Oxidative Decarboxylierung

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 23. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die oxidative Decarboxylierung ist ein Bestandteil der Zellatmung und findet in den Mitochondrien der Zelle statt. Das Endprodukt der oxidativen Decarboxylierung, das Acetyl-coA, wird dann im Citratzyklus weiterverarbeitet.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die oxidative Decarboxylierung?

Die oxidative Decarboxylierung ist ein Bestandteil der Zellatmung und findet in den Mitochondrien der Zelle statt.

Mitochondrien sind Zellorganellen, die in fast allen Zellen mit Zellkern vorkommen. Sie werden auch als Kraftwerke der Zelle bezeichnet, da sie das Molekül ATP (Adenosintriphosphat) bilden. ATP ist der wichtigste Energieträger im menschlichen Körper und wird mittels aerober Atmung gewonnen. Aerobe Atmung wird auch als Zellatmung oder innere Atmung betitelt.

Die Zellatmung gliedert sich in vier Schritte. Zu Beginn findet die Glykolyse statt. Es folgt die oxidative Decarboxylierung, dann der Citratzyklus und zuletzt die Endoxidation (Atmungskette).

Die oxidative Decarboxylierung findet in der sogenannten Matrix der Mitochondrien statt. Kurz gesagt wird hier Pyruvat, welches meistens aus der Glykolyse stammt, zu Acetyl-CoA umgewandelt. Dafür lagert sich das Pyruvat, ein Säureanion der Brenztraubensäure, an Thiaminpyrophosphat (TPP) an. TPP wird aus dem Vitamin B1 gebildet. Folgend wird die Carboxylgruppe des Pyruvats als Kohlendioxid (CO2) abgespalten. Diesen Vorgang bezeichnet man als Decarboxylierung. Dabei entsteht Hydroxyethyl-TPP.

Es folgt eine Katalyse dieses Hydroxyethyl-TPP durch die sogenannte Pyruvat-Dehydrogenase-Komponente, eine Untereinheit des Pyruvatdehydrogenase-Enzymkomplexes. Die danach verbleibende Acetylgruppe wird mittels Katalyse durch die Dihydrolipoyl-Transacetylase auf das Conenzym A übertragen. Dadurch entsteht Acetyl-CoA, welches im folgenden Citratzyklus benötigt wird. Für einen ungestörten Ablauf dieser Reaktion ist ein Multienzymkomplex aus den Enzymen Decarboxylase, Oxidoreduktase und Dehydrogenase erforderlich.

Funktion & Aufgabe

Die oxidative Decarboxylierung ist ein unverzichtbarer Bestandteil der inneren Atmung und dient somit ebenso wie die Glykolyse, der Citratzyklus und die Endoxidation in der Atmungskette der Energiegewinnung in den Zellen. Dafür nehmen die Zellen Glukose auf und bauen sie im Rahmen der Glykolyse ab. In zehn Schritten werden aus einem Glukosemolekül zwei Pyruvate gewonnen. Diese sind Voraussetzung für die oxidative Decarboxylierung.

Zwar werden auch schon bei der Glykolyse und bei der oxidativen Decarboxylierung ATP-Moleküle gewonnen, allerdings deutlich weniger als beim nun folgenden Citratzyklus. Im Grunde findet in den Zellen während des Citratzykluses eine Knallgasreaktion statt. Wasserstoff und Sauerstoff reagieren miteinander und unter Freisetzung von Kohlenstoffdioxid und Wasser wird Energie in Form von ATP erzeugt. Pro Runde eines Citratzykluses können etwa zehn ATP-Moleküle synthetisiert werden.

ATP ist als universeller Energieträger für den Menschen lebensnotwendig. Das Energiemolekül ist die Voraussetzung für alle Reaktionen im menschlichen Körper. Nervenimpulse, Muskelbewegungen, die Produktion von Hormonen, all diese Vorgänge benötigen ATP. So bildet der Körper pro Tag etwa 65 kg ATP, um den Energiebedarf zu decken.

