Smith-Lemli-Opitz-Syndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 20. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Das Smith-Lemli-Opitz-Syndrom ist ein kogenitales Fehlbildungssyndrom. Die Ursache ist eine von insgesamt 70 Genmutation auf Chromosom 11q13.4. Die Erkrankung ist autosomal-rezessiv vererbbar und ist eine äußerst seltene Krankheit mit multiplen Organmissbildungen und gestörter Cholesterin-Biosynthese.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Smith-Lemli-Opitz-Syndrom?

Die Ursache für das Smith-Lemli-Opitz-Syndrom ist eine Genmutation, die im Jahr 1998 näher lokalisiert wurde. Mittlerweile gilt das Chromosom 11q13.4 als Ort der Mutation, wobei bis heute mehr als 70 verschiedene Mutationen dieser Lokalisation bekannt sind.
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Das Smith-Lemli-Opitz-Syndrom fällt in die Gruppe der autosomal-rezessiv vererbbaren Fehlbildungssyndrome. Eine Genmutation ruft bei der Erkrankung eine Stoffwechselstörung in der Biosynthese des Cholesterins hervor. Bei dem Syndrom handelt es sich um die verbreiteteste kogenitale Störung der Cholesterin-Biosynthese. Die Prävalenz der Erkrankung beträgt in Europa zwischen etwa 1:60.000 und 1:10.000.

Damit ist die Krankheit den seltenen Krankheiten zuzurechnen, obwohl die zu den häufigsten kogenitalen der cholesterinergen Biosynthese zählt. Auf den Kontinenten Asien und Afrika ist das Syndrom noch seltener vor. Erstmals beschrieben wurde die Erkrankung 1964. Unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten dokumentierten die Genetiker D. W. Smith, L. Lemli und J. Marius Opitz damals den Symptomkomplex. Seitdem wurde von etwas mehr als 300 Fällen berichtet.

Jungen sind häufiger betroffen als Mädchen. Vermutlich ist die Symptomatik bei Mädchen leichter ausgeprägt und daher schwerer zu diagnostizieren. Die Krankheit ist angeboren, aber entwickelt sich ab der Geburt fortschreitend weiter und ist daher von verschiedenen Verlaufsformen geprägt. Das Syndrom wird abhängig von der Symptomatik in Typ I und II unterschieden.

Ursachen

Die Ursache für das Smith-Lemli-Opitz-Syndrom ist eine Genmutation, die im Jahr 1998 näher lokalisiert wurde. Mittlerweile gilt das Chromosom 11q13.4 als Ort der Mutation, wobei bis heute mehr als 70 verschiedene Mutationen dieser Lokalisation bekannt sind. Die Art der ursächlichen Mutation bestimmt im Einzelfall die Schwere und Art der Symptomatik. Das betreffende Gen ist das 7-Sterolreduktase-Gens. S. Tint entdeckte gemeinsam mit seinen Kollegen, dass das Syndrom die körpereigene Produktion des Cholesterins nicht zulässt.

Diese Produktion beinhaltet die Umwandlung des Vorläufers 7-Dehydrocholesterol in körpereigenes Cholesterin, die wegen eines Enzymdefekts in Folge der Mutation nicht funktionieren kann. Im Organismus der Betroffenen liegt daher ein Überschuss an 7-Dehydrocholesterol vor. Zur selben Zeit besteht ein allgemeines Defizit an Cholesterin. Wegen des autosomal-rezessiven Erbgangs des Syndroms müssen beide Eltern das fehlerhafte Gen tragen und können es nur so an ein Kind weitergeben. Mit einer 25-prozentigen Wahrscheinlichkeit sind auch die nachfolgenden Kinder von Elternpaaren mit einem erkrankten Kind von dem Fehlbildungssyndrom betroffen.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Kinder mit dem Smith-Lemli-Opitz-Syndrom kommen mit typischen, kraniofazialen Fehlbildungen auf die Welt, so vor allem mit einer Mikrozephalie, einer prominent hervortretenden Stirn und einer kleinen Nase mit breiter Nasenwurzel. Neben einem antevertierten Nares liegt Mikrogenie vor. Auch eine Gaumenspalte und Trübungen der Linse sind oft zu beobachten, so vor allem Katarakt und Grauer Star.

Zusätzlich liegt eine Blepharoptose vor. Mental und zerebral stellen sich im Verlauf Fehlentwicklungen ein, die eine geistige Behinderung zur Folge haben. Auch Holoprosenzephalie und Irritabilität können das Krankheitsbild prägen. Neben selbstverletzendem Verhalten kann das Syndrom autistisches Verhalten hervorrufen. Zusätzlich liegen multiple Organfehlbildungen vor, so vor allem solche des Herzens und des Urogenitaltrakts.

Hypospadie und Kryptorchismus sind die häufigsten urogenitalen Fehlbildungen. Neben überzähligen Finger oder Zehen kann eine Syndaktylie der Zehen vorliegen. Ebenso relevant sind im Rahmen des Symptomkomplexes Muskelhypotonien, Schluckstörungen und der gastroösophageale Reflux. Intestinale Dysmotilität und Pylorusstenose sind ebenso oft zu beobachten. Beim Typ II des Syndroms liegt Pseudo-Hermaphroditismus vor, bei der die äußeren Genitalien weiblich sind, obwohl der ein männlicher Karotyp vorherrscht.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Ultraschalluntersuchungen können als Pränataldiagnostik noch vor der Geburt die typisch körperlichen Merkmale des Smith-Lemli-Opitz-Syndroms festhalten. Neben einem Wachstumsrückstand kann zum Beispiel ein Herzfehler oder das Fehlen einer Niere auffallen. Bei der Fruchtwasseruntersuchung erbringt die Mutationsanalyse gegebenenfalls bereits ein diagnosesicherndes Ergebnis.

