Orthostase-Reaktion

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 8. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Mit dem Begriff Orthostase-Reaktion (orthostatische Anpassung) wird die Fähigkeit des Organismus definiert, den Blutdruck bei einem Wechsel in die aufrechte Position auszugleichen. Dieser Effekt kann beispielsweise eintreten, wenn sich ein Mensch plötzlich aus der liegenden in die sitzende oder stehende Position bewegt.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die Orthostase-Reaktion?

Beim extremen Positionswechsel des Körpers wird eine außerordentliche Herausforderung für den Kreislauf bewältigt, denn der Rückstrom venösen Blutes zum Herzen nimmt stark ab.

Zuvor dehnen sich durch den Anstieg des hydrostatischen Drucks die Beinvenen spürbar aus. Etwa ein halber Liter Blut kann sich dort durch die abrupt veränderten Druckverhältnisse stauen. Die Orthostase-Reaktion kann dies ausgleichen.

Funktion & Aufgabe

Mit dem Begriff Orthostase-Reaktion (orthostatische Anpassung) wird die Fähigkeit des Organismus definiert, den Blutdruck bei einem Wechsel in die aufrechte Position auszugleichen.

Um den Kreislauf in nahezu jeder Körperposition stabil zu halten und ihn nach einem Positionswechsel auszugleichen, spielen sich viele Körperprozesse gleichzeitig ab. Etwa nimmt das Schlagvolumen des Herzens deutlich ab, in drastischen Fällen um 40 Prozent. Das wiederum führt zu einem Anstieg der Herzfrequenz um etwa 30 Prozent. Damit ist ein Kollapszustand erreicht.

Auch in minder schweren Fällen kommt es zu einem sehr schnellen Abfall des Blutdrucks. Er sinkt direkt aufgrund der plötzlichen Lageänderung vom Liegen zum Sitzen oder Stehen und auch indirekt durch die Verringerung des Herzzeitvolumens.

Kompensiert wird diese Situation mit Hilfe des sogenannten Pressorezeptorreflexes (auch Barorezeptorreflex). Dieser stimuliert den Sympathikus des vegetativen Nervensystems. Die Rezeptoren in den Beinvenen sorgen für eine Erhöhung des Sympathikotonus, weshalb der venöse Rückfluss zum Herzen wieder ansteigt. Damit kann auch der Blutdruckabfall schnell wieder ausgeglichen werden. Unterstützt wird dies durch die vorübergehende leichte Abnahme der Nierendurchblutung.


Krankheiten & Beschwerden

Funktioniert die Orthostase-Reaktion nicht, wird von einer orthostatischen Dysregulation gesprochen. Davon betroffene Menschen werden beim schnellen Wechsel in die aufrechte Körperhaltung aus liegender Position in schweren Fällen unter Umständen sogar kurzzeitig bewusstlos.

Dieser Zustand resultiert aus einer Unterversorgung des Gehirns mit Blut und somit auch Sauerstoff. Die Folge kann ein orthostatischer Kollaps sein – das sofortige Umfallen.

Damit ist jedoch zugleich das Problem behoben, denn im liegenden Zustand werden sich die Kreislaufverhältnisse schnell wieder von selbst stabilisieren. Minderschwere Folgen des gestörten Orthostase-Mechanismus können Ohrensausen und Schwindelgefühle sein.

Vom gänzlichen Ausbleiben der Orthostase-Reaktion sind oftmals Menschen mit chronisch niedrigem Blutdruck betroffen. Dazu gehören überwiegend junge schlanke Frauen und Jugendliche, die sich in besonderen Wachstumsphasen befinden. Eine Ursache für diesen Mangel kann die nicht richtig arbeitende Venenpumpe sein, wodurch es eventuell zum Absinken größerer Blutmengen in die Beine kommt.

Wer eine solche Neigung zur Orthostase-Fehlreaktion hat, der kann sich zunächst mit ganz einfachen Mitteln selbst helfen. In erster Linie führt das langsame, nicht überstürzte Aufrichten in die Senkrechte zur Besserung. Oft helfen auch bereits ein stärkerer Kaffee und die reichliche Zufuhr frischer, kalter Luft.

