Perzept

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 13. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Ein Perzept ist das Resultat der Wahrnehmung ohne die Interpretation. Jeder Mensch nimmt die Reize aus der Realität gefiltert wahr und formt so subjektive Perzepte von der objektiven Realität. Bei Erkrankungen wie Paranoia, Anorexie oder Depression liegt durch die persönlichen Filter eine Verzerrung der Wahrnehmung vor.

Inhaltsverzeichnis

Was ist ein Perzept?

Ein Perzept ist das Resultat der Wahrnehmung ohne die Interpretation. Jeder Mensch nimmt die Reize aus der Realität gefiltert wahr und formt so subjektive Perzepte von der objektiven Realität.

Der Mensch nimmt die Realität mit seinen Sinnen wahr. Er besitzt dazu verschiedene Systeme der Wahrnehmung: den Sehsinn, den Hörsinn, die Tiefensensibilität, den Geschmackssinn, den Geruchssinn, den vestibulären Sinn und den Tastsinn. Einige dieser Sinne sind interozeptive Sinne, die vor allem Reize aus dem eigenen Körper aufnehmen. Die Hauptaufgabe der Sinnessysteme ist allerdings eine exterozeptive. So geben die Sinne dem Menschen ein Bild von Situationen und der Umwelt, in der er sich dank der Wahrnehmung angemessen bewegt.

Permanent strömen unzählbare Reize auf den Menschen ein. Nicht alle dieser Reize erreichen sein Bewusstsein. Die einzelnen Wahrnehmungssysteme filtern eintreffende Reize nach Relevanz aus der Wahrnehmung aus. Das Ergebnis einer Wahrnehmung wird von der Medizin als Perzept bezeichnet und entspricht dem gefilterten Reizprodukt, das die Schwelle zum Bewusstsein überwindet.

Zwischen einem Perzept und der tatsächlichen Situation im Sinne der ungefilterten Wahrnehmung bestehen immer Unterschiede. Was das menschliche Bewusstsein als Perzept erreicht, ist also niemals die objektive Realität. Perzepte unterscheiden sich von distalen Reizen, die einem physikalisch-chemischen Wahrnehmungsgegenstand entsprechen. Auch der proximal Reiz ist von Perzepten zu unterscheiden, der einem Abbild des Gegenstandes oder seiner Teile in den Rezeptoren entspricht.

Funktion & Aufgabe

Die Perzeption entspricht der sinnlichen Wahrnehmung eines Objekts oder Subjekts. Das bewusste Erfassen und die ebenso bewusste Identifizierung beinhaltet die Perzeption nicht. Erkennung und Identifizierung schließen sich erst an die Perzeption an. Das Perzept entspricht also den Reizen, die das Gehirn erreichen und kann beispielsweise einem schwarzen Fleck auf weißem Untergrund entsprechen. Erst nach den Prozessen der Wahrnehmungsverarbeitung, wie der Kombination und der Summation wird das Perzept erkannt und beispielsweise als Kaffee-Fleck auf einem T-Shirt erkannt.

Die Perzeption beinhaltet neben dem rein subjektiven Perzept die neurophysiologischen Prozesse der Sinneswahrnehmung, die diesem Perzept zugrunde liegen. In diesem Zusammenhang kann die Perzeption beispielsweise das Eintreffen von Reizen auf die Sinneszellen des Wahrnehmungsapparats, die Umwandlung dieser Reize in bioelektrische Erregung und die Wanderung der Reize ins zentrale Nervensystem beinhalten.

Perzepte sind das Ergebnis aus Filterprozessen, die der Wahrnehmungsapparat als Schutz vor Reizüberflutung vornimmt. Kein Mensch nimmt so die Objektive Realität wahr. Jedes Ergebnis eines Wahrnehmungsprozesses ist ein subjektives und wird von Filtern wie der persönlichen Erfahrung, der Gefühlswelt, dem situativen Kontext und der Sozialisation des Individuums bestimmt. Perzepte sind situativ immer relevant, das heißt, sie haben kontextbezogene Wichtigkeit.

Ebenso geprägt sind die menschlichen Wahrnehmungsfilter von Einstellungen, Werten, Interessen und Erlebnissen des Menschen. So enthält das Perzept von einer bestimmten Situation zum Beispiel eher Eindrücke, die eine vorgefestigte Meinung bestätigen, als solche, die der vorgefestigten Meinung oder Erwartung von einer Situation entgegen stehen.

Die persönlichen Interessen lenken derweil die Aufmerksamkeit des Menschen und beeinflussen seine Perzepte insofern. Wer gerade ein Kind bekommen hat, sieht auf der Straße mehr Kinder als vor der Geburt des eigenen. Dieser Zusammenhang zeigt, wie stark die eigenen Erlebnisse an den Filterprozessen der Wahrnehmung beteiligt sind und damit die Perzepte des einzelnen prägen. Perzepte sind immer eigens erfahrene, subjektiv erlebte und bewusst wahrgenommene Resultat aus einem Filterprozess eingehender Wahrnehmungsreize. Damit gehen zwei Personen zwingend mit unterschiedlichen Perzepten aus ein und derselben Situation heraus.


Krankheiten & Beschwerden

Perzepte sind immer subjektive Verzerrungen der Realität. Je nachdem, was der Einzelne in der Vergangenheit erlebt hat, können seine Perzepte auch absurde Ausmaße annehmen und für Außenstehende bewusst als Verzerrungen erkennbar werden. Das ist zum Beispiel bei Selbstbild-Erkrankungen wie der Anorexie der Fall, bei der sich die Betroffenen als übergewichtig wahrnehmen, obwohl sie objektiv betrachtet bereits deutlich unterernährt sind.

An abnormal verzerrter Wahrnehmung leiden auch Menschen mit Paranoia. Diese Erkrankung entspricht einer psychischen Störung mit Wahnbildung, wie Verfolgungsängsten oder Verfolgungswahn. Patienten der Paranoia leiden an einer verzerrten Wahrnehmung von ihrer Umgebung, die als feindselig und im Extremfall sogar als bösartig eingeschätzt wird. Die Folge einer Paranoia ist eine ängstlich bis aggressiv misstrauische Haltung. Oft glauben die Patienten an eine Verschwörung gegen die eigene Person.

Paranoide Reaktionen können von neurotischer Natur sein, aber auch bis hin zu schwer psychotischen Formen reichen. Neurotische paranoide Persönlichkeiten sind übertrieben empfindlich in Bezug auf Zurückweisungen. Sie sind sehr kränkbar und begegnen ihrer Umwelt mit großem Misstrauen.

Auch Menschen mit Depressionen leiden an einer Wahrnehmungsverzerrung mit höchst negativen Auswirkungen. Oft gehen sie davon aus, von niemanden gemocht werden zu können oder Versager zu sein. Diese Überzeugungen schlagen sich in ihren Wahrnehmungsfiltern nieder und lassen sie umso mehr Perzepte formen, die ihre Überzeugungen bestätigen. Stark negativ geprägte Denkmuster werden von Medizinern als dysfunktional bezeichnet und führen praktisch in jedem Fall zu negativen Verzerrungen der Realität.

Quellen

  • Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Berlin 2007
  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • Mattle, H., Mumenthaler, M.: Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013

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