Rubinstein-Taybi-Syndrom
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 8. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Als Rubinstein-Taybi-Syndrom wird eine genetische Erkrankung bezeichnet. Dabei kommt es zu unterschiedlichen geistigen und körperlichen Beeinträchtigungen.
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Was ist das Rubinstein-Taybi-Syndrom?
Das Rubinstein-Taybi-Syndrom (RTS) zählt zu den genetisch bedingten Erkrankungen. Die Betroffenen leiden unter physischen Missbildungen sowie moderaten geistigen Behinderungen. RTS wird durch Abnormalitäten der Chromosomen 16 und 22 hervorgerufen.
Die erste Beschreibung des Syndroms fand im Jahr 1957 im Rahmen einer Studie statt. Die Bezeichnung Rubinstein-Taybi-Syndrom ist auf die Ärzte Jack Herbert Rubinstein und Hooshang Taybi zurückzuführen. Die beiden Mediziner veröffentlichten 1963 eine ausführliche Studie über die Krankheit. Die Häufigkeit des Rubinstein-Taybi-Syndroms beträgt 1:120.000.
Allerdings fallen die Angaben über die Erkrankung in der Literatur recht unterschiedlich aus, weil bis in die 80er Jahre nur Studien an Kindern erfolgten, die in Wohnheimen lebten. Darüber hinaus werden längst nicht alle Fälle des Rubinstein-Taybi-Syndroms festgestellt. Nicht selten findet die Diagnose erst bei Jugendlichen statt. Außerdem umfasst die Symptomatik des Syndroms mehrere Varianten. Ferner bestehen bei manchen Kindern nur schwach ausgeprägte geistige Behinderungen und es liegen keine typischen Gesichtszüge vor.
Ursachen
Einen bedeutenden Aspekt des Defekts stellt eine Synthesestörung des sogenannten CREB-Bindungsproteins dar. Dieses wirkt als Transkriptionsfaktor oder Koaktivator in phosphorylierter Form auf die cAMP-regulierte Genexpression. Allerdings liegen noch keine präzisen Fakten zur Pathogenese vor.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Zu den typischen Erscheinungen des Rubinstein-Taybi-Syndroms gehören geistige Behinderungen, die individuell unterschiedlich stark ausgeprägt sind. Bei den Betroffenen liegt meist ein Intelligenzquotient unter einem Wert von 50 vor. Dabei kann sich die IQ-Spanne von 17 bis 90 erstrecken.
Weitere Charakteristika der genetischen Erkrankung sind physische Merkmale, die sich nach der Geburt trotz normaler Schwangerschaft zeigen. So fällt bei den meisten Erkrankten der Kopf verhältnismäßig klein aus. Der Abstand der Augen ist breit und die Augenbrauen hoch und schwer. Darüber hinaus leiden die Patienten unter Brechungsfehlern und Schielen. Zur Korrektur ist in der Regel das Tragen einer Brille erforderlich.
Eine andere körperliche Auffälligkeit ist das Verlängern des Nasenstegs in die untere Richtung. Manche Kinder weisen zudem auf ihrer Stirn seit ihrer Geburt ein rötliches Mal auf. Die Ohren haben nicht selten eine abnorme Form und liegen tief. Ebenso können die Zähne der Patienten in Mitleidenschaft gezogen werden.
So besteht bei vielen von ihnen eine Prämolarisation von Schneide- und Eckzähnen, was sich in Form von Krallenhöckern bemerkbar macht. Nicht selten ist auch der Gaumen zu hoch und zu schmal angelegt. Die vom Rubinstein-Taybi-Syndrom betroffenen Personen weisen eine kleinwüchsige Statur auf. Außerdem ist die Wirbelsäule verbogen, es bestehen Anomalien der Wirbel sowie eine Schiefstellung der Hüfte.
Die Gelenke haben zum Teil eine erhöhte Dehnbarkeit und der Gang leidet unter Unsicherheiten. Als weitere besondere Auffälligkeiten gelten das Abknicken von Daumen und großen Fußzehen sowie eine verstärkte Behaarung des Körpers. Die feinmotorischen Funktionen werden weniger intensiv in Mitleidenschaft gezogen.
Doch machen breitere Daumen das differenzierte Halten von Gegenständen schwieriger. Auch an den inneren Organen sind Missbildungen möglich. Dazu gehören eine Nierenagenesie (Hemmungsfehlbildung), Wassersacknieren oder ein Herzfehler wie ein Ductus arteriosus persistens, eine Pulmonalstenose sowie ein Ventrikelseptumdefekt.