Die unzureichende orthostatische Anpassung kann sich auch durch zu langes Sonnenbaden, latente Übermüdung, längere Bettlägerigkeit oder etwa den Genuss einer Zigarette nach größerer Abstinenz bemerkbar machen. Dann geht sie oft mit einem Leeregefühl im Kopf, starkem Herzklopfen, 'Sternen' vor den Augen und leichtem Zittern einher. Diese mehr oder weniger ungefährlichen Symptome können gelegentlich auch bei völlig gesunden Menschen auftreten.

Zeigt sich die betreffende Fehlreaktion sehr oft oder sogar ständig, dann handelt es sich um eine orthostatische Hypotension, den chronischen Blutdruckabfall beim Aufrichten des Körpers. Diese Erkrankung stellt sich häufig im zunehmenden Alter ein. Bei über 65-Jährigen kommt sie in nahezu 30 Prozent der Fälle vor. Nur jeder neunte Betroffene berichtet aber von den typischen Symptomen.

Nach konkreten Messungen ist dann von einer orthostatischen Hypotension auszugehen, wenn innerhalb von einer Minute der systolische Blutdruck um mindestens 20 mmHg und der diastolische Blutdruck um mindestens 10 mmHg fällt.

Ein solcher Blutdruckabfall könnte jedoch zu einem beträchtlichen Todesrisiko führen, beispielsweise bei Patienten mit Herz- und Kreislauferkrankungen, die womöglich bereits einen Infarkt hinter sich haben.

Ältere Menschen, die unter der Hypotension (Blutdruckabfall) leiden, sind außerdem extrem anfällig für einen Schlaganfall. Daneben steigt für sie zudem das Risiko einer Demenz. Ältere Menschen sind zugleich empfänglich für das verwandte Krankheitsbild der Postprandialen Hypotension. Bei ihnen gehen die Fehlfunktionen vor dem Hintergrund erhöhten Blutdrucks vonstatten. Hier muss auch nicht das Absacken des Blutes in die Beine ursächlich für die Beschwerden sein, sondern oftmals treten sie im Zuge des Verdauens nach einer größeren Mahlzeit auf.

Diese Sonderform ist für ältere Menschen nicht weniger gefährlich. Der starke Blutdruckabfall etwa zwei Stunden nach dem Essen betrifft oft Patienten mit Parkinson oder Diabetes mellitus. Die von ihnen eingenommenen Medikamente verstärken die unangenehmen Wirkungen der Postprandialen Hypotension oftmals noch erheblich.

Langsames Erheben und große Vorsicht bei zu schnellen Bewegungen sind diesen Betroffenen besonders anzuraten. Darauf kommt es vor allem beim Aufstehen am Morgen an. Ratsam ist es, dann noch ein wenig auf der Bettkante zu sitzen und sich erst später zu erheben. Auch das Aufstehen von der Toilette geschieht besser langsam, vor allem nachts.

Hilfreich sind ebenso kleine Trainingseinheiten, etwa das wiederholte wechselseitige Anheben der Füße vor dem Aufrichten des ganzen Körpers. Möglichst sollte langes, bewegungsloses Stehen vermieden werden sowie ein längerer Aufenthalt in großer Hitze. Wichtig ist das ausreichende Trinken an jedem Tag, vor allem zu den Mahlzeiten. Mindestens eine Stunde vor dem Schlafengehen sollte dann die Flüssigkeitszufuhr reduziert beziehungsweise eingestellt werden, um häufige nächtliche Toilettengänge zu vermeiden.

Quellen

  • Classen, M., Diehl, V., Kochsiek, K. (Hrsg.): Innere Medizin. Urban & Fischer, München 2009
  • Piper, W.: Innere Medizin. Springer, Berlin 2013
  • Renz-Polster, H., Krautzig, S. (Hrsg.): Basislehrbuch Innere Medizin. Urban & Fischer, München 2012

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