Grübeln
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 26. Februar 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Quälende Gedanken, die sich laufend wiederholen und nie zu einer Lösung finden: Grübeln verschlechtert nicht nur die Stimmung, sondern wirkt sich auch negativ auf den Körper aus. Sie treten meist in Kombination mit Depressionen auf und halten die Betroffenen in einer passiven Opfer-Rolle. Allerdings gibt es therapeutische Behandlungsmöglichkeiten und Selbsthilfemethoden, die das ungesunde Denken in der Endlosschleife beenden können.
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Was ist Grübeln?
Unter Grübeln wird eine negative Form des Nachdenkens verstanden. Dabei drängen sich dem Betroffenen quälende Gedanken in Form einer Endlosschleife auf, die sich nicht unterdrücken lassen. Die Wissenschaft spricht hierbei auch von Rumination (Wiederkäuen) von Gedanken. Oft drehen sie sich um Themen aus der Vergangenheit oder um Sorgen über die Zukunft.
Zu den häufigsten Auslösern für Grübeln zählen Streitigkeiten, Entscheidungen, philosophische Fragen und die eigene Person. Grübelzwang wird begleitet von Selbstvorwürfen, Minderwertigkeitsgefühlen und Hoffnungslosigkeit und tritt meist in Schüben auf. Diese werden durch aktuelle Ereignisse ausgelöst, wobei diese nicht zwingend Objekt des Grübelns sein müssen.
Im Gegensatz zu gesundem Nachdenken liegt der Fokus nicht auf dem handlungs- und zukunftsorientierten Finden von Lösungen, sondern am zwanghaften Wiederholen von unangenehmen Erfahrungen oder Erwartungen. Anstatt nach dem „Wie“ zu fragen, wird nach dem „Warum“ gefragt. Damit stellt Grübeln eine gewisse „Suche ins Leere“ dar.
Ursachen
Grübeln liegt häufig eine andere psychische Erkrankung zugrunde, meist eine Depression, eine generalisierte Angststörung oder eine Zwangsstörung. Das unspezifische Gefühl des Unglücklichseins führt zu dem Impuls, durch Nachdenken über die eigene Situation Besserung zu erreichen. Das Grübeln soll Einsichten in den Grund der Unzufriedenheit eröffnen und dadurch Erleichterung verschaffen.
Viele Psychotherapeuten haben festgestellt, dass durch diese Vorgehensweise die Angst vor aktivem Eingreifen verschleiert wird. Der Betroffene läuft durch das passive Ausharren und Grübeln nicht Gefahr zu Scheitern, Kritisiert oder Zurückgewiesen zu werden. Außerdem sind Zwangsgedanken ein Hinweis auf mangelnden Selbstwert, Unentschlossenheit und Unsicherheit.
Die Zweifel an der eigenen Person äußern sich in übertrieben selbstkritischen und abwertenden Gedanken. Auch vergangene Verletzungen und Traumata, die nicht entsprechend behandelt wurden, können zu Grübeln führen. Da diese aber nicht mehr rückgängig gemacht werden können, fühlen sich die Betroffenen wie hilflose Opfer. Ständig über die negative Vergangenheit nachzudenken und sich selbst oder anderen Vorwürfe zu machen führt in die Abwärtsspirale des Grübelns.
Krankheiten mit diesem Symptom
Diagnose & Verlauf
Nur wenn das Grübeln außerhalb von depressiven Episoden auftritt, wird es als eigenständige Erkrankung diagnostiziert. Tritt es hingegen in Form von Sorgen über alltägliche Ereignisse oder mögliche zukünftige Unglücke auf und hält es länger als sechs Monate an, ist das ein Hinweis auf eine generalisierte Angststörung.
In den meisten Fällen nimmt das Grübeln gegen Abend zu. Durch die endlosen Denkschleifen treten allgemeine Stimmungsverschlechterung, Energielosigkeit und Unwohlsein auf. Wird der Grübelzwang nicht rechtzeitig erkannt und behandelt, kann er auch bei Menschen ohne psychologische Vorerkrankungen zu schweren Depressionen und Angstzuständen führen.
Mit der Zeit können auch körperliche Symptome wie Angespanntheit, Konzentrationsprobleme, Schlafstörungen, Appetitlosigkeit, Magengeschwüre und Verdauungsprobleme auftreten. Außerdem ist das negative Denken mentaler Stress für den Körper, was eine vermehrte Ausschüttung des Hormons Kortisol bewirkt. Dieses hat eine dämpfende Wirkung auf das Immunsystem und erhöht somit das Risiko für Krankheiten.
Komplikationen
Grübeln kann zu einer Reihe von psychischen und physischen Problemen führen. Chronisches Grübeln macht zunächst unglücklich und führt zu Frustration und Angstzuständen. Damit einhergehend kommt es zu Schlaflosigkeit, Ohnmachtsgefühlen und Verspannungen. Als weitere Komplikation des hartnäckigen Nachdenkens sinkt das Selbstbewusstsein und es kommt mitunter zu starkem Stress und dessen Folgen: Blutdruck und Herzfrequenz nehmen zu, körperliche Anspannung tritt auf und die Lebensqualität nimmt mitunter stark ab.
