Oseltamivir
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 13. November 2021Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Der medizinische Wirkstoff Oseltamivir gehört zur Klasse der Neuraminidase-Hemmer. Er dient zur Vorbeugung und Behandlung der Influenza-Grippe. Nebenwirkungen können auftreten.
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Was ist Oseltamivir?
Oseltamivir ist ein Arzneistoff, der der Klasse der Neuraminidase-Hemmer entstammt. Das Mittel eignet sich zur Therapie und Prophylaxe der echten Grippe, die vom Influenzavirus verursacht wird.
Oseltamivir zählt zu den sogenannten Prodrugs. So kommt es nach der oralen Einnahme des Wirkstoffs zur Spaltung der Esterbindung. Daraus geht die eigentliche Wirkform mit der Bezeichnung Oseltamivircarboxylat hervor. Bekannt ist Oseltamivir auch unter der Präparatbezeichnung Tamiflu®. Es zählt zu den verschreibungspflichtigen Medikamenten und ist nur gegen Vorlage eines Rezepts in der Apotheke erhältlich.
Die Entwicklung von Oseltamivir ging auf den österreichischen Biochemiker Norbert Bischofberger zurück, der in den 1990er Jahren im kalifornischen Foster City für das Biotechnologieunternehmen Gilead Sciences tätig war. Dabei forschte Bischofberger nach einem Anti-Grippemittel, das sich auch in Tablettenform darreichen ließ. Nachdem dies gelungen war, arbeitete der Biochemiker mit dem Pharmakonzern Roche zusammen. Schließlich erfolgte die Zulassung von Oseltamivir 1999 in der Schweiz. Im Jahr 2000 schloss sich die USA an und ab 2002 konnte das Medikament auch in der EU vertrieben werden.
Dabei bestand zunächst die Einschränkung, dass nur eine Behandlung von Patienten über 13 Jahren stattfinden durfte. Diese Beschränkung wurde jedoch später aufgehoben, sodass eine Oseltamivir-Therapie nun bereits bei Kindern ab einem Jahr erfolgen kann. Im Laufe der Zeit avancierte Tamiflu® zu den erfolgreichsten Arzneimitteln der Firma Roche. Seit 2014 sind auch Generika von Oseltamivir erhältlich.
Pharmakologische Wirkung
Die Viren, die in den Körperzellen neu entstanden sind, infizieren die anderen Zellen, nachdem sie eine Zelle wieder verlassen haben, wodurch ihre Ausbreitung stattfindet. Um die Zelle verlassen zu können, ist das Zerschneiden eines Verbindungsstücks zwischen Zelle und Virus durch die Neuraminidase nötig.
Diesem Prozess wirkt Oseltamivir entgegen, indem es das Enzym blockiert. Auf diese Weise hindert der Wirkstoff die Viren daran, noch weitere Körperzellen zu infizieren. Das Immunsystem des Menschen erhält dadurch die Gelegenheit, die unbeweglich gewordenen Viren leichter zu bekämpfen.
Die Darreichung von Oseltamivir erfolgt oral. Nach seiner Einnahme kommt es zur kompletten Resorption des Wirkstoffs. Innerhalb der Leber findet die Überführung des Prodrugs Oseltamivir mit unterschiedlichen Esterasen in das wirksame Oseltamivircarboxylat statt. Eine weitere Verstoffwechselung des aktiven Metaboliten erfolgt nicht, sodass er über die Nieren unverändert aus dem Körper ausgeschieden wird. Bei Patienten in höherem Lebensalter liegt eine größere Bioverfügbarkeit vor.
Oseltamivir verfügt über die Eigenschaft, die Dauer der Grippe zu verkürzen und ihre Symptome zu lindern, sofern die Behandlung spätestens 48 Stunden nach Beginn der Erkrankung einsetzt. Darüber hinaus verringert seine Anwendung das Risiko einer bakteriellen Superinfektion.
Medizinische Anwendung & Verwendung
Anwendungsgebiet von Oseltamivir ist die Behandlung und Vorbeugung der Influenza-Grippe, die nichts mit dem harmlosen grippalen Infekt (Erkältung) zu tun hat. Damit der Wirkstoff seine positiven Effekte entfalten kann, ist er jedoch binnen 48 Stunden einzunehmen. Für eine vorbeugende Wirkung muss die Einnahme zeitnah nach dem Kontakt zu infizierten Personen erfolgen.
Die Dosierung bei Kindern richtet sich nach deren Alter und Gewicht. Die Darreichung bei Babys darf jedoch nur in schweren Ausnahmefällen vorgenommen werden. Eine Heilung der Influenza-Grippe ist durch Oseltamivir nicht möglich, doch kann der Wirkstoff die Krankheitsdauer verringern und die Symptome lindern.
Als Alternative zur Grippeimpfung eignet sich der Neuraminidase-Hemmstoff nicht. Die Anwendung des Mittels sollte nur bei Grippe-Epidemien erfolgen und unter ärztlicher Kontrolle stattfinden.
Risiken & Nebenwirkungen
Weitere denkbare Nebenwirkungen von Oseltamivir können Kopfschmerzen, Herzrhythmusstörungen, Hautausschläge, Krampfanfälle, Überempfindlichkeitsreaktionen, Ekzeme, Entzündungen auf der Haut, Nesselsucht, erhöhte Leberwerte oder Einschränkungen des Bewusstseins sein. Selten kommt es auch zu Angstzuständen, einer ausgeprägten Leberentzündung, anormalem Verhalten, Verwirrtheit, Magen-Darm-Blutungen, Sehstörungen, Albträumen und Wahnvorstellungen. In seltenen Fällen kam es bei Jugendlichen zu Selbstverletzungen.
Liegt eine Überempfindlichkeit gegen Oseltamivir vor, darf keine Therapie mit dem Wirkstoff erfolgen. Nicht gesichert ist die positive Wirkung des Mittels bei Menschen, die unter einer Schwäche des Immunsystems oder chronischen Krankheiten leiden. Sie sollten das Medikament nur in Ausnahmefällen erhalten.
Im Rahmen von Schwangerschaft und Stillzeit muss der Arzt die Gabe von Oseltamivir gründlich abwägen. So ist unbekannt, ob das Kind durch das Medikament Schaden erleiden kann. Kinder, die jünger als ein Jahr sind, erhalten Oseltamivir nur im Falle eines großflächigen Influenza-Ausbruchs.