Zwillinge und Mehrlinge
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 13. November 2021Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Von Zwillingen oder Mehrlingen ist die Rede, wenn anstatt eines erwarteten Babys, gleich zwei, drei oder mehr Kinder zu Welt kommen. Allerdings sind Mehrlingsschwangerschaften nicht ohne Risiko.
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Was sind Zwillinge und Mehrlinge?
Mehrlingsschwangerschaften mit mindestens zwei Kindern gelten als Seltenheit. Gemäß der Hellin-Regel handelt es sich bei einer von 85 Schwangerschaften um eine Zwillingsschwangerschaft. Eine von 7.000 Müttern bekommt im Durchschnitt Drillinge, während eine Vierlingsschwangerschaft durchschnittlich lediglich einmal unter 600.000 Schwangerschaften zu verzeichnen ist.
In den letzten Jahrzehnten kam es jedoch zu einem Anstieg an Mehrlingsschwangerschaften. Grund dafür sind die künstlichen Befruchtungen sowie spezielle Behandlungen mit Hormonen zur Stimulation der Fruchtbarkeit.
In der heutigen Zeit trägt ungefähr jede 50. Mutter Mehrlinge aus. Im Rahmen einer künstlichen Befruchtung ist die Wahrscheinlichkeit von Mehrlingen sogar relativ groß. So erfolgen bei der In-Vitro-Fertilisation zur gleichen Zeit mehrere Eisprünge. Nach der Befruchtung, die in einem Reagenzglas stattfindet, werden dann drei oder vier Embryonen in die weibliche Gebärmutter versetzt. Auf diese Weise soll die Schwangerschaftswahrscheinlichkeit gesteigert werden. Dabei kann es jedoch vorkommen, dass nicht nur ein Baby heranwächst, sondern gleich zwei, drei oder vier Kinder.
Etwa ein Fünftel aller Frauen, die eine künstliche Befruchtung durchführen lassen, wird schwanger. Bei jeder vierten Schwangeren tritt eine Mehrlingsschwangerschaft auf.
Funktion & Aufgabe
Dennoch gelten Mehrlinge durchaus als Bereicherung. So können die Kinder zusammen aufwachsen und entwickeln in den meisten Fällen eine besondere Beziehung zueinander. Wird das Leben der Kinder gut organisiert, verläuft auch der Alltag von Mehrlingen in geordneten Bahnen.
Bei Mehrlingen gilt es, zwischen eineiigen und zweieiigen Kindern zu unterscheiden. Etwa 30 Prozent aller Zwillinge sind eineiig. So weisen sie dasselbe Geschlecht sowie die gleiche Blutgruppe auf. Ein weiteres Merkmal von eineiigen Zwillingen ist ihre äußere Ähnlichkeit.
Zur Entstehung von eineiigen Zwillingen kommt es, wenn eine Eizelle im Anschluss an die Befruchtung in zwei Zellkerne geteilt wird. Beide Kerne verfügen über identische Erbanlagen. Findet die Teilung innerhalb von drei Tagen statt, erfolgt die Einnistung zweier Keimblasen in die Gebärmutterschleimhaut. Nebeneinander können sich dort die beiden Embryonen entwickeln. Dabei besitzt jeder Embryo eine eigene Chorion- und Fruchthöhle. Außerdem besteht über eine eigene Plazenta eine Verbindung zur Mutter.
Erfolgt die Teilung der Eizelle nach vier Tagen, werden zwei Fruchthöhlen und nur ein Chorion ausgebildet. Beide Kinder erhalten ihre Versorgung durch die gleiche Plazenta ihrer Mutter. Geschieht die Teilung nach acht Tagen, werden beide Embryonen in der gleichen Chorion- und Fruchthöhle entwickelt. Auch in diesem Fall erfolgt die Versorgung durch dieselbe Plazenta.
Bedenklich ist eine Teilung nach 12 bis 14 Tagen, weil sie zur Entwicklung von siamesischen Zwillingen führt. Bei dieser Fehlentwicklung sind beide Kinder physisch miteinander verwachsen.