Prinzipiell kann ATP auch ohne Sauerstoff und damit ohne die oxidative Decarboxylierung gewonnen werden. Dieser anaerob-lactacide Stoffwechsel ist allerdings deutlich weniger ergiebig als der aerobe Stoffwechsel und führt zudem zur Bildung von Milchsäure. Bei starker und länger andauernder Belastung kann dies zu einer Übersäuerung und Übermüdung des betroffenen Muskels führen.


Krankheiten & Beschwerden

Eine Erkrankung, die durch eine Störung bei der oxidativen Decarboxylierung verursacht wird, ist die Ahornsirupkrankheit. Hier liegt die Störung nicht beim Abbau der Glukose, sondern beim Abbau der Aminosäuren Leucin, Isoleucin und Valin vor. Die Erkrankung wird vererbt und zeigt sich oft schon direkt nach der Geburt. Die betroffenen Neugeborenen leiden unter Erbrechen, Atemstörungen bis hin zum Atemstillstand, Lethargie oder Koma. Typisch sind auch schrilles Schreien, Krämpfe und ein zu hoher Blutzuckerspiegel. Durch den fehlerhaften Abbau der Aminosäuren entsteht die sogenannte 2-Keto-3-Methylvaleriansäure. Diese verleiht dem Urin und dem Schweiß der Kinder den charakteristischen Duft nach Ahornsirup, der der Krankheit zu ihrem Namen verholfen hat. Unbehandelt führt die Erkrankung schnell zum Tod.

Bei der oxidativen Decarboxylierung spielt, wie bereits angedeutet, das Vitamin B1 (Thiamin) eine wichtige Rolle. Ohne Thiamin ist die Decarboxylierung von Pyruvat unter Bildung von Acetyl-CoA nicht möglich. Ein schwerer B1-Mangel ist Ursache der Beriberi-Krankheit. Diese trat früher vor allem auf Plantagen oder in Gefängnissen in Ostasien auf, wo sich die Menschen hauptsächlich von geschältem und poliertem Reis ernährten, denn Vitamin B1 findet sich nur in den Schalen der Reiskörner.

Durch den Mangel an Thiamin und die damit verbundene Hemmung der oxidativen Decarboxylierung kommt es bei der Beriberi-Krankheit vor allem zu Störungen in Geweben, die einen hohen Energieumsatz haben. Dazu gehören die Skelettmuskulatur, der Herzmuskel und das Nervensystem. Die Erkrankung äußert sich in Form von Apathie, Nervenlähmungen, Herzvergrößerungen, Herzinsuffizienz und Ödemen.

Eine weitere Erkrankung, bei der die oxidative Decarboxylierung gestört ist, ist die Glutarazidurie Typ I. Es handelt sich dabei um eine eher seltene Erbkrankheit. Die Betroffenen sind zunächst über längere Zeit ohne Symptome. Die ersten Symptome zeigen sich dann im Rahmen einer katabolen Krise. Es kommt zu schweren Bewegungsstörungen. Der Rumpf ist instabil. Begleitend kann Fieber auftreten.

Frühsymptom der Glutarazidurie Typ I ist eine Makrozephalie, also ein überdurchschnittlich großer Schädel. Sobald die ersten Symptome aufgetreten sind, verläuft die Erkrankung rasch fortschreitend. Frühzeitig diagnostizierte Kinder haben jedoch eine erfolgversprechende Prognose und entwickeln sich unter Behandlung in der Regel gut. Häufig wird die Erkrankung jedoch als Enzephalitis, also als eine Entzündung des Gehirns, fehlgedeutet.

Die Diagnose Glutarazidurie Typ I lässt sich recht einfach mittels Urinanalyse stellen. Allerdings ist die Erkrankung selten, sodass die Symptome oft fehlinterpretiert werden und eine Untersuchung auf die Krankheit zunächst nicht erfolgt.

Quellen

  • Alberts, B., u. a.: Molekularbiologie der Zelle. 4. Auflage. Wiley-VCH., Weinheim 2003
  • Clark, D.P.: Molecular Biology: Das Original mit Übersetzungshilfen. Spektrum Akademischer Verlag., Heidelberg 2006
  • Schartl, M., Biochemie und Molekularbiologie des Menschen. 1. Auflage, Urban & Fischer Verlag, München 2009

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