Weitere Komplikationen des Grübelns können depressive Verstimmungen bis hin zu einer ausgewachsenen Depression sein. Auf Dauer macht Grübeln krank und verursacht diverse Zwangs- und Angstsymptome, welche wiederum zu einer Verstärkung des Grübelns führen – ein Teufelskreis entsteht. Körperlich wirkt sich das Grübeln ebenfalls aus: Zähneknirschen, Magengeschwüre und Müdigkeit gehören zu den häufigsten Symptomen, darüber hinaus kann sich der Stress auch auf das Herz und die inneren Organe oder das Immunsystem auswirken und zu einer Vielzahl weiterer Komplikationen führen.
Im Extremfall entwickelt sich aus den Symptomen eine schwere Depression oder es kommt zu einer anderen psychischen Erkrankung wie zum Beispiel Burnout. Die Folgen und deren Intensität sind von Person zu Person sehr unterschiedlich, weshalb dem Grübeln, vor allem, wenn es sich zu einem chronischen Problem entwickelt, zeitnah durch ein Gespräch mit einem Therapeuten, Medikation und anderen Methoden entgegengetreten werden sollte.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Beim Grübeln mit möglichen Krankheitswert handelt es sich um zwanghaftes Gedankenkreisen, bei dem das Grübeln an sich im Vordergrund steht, weniger das Finden einer Lösung. Das Grübelkarussell dreht sich dabei häufig um eher banale Dinge. Oft geht es bei dieser Art des Grübelns um negativ empfundene Ereignisse aus der Vergangenheit: traurige Kindheit, Scheidung oder ausgebliebene Erfolge. Auch philosophische Fragen können einen regelrechten Grübelzwang auslösen. In so einem Fall ist dringend therapeutischer Rat gefragt, denn unbehandelt kann das Grübeln in eine Angststörung, Depression oder gar einen Suizid münden.
In einer psychologischen oder psychotherapeutischen Behandlung kann dem Grübeln mit einer Verhaltenstherapie begegnet werden. Betroffene müssen ihre passive Opferrolle verlassen. Gemeinsam mit ihrem Psychologen oder Psychotherapeuten analysieren sie ihre Motivation zum Grübeln. Der Therapeut macht ihnen bewusst, dass manche Dinge sich nicht mehr ändern lassen und selbst intensivstes Grübeln keine Lösung erbringt, sondern den Grübler in eine psychische Abwärtsspirale zieht.
Grübeln kann neben psychischen Problemen zusätzlich körperliche Beeinträchtigungen verursachen und so ein psychosomatisches Krankheitsbild erzeugen. Typische Symptome hierfür sind Schlafstörungen, Appetitmangel, Verdauungsprobleme, Anspannung und Konzentrationsstörungen. Ein Therapeut mit psychosomatischer Ausrichtung ist bei der Behandlung des zwanghaften Grübelns eine gute Wahl.
Behandlung & Therapie
Bei häufig auftretenden Schüben empfiehlt es sich, eine psychotherapeutische Behandlung einzuleiten. Dabei werden Techniken wie zum Beispiel Problemlösungstraining, Entspannungstechniken, Psychoedukation, achtsamkeitsbasierte Ansätze und klassische Verhaltenstherapie angewandt. Ist das Grübeln Symptom einer Depression, werden häufig Antidepressiva eingesetzt.
Bei noch nicht lange andauerndem Krankheitsverlauf und auch begleitend zu therapeutischer Behandlung können eine Reihe von Maßnahmen selbst gesetzt werden. Voraussetzung dafür ist die Fähigkeit, krankhafte Gedanken als solche zu erkennen. Diese sollten unter keinen Umständen als Tatsachen aufgefasst werden, sondern rein als Gedanken.
Eine distanzierte Haltung erlaubt es, diese zwar wahr-, aber nicht zu ernst zu nehmen. Um aus dem Teufelskreis ausbrechen zu können, wird die Methode des Stoppwortes angewandt: Sobald Grübeln als solches bemerkt wird, wird hierbei ein festgelegtes Wort laut ausgesprochen, um die Gedanken zu unterbrechen. Danach sollte man eine ablenkende Tätigkeit aufnehmen, die gern gemacht wird und die den/die Betroffene/n glücklich macht.
Die Aufmerksamkeit auf die Außenwelt zu konzentrieren ist eine weitere Möglichkeit, sich von Zwangsgedanken abzuhalten. Dabei wird die Wahrnehmung bewusst mehrmals täglich für ein paar Minuten auf etwas im Außen gelenkt. Auch das Führen eines Grübel-Tagebuchs kann helfen: In zeitlich eingeschränktem Rahmen wird sich hierbei mit den quälenden Gedanken auseinandergesetzt. Damit wird ihnen ein kontrolliertes Maß an Beachtung eingeräumt, das nicht überschritten wird.
