. Levodopa gilt als Vorläufer von Adrenalin, Noradrenalin oder Dopamin zur Behandlung von Parkinson. Auch das Schilddrüsenmedikament Carbimazol oder das Schlafmittel Chlordiazepoxid wird erst durch eine Biotransformation im Körper zu einer wirksamen Substanz.
Unabhängig von ihrer chemischen Struktur werden alle Stoffe im Organismus nach ihrer Einnahme in der Leber einer Biotransformation unterzogen. Ziel dieser Stoffumwandlung ist die Entgiftung des Körpers. Die Substanzen werden in eine wasserlösliche Form überführt, um schnell aus dem Körper entfernt werden zu können. Dabei finden in einer ersten Phase unspezifische Reaktionen statt, die für alle Fremdsubstanzen gleichermaßen gelten. So kommt es zu Oxidations-, Reduktions- und Hydrolysereaktionen. Dabei erhalten alle Verbindungen bestimmte funktionelle Gruppen. In manchen Fällen werden vorhandene funktionelle Gruppen verändert. Diese Reaktionen werden durch die Enzyme des Cytochrom P-450-Systems katalysiert.
In einer zweiten Phase finden Konjugationsreaktionen statt. Dabei werden die Metaboliten der Fremdstoffe über die funktionellen Gruppen mit körpereigenen wasserlöslichen Stoffen verbunden. So kommt es zu Konjugationsreaktionen mit Glucuronsäure, Acyl- und Acetylresten, Aminosäuren, Methylgruppen, Glutathion oder auch Sulfaten. In dieser Form sind die Metaboliten transportfähig.
In der dritten Phase werden sie nun über Transportmoleküle aus den Zellen und dann mit dem Blutkreislauf und dem Lymphsystem durch den Körper zu den Nieren transportiert.
Die Umwandlung von unwirksamen Stoffen in wirksame oder gar giftige Verbindungen kann bei ihrer ersten Passage durch die Leber im Rahmen des sogenannten First-Pass-Effektes passieren. Bei einem First-Pass-Effekt wandern die unwirksamen Substanzen über den enterohepatischen Kreislauf durch die Leber und werden dort biochemisch in einen wirksamen Stoff umgewandelt.
Krankheiten & Beschwerden
Eine Toxifizierung kann ebenfalls stattfinden, wenn die Ausgangssubstanzen in zu hohen Dosen eingesetzt werden. Durch die erhöhte Enzymaktivierung entstehen in der ersten Phase viele aktivierte Metaboliten, welche nicht so schnell inaktiviert werden können, da die Kapazitäten für die zweite Phase nicht ausreichen. Die aktivierten Metaboliten wirken dann als freie Radikale und schädigen die Zelle sowie die Erbsubstanz.
Bei der Zellschädigung werden lysosomale Enzyme freigesetzt, welche die Zellen völlig zerstören können. Besonders Leber und Nieren werden geschädigt. Ein Beispiel für diese Wirkung ist die Einnahme einer hohen Dosis von Paracetamol. Eine Paracetamolvergiftung kann zum Tod durch Leberzersetzung führen.
Teils kann auch in der zweiten Phase der Metabolisierung eine Toxifizierung einsetzen. Dies kann bei einer Niereninsuffizienz vorkommen. So wird der Morphinmetabolit Morphin-6-glucuronid zwar meist schnell aus der Niere entfernt, allerdings wurde festgestellt, dass bei einer Nierenschwäche eine weitere Umwandlung stattfindet, die den Metaboliten noch wirksamer als den Ausgangsstoff macht. Eine Toxifizierung in Phase 2 ist jedoch sehr selten.
Ein weiteres Beispiel für eine Toxifizierung ist die Vergiftung mit Kreuzkraut. Die Ausgangsstoffe im Kreuzkraut sind Pyrrolizidinalkaloide (PA), welche selbst nicht giftig sind. Wenn der Kontakt mit dem Alkaloid nicht sehr intensiv ist, wird es im Körper gut abgebaut. Sollte der Körper allerdings mit hohen Mengen konfrontiert worden sein, können die Zwischenmetaboliten nicht schnell genug abgebaut werden. Sie greifen dann Leberzellen und Erbgut an.
Quellen
- Müller, S.: Notfallmedizin. Thieme, Stuttgart 2011
- Scholz, J., Sefrin, P., Böttiger, B.W., Dörges, V., Wenzel, V. (Hrsg.): Notfallmedizin. Thieme, Stuttgart 2012
- Ziegenfuß, T.: Notfallmedizin. Springer, Heidelberg 2011