Darüber hinaus zeigt sich auch das Verhalten der betroffenen Kinder durch das Rubinstein-Taybi-Syndrom auffällig. So sind sie bereits im Babyalter schwer zu füttern, zeigen sich unruhig und leiden häufig unter grippalen Infekten. Ferner kommt es zu Störungen der Sprachentwicklung, die deutlich langsamer verläuft. Ältere Kinder fallen oft durch Ängstlichkeit auf.
Diagnose & Krankheitsverlauf
Die Diagnose des Rubinstein-Taybi-Syndroms gilt als unkompliziert, was auf die typischen Symptome zurückzuführen ist. Mithilfe von bildgebenden Verfahren lassen sich strukturelle Anomalien am Gehirn feststellen. Weitere Funktionsstörungen können durch neurophysiologische Verfahren wie zum Beispiel eine Elektroenzephalographie diagnostiziert werden.
Mithilfe einer molekulargenetischen Untersuchung ist in einigen Fällen auch der Nachweis einer Deletion am Chromosom 16 möglich. Von Wichtigkeit sind außerdem Differentialdiagnosen zum Mowat-Wilson-Syndrom sowie zum Floating-Harbor-Syndrom. In den meisten Fällen nimmt das Rubinstein-Taybi-Syndrom keinen ungünstigen Verlauf.
Allerdings kann sich die Lebenserwartung der Patienten aufgrund von chronischen Nierenkrankheiten oder Herzfehlern verringern. In manchen Fällen sind auch Komplikationen im Bereich des Möglichen.
Komplikationen
Der Kopf der Betroffenen ist sehr klein und es treten verschiedene Fehlbildungen im Gesicht auf. Dadurch kann es vor allem bei Kindern oder Jugendlichen zu Mobbing oder zu Hänseleien kommen. In den meisten Fällen sind die Betroffenen kleinwüchsig und leiden an einem verunsicherten Gang. Auch die Motorik ist dabei deutlich beeinflusst.
Das Rubinstein-Taybi-Syndrom kann auch zu Missbildungen an den inneren Organen führen, sodass die Patienten eventuell eine geringere Lebenserwartung aufweisen und auf regelmäßige Kontrollen in ihrem Leben angewiesen sind. Eine Behandlung ist nur symptomatisch möglich, wobei diese nicht zu besonderen Komplikationen führt. In der Regel können viele Beschwerden eingeschränkt werden. Der Patient ist in seinem Leben allerdings immer auf die Hilfe anderer Menschen angewiesen.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Das Rubinstein-Taybi-Syndrom muss immer durch einen Arzt behandelt werden. Es handelt sich dabei um eine genetisch bedingte Erkrankung, die daher auch nur symptomatisch und nicht kausal behandelt werden kann. Eine vollständige Heilung ist daher nicht möglich. Im Falle eines Kinderwunsches sollte der Betroffene eine genetische Beratung durchführen lasse, um das Vererben des Syndroms zu vermeiden. In der Regel ist ein Arzt beim Rubinstein-Taybi-Syndrom dann aufzusuchen, wenn der Betroffene an einer verringerten Intelligenz leidet. Dabei wirkt auch der Kopf des Betroffenen klein im Verhältnis zum gesamten Körper.
Auch ein Kleinwuchs kann auf das Rubinstein-Taybi-Syndrom hinweisen und sollte durch einen Arzt untersucht werden. Beim Gang kommt es zu Unsicherheiten. Da das Rubinstein-Taybi-Syndrom auch zu Herzfehlern führen kann, sollte sich der Betroffene regelmäßigen Untersuchungen der inneren Organe unterziehen, um Komplikationen zu vermeiden. Die erste Diagnose des Syndroms kann durch einen Allgemeinarzt oder einen Kinderarzt erfolgen. Die weitere Behandlung findet dann durch einen Facharzt statt.
Behandlung & Therapie
Die Ursachen des Rubinstein-Taybi-Syndroms zu behandeln, ist nicht möglich. Stattdessen erfolgt der Versuch, die Symptome positiv zu beeinflussen und die Entwicklung des Kindes so früh wie möglich zu unterstützen. Wichtige Leitsäulen der Therapie bilden die Frühförderung, die Ergotherapie, physiotherapeutische Übungen sowie logopädische Programme.