Aussicht & Prognose
Grübeln gehört in vorübergehenden Phasen zu den normalen und gesunden Stimmungslagen eines Menschen. Grüblerische Stimmung kann gut und sinnvoll sein, wenn sie durch ein Ereignis ausgelöst wird, das Überlegungen und Entscheidungen bedarf. Der Mensch nimmt sich die Zeit, die er als Individuum braucht, um sich seiner Wünsche und Bedürfnisse klar zu werden und wieder eine Richtung einzuschlagen. Dass er sich dabei niedergeschlagen, traurig und desorientiert fühlen kann, ist normal. Die grüblerische Stimmung verfliegt beim gesunden Menschen, sobald sie zu einem Ergebnis geführt hat oder sobald der Auslöser dieser Stimmung sich ändert oder verschwindet.
Allerdings kann Grübeln auch zur immer häufiger aufkommenden Stimmungslage werden und Leidensdruck verursachen. Der Betroffene grübelt immer häufiger über immer unbedeutendere Dinge nach und bemerkt selbst, dass sich das auf seine Grundstimmung auswirkt und das Wohlbefinden schmälert. In diesen Fällen kann es sich um Vorboten oder Hinweise auf eine mögliche Depression handeln.
Das bedeutet, dass sich das Grübeln nicht wie beim gesunden Menschen von allein auflöst, sondern entweder wiederkehrt oder zum Dauerzustand wird. Wenn dieser Zustand nicht behandelt wird, kann er sich fortsetzen - je nachdem, was hinter dem Grübeln steckt. Es kann sich um eine beginnende Depression oder einen Burnout handeln, der unbehandelt noch schlimmer wird.
Vorbeugung
Um Zwangsgedanken und Grübeln gar nicht erst aufkommen zu lassen, empfiehlt es sich, seine Gedanken immer wieder aus einer distanzierten Perspektive heraus zu betrachten. Können Fragen wie zum Beispiel „Habe ich durch das Nachdenken etwas verstanden, das vorher noch nicht klar war?“, „Bin ich dadurch einer Lösung näher gekommen?“, oder „Fühle ich mich durch das Nachdenken weniger depressiv?“ nicht mit „ja“ beantwortet werden, liegt vermutlich ein Grübelzwang vor.
Das Erkennen solcher Denkmuster ist der erste Schritt um entsprechende Maßnahmen ergreifen zu können. Auch die Stärkung des Selbstwertgefühls und das Akzeptieren von Vergangenem als abgeschlossen entziehen dem Grübeln den Nährboden.
Das können Sie selbst tun
Im Alltag ist Beschäftigung ein gutes Mittel, um langes Grübeln zu vermeiden. Als Ablenkung einen sich vor allem Aufgaben, die zumindest eine geringe Herausforderung für den Kopf darstellen. Dadurch wird die Aufmerksamkeit vom Grübeln abgezogen.
Eine Technik aus der kognitiven Verhaltenstherapie ist der Gedankenstopp. Dieser lässt sich auch im Alltag gut anwenden. Sobald sich die Gedanken im Kreis drehen und das Grübeln beginnt, unterbricht sich der Betroffene mit einem „Stopp“. Je nach Situation kann das Wort gedacht oder laut ausgesprochen werden. Das Ziel dieser Maßnahme ist es, das Grübeln zu unterbrechen und so früh wie möglich zu erkennen. Dabei lässt sich in der Regel eine deutliche Verbesserung im Laufe der Zeit feststellen. Auch angewandte Achtsamkeit kommt als Selbsthilfe bei Grübeln in Frage. Achtsamkeit basiert auf dem Prinzip, die eigenen Gedanken, Emotionen und körperlichen Empfindungen bewusst wahrzunehmen, ohne sie zu bewerten.
Wenn das Grübeln als Symptom einer psychischen Störung (zum Beispiel einer Depression) auftritt, können auch Selbsthilfegruppen eine sinnvolle Ergänzung zur Therapie darstellen. In solchen Gruppen tauschen sich Betroffene untereinander aus, unterstützen sich gegenseitig und lernen mehr über sich selbst und ihre Probleme.
Darüber hinaus können praktische Hilfen den Alltag erleichtern – zum Beispiel ein Wecker, der lange Grübelphasen unterbricht. Auch Entspannungstechniken aus dem Yoga oder dem Autogenen Training helfen dabei "den Kopf auszuschalten".
Quellen
- Bergner, T.M.H.: Burnout-Prävention. Schattauer Verlag, Stuttgart 2012
- Hegerl, U., Niescken, S.: Depressionen bewältigen – die Lebensfreude wiederfinden. TRIAS, Stuttgart 2008
- Köllner, V. et al.: Praktische Verhaltensmedizin. Thieme, Stuttgart 2005