Im Unterschied zu eineiigen Zwillingen unterscheiden sich zweieiige Zwillinge meist ebenso voneinander wie gewöhnliche Geschwister.
Drillinge, Vierlinge oder weitere Mehrlinge gehen in der Regel aus einer künstlichen Befruchtung hervor. Die Säuglinge sind jedoch stets zweieiig. Nicht selten bestehen sie aus unterschiedlichen Kombinationen aus eineiigen und zweieiigen Kindern. Festgestellt wird eine Mehrlingsschwangerschaft durch eine Sonographie (Ultraschalluntersuchung), die zwischen der 9. und 12. Schwangerschaftswoche stattfindet. Weil die Embryonen zu diesem Zeitpunkt noch sehr klein sind, lassen sie sich gleichzeitig bildlich darstellen.
Krankheiten & Beschwerden
Weil durch die Mehrlinge auch mehr Körpergewicht entsteht, können dadurch die Wirbelsäule und die Beine belastet werden. Auch Muskeln und Bindegewebe sind einer höheren Belastung ausgesetzt. Nicht selten leiden die Mehrlingsmütter unter Beschwerden wie Rückenschmerzen, zu hohem Blutdruck, Schlafproblemen, Blutstau in den Beinen, Krampfadern, Anämie (Blutarmut), Verstopfung und Zwerchfellhochstand. Letzterer führt häufig zu Atemproblemen und Herzbeschwerden. Besonders im letzten Trimester muss die Schwangere unnötigen Stress und physische Anstrengungen unbedingt vermeiden, um ein vorzeitiges Einsetzen der Wehen auszuschließen.
Auch für die ungeborenen Kinder bedeutet eine Mehrlingsschwangerschaft ein erhöhtes Risiko. So besteht die Gefahr einer Frühgeburt, wenn eine Zervixinsuffizienz oder ein frühzeitiger Blasensprung einsetzt.
Mit der Anzahl der heranwachsenden Kinder verkürzt sich auch die Dauer der Schwangerschaft. So nimmt eine normale Schwangerschaft 267 Tage in Anspruch, eine Zwillingsschwangerschaft hingegen nur 262 Tage. Bei Drillingen beträgt die Schwangerschaftsdauer durchschnittlich 247 Tage. Grund dafür ist die höhere Überdehnung und Belastung von Muttermund und Gebärmutter. Darüber hinaus kommt es zu einer schwächeren Durchblutung dieser beiden Körperstrukturen.
Denkbare Komplikationen bei einer Mehrlingsschwangerschaft sind neben Fehlgeburten auch Fehlbildungen der Kinder, Verzögerungen des Wachstums, sowie ein fetofetales Transfusionssyndrom (FFTS). Dabei handelt es sich um eine selten vorkommende Ernährungs- und Durchblutungsstörung, in deren Verlauf ein Kind auf Kosten der anderen entwickelt wird. Besonders hoch ist das Risiko für ein FFTS bei einer gemeinsamen Chorionhöhle. Des Weiteren besteht das Risiko eines intrauterinen Fruchttodes.
Für eine gesunde Entwicklung der Mehrlinge bedarf es der Versorgung durch die Gebärmutter. Verfügt jedes Kind über seine eigene Fruchthöhle und Plazenta, ist dies bei Zwillingen am günstigsten. Müssen sich jedoch beide Kinder eine Plazenta und eine Fruchthöhle teilen, erhöht sich die Gefahr von Komplikationen.
Quellen
- Rohen, J., Lütjen-Drecoll, E.: Funktionelle Embryologie. Die Entwicklung der Funktionssysteme des menschlichen Organismus. Schattauer, Stuttgart 2016
- Ulfig, N., Brand-Saberi, B.: Kurzlehrbuch Embryologie. Thieme, Stuttgart 2017
- Weyerstahl, T., Stauber, M.: Gynäkologie und Geburtshilfe, duale Reihe. Thieme, Stuttgart 2013