Interkalation
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 15. April 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
Sie sind hier: Startseite Körperprozesse Interkalation
Die Interkalation ist die Einlagerung von Teilchen wie Molekülen oder Ionen in bestimmte chemische Verbindungen wie Kristallgitter. In der Biochemie ist der Begriff mit der Einlagerung von Teilchen zwischen benachbarte Basenpaare der DNA assoziiert, was Rastermutationen zur Folge haben kann. Interkalative Eigenschaften besitzt zum Beispiel die Substanz Thalidomid, die einen Fehlbildungsskandal hervorgebracht hat.
Inhaltsverzeichnis |
Was ist die Interkalation?
Die Chemie versteht unter der Interkalation die Molekül-, Ion- oder Atomeinlagerung in chemische Verbindungen. Die Struktur der Teilchen bleibt während des Einlagerungsprozess im Wesentlichen konstant. In der anorganischen Chemie ist vor allem die Einlagerung von Teilchen zwischen die Kristallgitterebenen der Schichtkristalle mit der Interkalation gemeint. In diesem Zusammenhang ist zum Beispiel die Interkalation eines Alkalimetalls in Graphit zu nennen, die neue Verbindungen in Form von Interkalationskomplexen entstehen lässt. Interkalationsverbindungen von Kristallen erfordern große Wechselwirkungskräfte in den beteiligten Schichten und minimale zwischen benachbarten Schichten.
In der Biochemie bezieht sich der Begriff wiederum auf die DNA. Bestimmte Moleküle schieben sich bei dem Prozess in die Doppelhelix der DNA ein, indem sie sich zwischen Nachbarbasenpaare drängen.
Der Prozess der biochemischen Interkalation ist kein physiologischer Prozess. Es handelt sich um einen krankhaften Prozess der Pathophysiologie, der die Replikation und Transkription der DNA stört.
Die Interkalation wird ursächlich mit genetischen Mutationen in Verbindung gebracht, die vorwiegend im Replikationsvorgang relevant sind. Fehlbildungen einzelner Gewebe sind die Folge. Neben den mutagenen Eigenschaften werden der Interkalation im biochemischen Sinne auch karzinogene, also krebserregende Eigenschaften nachgesagt.
Zu den Verbindungen mit interkalativem Potenzial zählen zum Beispiel Zytostatika, die in der Krebstherapie zum Einsatz kommen. Mittels interkalativer Substanzen werden im Rahmen der Behandlung Schäden an der DNA herbeigeführt, die den Tumor sterben lassen.
Funktion & Aufgabe
Bei der Interkalation kommt es so zu einer Einfügung von (3n +1) Basenpaaren, was in der DNA das Raster der mRNA verfälscht. Als Konsequenz daraus werden mutierte Proteine gebildet, deren Aminosäuresequenz ab der Position der Mutation in allen Positionen abgeändert ist. So wird frühzeitig ein Stop-Codon eingeführt, das die Proteinsynthese im Sinne der Translation beendet. Rastermutationen gegen Ende des Leserahmens verlängern zuweilen das Polypeptid, da sie die Erkennung des physiologische Stop-Codons erschweren.
Nutzen zieht der Mensch aus Prozessen der Interkalation vor allem durch Zytostatika, die zur Krebsbehandlung eingesetzt werden. Trotz des medizinischen Fortschritts der letzten Jahrzehnte gelten Zytostatika, durch ihre interkalativen Eigenschaften, noch immer als mitunter wirksamste Behandlungsmethode bei bösartigen Krebs. Die toxisch chemischen Substanzen kommen bei der Chemotherapie zum Einsatz und stören, verzögern oder verhindern den Zellzyklus der Tumorzellen, sodass sich die bösartigen Zellen nicht mehr ausbreiten oder verteilen.
Die durch Interkalation bewirkten DNA-Schäden lassen Chromosomenaberrationen entstehen oder stören die Ausbildung des Spindelapparats. So wird die Teilung der Zielzellen gebremst oder ausgeschaltet.
Zur Gruppe der Zytostatika zählen verschiedener Substanzen mit chemisch sehr unterschiedlicher Struktur. Bekannte interkalative Substanzen dieser Art sind Actinomycin, Anthracycline oder Daunorubicin. Auch im Zusammenhang mit anderen Medikamenten zieht der Mensch Nutzen aus dem Prinzip der Interkalation. So wird zum Beispiel auch die chemotherapeutische Wirkung von Antibiotika auf den Zusammenhang der Interkalation zurückgeführt.
Krankheiten & Beschwerden
Da Thalidomid beruhigend, schlaffördernd, entzündungs-, tumorwachstums- und blutgefäßneubildungshemmend wirkt, wurde es Ende der 1950er Jahre als Contergan® annähernd jedem Haushalt zur Verfügung gestellt. Aufgrund seiner interkalativen Eigenschaften führt die Einnahme der Substanz in den ersten drei Monaten der Schwangerschaft allerdings zu den oben beschriebenen Interkalationsprozessen, die dramatische Auswirkungen auf die embryonale Entwicklung zeigen. Die Neugeborenen kamen mit starken Fehlbildungen der Gliedmaßen oder der inneren Organe zur Welt.
Aufgrund seiner interkalativen Eigenschaften blockiert der Stoff den Wachstumsfaktor VEGF, sodass die Bildung von Blutgefäßen in der Embryonalentwicklung gehemmt wird. Da der Embryo in den ersten drei Entwicklungsmonaten besonders sensibel auf Schadeinflüsse reagiert, kann es neben den Fehlbildungen in dieser Zeit sogar zum Abgang kommen.
Abgesehen von solcherlei verheerenden Folgen wird mit interkalativ wirksamen Substanzen eine karzinogene, also krebserregende Wirkung assoziiert. Das gilt zum Beispiel für bestimmte Farbstoffe. Hierzu gehört Ethidiumbromid oder EtBr, das in der Molekulargenetik Nukleinsäure färbt. Ethidiumbromid besitzt die Summenformel C21H20BrN3 und interkaliert zwischen den beiden DNA-Strängen, sodass es zur Anfärbung kommt.
Da der Farbstoff UV-Licht in Wellenlängen von 254 bis 366 nm absorbiert und orange-rotes Licht mit Wellenlängen von 590 nm emittiert, ist er als Färbemittel in der Molekulargenetik unersetzlich. Ethidiumbromid färbt DNA-Proben an, die zuvor mittels eines Agarose-Gels aufgetrennt wurden. Der Farbstoff wird dem Gel unmittelbar hinzugefügt. Es kommt so zur Bindung des Farbstoffes an die DNA, wodurch die DNA auf spezifische Weise sichtbar wird. Da Ethidiumbromid potentiell karzinogen ist, müssen bei der Verwendung entsprechende Sicherheitsmaßnahmen getroffen werden, die einen direkten Kontakt mit Schleimhaut oder Haut verhindern. Dasselbe gilt für alle anderen, interkalativen Stoffe mit karzinogenen Wirkungen.
Quellen
- Alberts, B., u. a.: Molekularbiologie der Zelle. 4. Auflage. Wiley-VCH., Weinheim 2003
- Clark, D.P.: Molecular Biology: Das Original mit Übersetzungshilfen. Spektrum Akademischer Verlag., Heidelberg 2006
- Schartl, M., Biochemie und Molekularbiologie des Menschen. 1. Auflage, Urban & Fischer Verlag, München 2009