Zu den wichtigen Faktoren gehört ferner, die Kinder nicht mit Reizen zu überfluten, ihnen Vertrauen entgegenzubringen und für sozialen Rückhalt zu sorgen. Außerdem sollten die Patienten über strukturierte Tagesabläufe verfügen und ihre motorischen Fähigkeiten gefördert werden.
Einen weiteren bedeutenden Aspekt stellt das Befriedigen der emotionalen Bedürfnisse der erkrankten Kinder dar. Zeigt sich das Rubinstein-Taybi-Syndrom mehrfach innerhalb der Familie, muss eine genetische Beratung stattfinden.
Vorbeugung
Das Rubinstein-Taybi-Syndrom zählt zu den angeborenen genetischen Erkrankungen. Ihm vorzubeugen ist deshalb nicht möglich.
Nachsorge
Das Rubinstein-Taybi-Syndrom (RTS) wird durch eine genetische Veränderung verursacht, es zählt somit zu den angeborenen Behinderungen. In der Regel wird die Diagnose bereits im frühen Kindesalter gestellt, das Syndrom begleitet den Betroffenen ein Leben lang. Die Lebenserwartung liegt gar nicht oder nur leicht unter dem Durchschnitt. Sind schwere Herzfehler vorhanden, ist sie hingegen geringer als bei anderen Patienten.
Eine Nachsorge ist sinnvoll, um den Betroffenen entsprechend fördern zu können. Ziel ist ein Herausbilden der jeweiligen Fähigkeiten sowie ein angemessener, alltäglicher Umgang mit der Krankheit. Für erwachsene Patienten ist aufgrund des verringerten IQs eine Arbeit in herkömmlichen Betrieben nicht möglich, sie können aber in entsprechenden Einrichtungen beschäftigt werden. Solche Maßnahmen sind Teil der Nachsorge.
Die individuellen Fähigkeiten müssen sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern mit RTS berücksichtigt werden. Angeborene Herzerkrankungen bedürfen in der Regel einer operativen Behandlung. In diesem Fall beinhaltet die Nachsorge zudem die Betreuung in der Klinik, anschließende Kontrolltermine beim Facharzt geben Aufschluss über den Erfolg. Orthopädische Auffälligkeiten sind nicht chirurgisch behandelbar, sondern werden mit regelmäßigen Übungen therapiert.
Das können Sie selbst tun
Die genetische Erkrankung stellt für den Betroffenen, aber auch für die Angehörigen eine Herausforderung bei der Alltagsbewältigung dar. Da es zu körperlichen wie auch geistigen Beeinträchtigungen kommt, muss häufig der gesamte Tagesablauf nach den Möglichkeiten und Bedürfnissen des Patienten ausgerichtet werden.
Zur Vermeidung von Überforderungen sollten Eltern überlegen, ob sie selbst eine psychotherapeutische Hilfe in Anspruch nehmen möchten. Die Gestaltung der Freizeitaktivitäten und die Erfüllung täglicher Aufgaben ist sehr an den Behandlungsplan des Patienten orientiert. Zur Verbesserung der Lebensqualität ist neben einer gesunden und ausgewogenen Ernährung auch eine optimale Freizeitgestaltung besonders wichtig. Diese sollte die Lebensfreude aller Beteiligten fördern. Auszeiten der Eltern sind dabei ebenso wichtig, wie das Verbringen von gemeinsamen Aktivitäten. Die Lernprozesse sind an die geistigen Möglichkeiten des Patienten auszurichten. Überforderungen oder die Ausübung von Druck sollten vermieden werden.
So früh wie möglich sollte das Kind über seine Erkrankung, den weiteren Verlauf sowie die Herausforderungen informiert werden. Eine Frühförderung ist besonders wichtig, um die Möglichkeiten der Mobilität zu verbessern. Dort ausgeführte Trainingseinheiten können im Anschluss auch im häuslichen Bereich weitergeführt werden. Ein stabiles soziales Umfeld sowie gut strukturierte Tagesabläufe sind für die Patienten besonders wichtig. Hektik, Stress und Konflikte sollten unterlassen werden.
Quellen
- Murken, J., Grimm, T., Holinski-Feder, E., Zerres, K. (Hrsg.): Taschenlehrbuch Humangenetik. Thieme, Stuttgart 2011
- Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
- Witkowski R., Prokop O., Ullrich E.: Lexikon der Syndrome und Fehlbildungen. Springer, Berlin 2003