Moro-Reflex

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 12. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Der Mensch ist mit verschiedenen Reflexen ausgestattet, um in der Schwangerschaft sowie in der Zeit während und nach der Geburt überleben zu können. Zu diesen gehört auch der Moro-Reflex. Dieser gewährleistet beim Kind den ersten Atemzug nach der Geburt und dient in den ersten Lebensmonaten eines Säuglings als Schreckreflex.

Inhaltsverzeichnis

Was ist der Moro-Reflex?

Der Moro-Reflex gewährleistet beim Kind den ersten Atemzug nach der Geburt und dient in den ersten Lebensmonaten eines Säuglings als Schreckreflex.

Der Moro-Reflex wurde 1918 erstmals von dem deutschen Kinderarzt Ernst Moro beschrieben und benannt. Dieser Reflex ist eine Reaktion, die durch einen Reiz ganz unwillkürlich ausgelöst wird. Das neugeborene Kind reagiert damit auf eine mögliche Bedrohung, etwa wenn es auf den Rücken fällt oder plötzlich und unsanft abgelegt wird.

Der Moro-Reflex äußert sich in zwei Phasen aus. In der ersten Phase streckt das Kind beide Arme und Beine ruckartig aus, öffnet die Hände und spreizt die Finger. Dabei legt es den Kopf in den Nacken, sodass der Oberkörper leicht nach hinten fällt. Dann öffnet es den Mund, um einzuatmen und erstarrt kurz in dieser Haltung. Darauf folgt die zweite Phase mit dem Zurückziehen von Armen und Beinen. Es ballt nun die Hände zur Faust, zieht den Kopf an die Brust und atmet aus. Eventuell schreit das Kind dann laut auf.

Der Reflex ist in den ersten Lebenswochen eines Neugeborenen am stärksten ausgeprägt. Im Laufe der nächsten Lebensmonate reift das Nervensystem des Säuglings heran, sodass die Häufigkeit und Intensität des Reflexes immer mehr abnimmt. Ab dem dritten Monat tritt er seltener und nur noch sehr abgeschwächt auf und verschwindet spätestens nach dem sechsten Lebensmonat vollständig.

Bei Jungtieren von Menschenaffen hat der Reflex noch eine andere Bedeutung. Sie werden von der Mutter die ganze Zeit herumgetragen. Sobald die Mutter sich bewegt, wird bei den Affenjungen der Moro-Reflex aktiviert. Sie umklammern die Mutter ganz fest und legen den Kopf leicht nach hinten, damit sie nicht von der Mutter herunterfallen. Aus diesem Grund wird der Moro-Reflex in der Fachsprache auch als Klammerreflex oder Umklammerungsreflex genannt.

Da dieser Reflex auch in den ersten Lebensmonaten des Menschenkindes auftritt, vermuten Forscher der Evolutionsbiologie, dass auch wir einst Traglinge waren.

Funktion & Aufgabe

Der Moro-Reflex ist eine hochkomplexe Reaktion des Körpers, die durch das Zusammenspiel aller Sinne (Sehen, Hören, Tasten und Gleichgewicht) aktiviert wird. Bei Menschen bildet sich der Moro-Reflex schon in der neunten Schwangerschaftswoche. Unmittelbar nach der Geburt spielt er für das Menschenkind eine lebenswichtige Rolle: Er sorgt dafür, dass die Luftröhre geöffnet wird. Auf diese Weise regt er das Neugeborene zum ersten Atemzug an und schützt es vor dem Ersticken.

Im Laufe der nächsten Lebensmonate dient der Reflex auch dazu, die Eltern zur Vorsicht und Zärtlichkeit im Umgang mit ihrem Neugeborenen zu mahnen. Schließlich ist das Kind noch nicht in der Lage, den Kopf selbstständig zu halten. Und da die Reaktion wie eine unkontrollierte Bewegung wirkt und viele Babys dabei laut aufschreien, erschrecken die Eltern oft sehr.

Und tatsächlich ist der Reflex auch sehr unangenehm für das Baby, denn der kleine Körper macht währenddessen so einiges durch: Die Stresshormone Adrenalin und Cortisol werden ausgeschüttet, der Blutzuckerspiegel sinkt stark ab und die Herzfrequenz steigt rapide. Jedoch ist der Reflex eine ganz normale Reaktion des Körpers und gehört zur frühkindlichen Entwicklung.

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Krankheiten & Beschwerden

Wenn der Moro-Reflex in den ersten Monaten nach der Geburt sehr häufig ausgelöst wird, produziert der Körper vermehrt Stresshormone. Diese stören die Immuntätigkeit des Säuglings, welche ohnehin noch nicht vollständig ausgereift ist. Infolge einer geschwächten Immunabwehr treten häufiger Infekte oder Atemwegserkrankungen auf.

Ab dem vierten Lebensmonat sollte der Moro-Reflex sich langsam zurückbilden. Im Rahmen der neurologischen Entwicklung des Säuglings wird er von dem Schreckreflex abgelöst, welcher bis ins Erwachsenenalter erhalten bleibt. Für die frühkindlichen Reflexe gilt: Sie entwickeln sich bis zum Höhepunkt, ebben dann ab und verschwinden schließlich.

Mit dem Zurückbilden der frühkindlichen Reflexe reifen auch die Grob- und Feinmotorik heran. Es gibt auch Reflexe, die nicht wirklich verschwinden, sondern vielmehr in einen komplexeren Reflex integriert werden.

Im Normalfall verläuft die Entwicklung der Reflexe bei jedem Kind gleich. Das Nervensystem ist erst dann ausgereift, wenn das Kind innerhalb der ersten zwölf Lebensmonate alle frühkindlichen Reflexe abgelegt hat. Sollten während dieser Entwicklung jedoch Störungen auftreten, dann können die Kinder später an neurologischen Erkrankungen wie ADHS und Überempfindlichkeit erkranken.

Konkret kann die Entwicklungsstörung des Moro-Reflexes zum Beispiel dazu führen, dass das Kind beim Fallen zunächst die Arme ausspreizt und die Abstützreaktion erst verspätet einsetzt. So verletzt es sich deutlich öfter als andere Kinder.

Aufgrund der Überproduktion an Stresshormonen nehmen sie außerdem zu viele unnötige Informationen aus ihrem Umfeld auf, die sie nicht verarbeiten können. Die ständige Reizüberflutung kann letztlich zu Konzentrationsstörungen und so auch zu einem mangelhaften Sozialverhalten der Kinder führen.

Sie haben zudem Schwierigkeiten, sich in neuen Situationen angemessen zu verhalten. Nur ein geregelter Alltag und ein vertrautes Umfeld können ihnen Sicherheit geben. Selbst im Erwachsenenalter kann die Einschränkung erhalten bleiben, sodass das Leben der Betroffenen teils durch Panikattacken und Angstneurosen geprägt ist.

Quellen

  • Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Berlin 2007
  • Koletzko, B.: Basiswissen Pädiatrie. Springer Medizin Verlag, Berlin 2009
  • Weyerstahl, T., Stauber, M.: Gynäkologie und Geburtshilfe, duale Reihe. Thieme, Stuttgart 2013

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