Die Kinder besitzen nach der Geburt eine charakteristische Gesichtsform und besondere Stellungen der Extremitäten, sodass die Verdachtsdiagnose bei gescheiterter Pränataldiagnostik per Blickdiagnose gestellt werden kann. Die Gendiagnostik sichert den Verdacht. Differentialdiagnostisch sind vom Smith-Lemli-Opitz-Syndrom das fetale Alkoholsyndrom, das Pallister-Hall-Syndrom, das Kaufmann-McKusick-Syndrom und das Cornelia-de-Lange-Syndrom zu unterscheiden.

Auch das Pätau-Syndrom, das ATR-X-Syndrom und das C-Syndrom, das Zellweger-Syndrom und das Hydrolethalus-Syndrom sind differentialdiagnostisch zu bedenken. Dasselbe gilt für das Oro-Faziales-Digitales Syndrom, das Holoprosencephalie-Polydaktylie-Syndrom und das Meckel-Syndrom. Die Lebenserwartung der Kinder ist von der Cholesterinkonzentration und der Behandelbarkeit der Organfehlbildungen abhängig. Niedrige Cholesterinwerten und schwersten Fehlbildungen machen einen baldig letalen Verlauf wahrscheinlich. Kinder mit hohen Cholesterinwerten und gut behandelbaren Fehlbildungen haben keine stark beeinträchtige Lebenserwartung.

Komplikationen

Aufgrund des Smith-Lemli-Opitz-Syndroms leiden die Betroffenen an unterschiedlichen Fehlbildungen und Missbildungen. Diese wirken sich sehr negativ auf die Lebensqualität des Patienten aus. Vor allem die inneren Organe sind dabei von den Fehlbildungen betroffen, sodass es schon direkt nach der Geburt häufig zum Tode kommen kann. Weiterhin leiden die meisten Patienten an einer Gaumenspalte und ebenso an Augenbeschwerden.

Weiterhin führt dieses Syndrom häufig zu geistigen Behinderungen und damit zu einer geistigen Retardierung. Die meisten Patienten sind in ihrem Leben damit auf die Hilfe anderer Menschen angewiesen und können viele Dinge des Alltages nicht mehr alleine meistern. Auch das Herz ist dabei von den Fehlbildungen betroffen, sodass es zu einem plötzlichen Herztod kommen kann. Weiterhin betrifft das Smith-Lemli-Opitz-Syndrom auch die Genitalien, sodass es auch an diesen zu Fehlbildungen kommen kann.

Die Behandlung des Smith-Lemli-Opitz-Syndroms kann in der Regel nur symptomatisch erfolgen. Dabei treten keine Komplikationen auf und einige der Beschwerden können dadurch eingeschränkt werden. Ein vollständig positiver Krankheitsverlauf kann allerdings nicht erreicht werden. Ob die Lebenserwartung eingeschränkt ist, kann nicht universell vorausgesagt werden.

Behandlung & Therapie

Für Patienten des Smith-Lemli-Opitz-Syndroms ist eine lebenslang soziale und ärztliche Betreuung oft unausweichlich. Ihre Entwicklung ist in aller Regel stark verzögert, was den kognitiven und motorischen Bereich betrifft. Daraus ergibt sich in fast allen Fällen eine lebenslang bestehende Behinderung, die keine unabhängige Lebensführung zulässt. Daher erfolgt vor allem eine supportive Behandlung.

Die Eltern werden im Rahmen dieser Maßnahmen psychotherapeutisch unterstützt und lernen so idealerweise, mit der Krankheit ihres Kindes umzugehen. Das Smith-Lemli-Opitz-Syndrom ist nicht heilbar und daher auch nicht ursächlich behandelbar. Da eine Störung des Cholesterinstoffwechsels für das Syndrom dokumentiert wurde, ist allerdings eine symptomatische Behandlung zur Kompensation des Cholesterinmangels möglich. Diese Behandlung erfolgt durch Cholesteringabe.

Die meist zahlreichen Fehlbildungen der Organe müssen operativ korrigiert werden, soweit das im Bereich des Möglichen liegt. Eine Ausnahme hierzu bildet die häufig dokumentierte Mehrgliedrigkeit der Finger und Zehen, die nicht zwingend eine chirurgische Intervention erfordert. Auch Begleitsymptome wie Sehschwierigkeiten lassen sich heute gut behandeln und lindern.

Ein Großteil der Betroffenen leidet an Ernährungsprobleme wie Saug- und Schluckschwierigkeiten oder dem gastroösophagealen Reflux und gestörter Magen-Darm-Peristaltik. Daher muss oft auf eine Magensonde zurückgegriffen werden, um die sichere Nahrungsaufnahme abzusichern. Verhaltensauffälligkeiten können unter Umständen in einer Verhaltenstherapie behandelt werden.


Vorbeugung

Eltern erhalten nach einer positiven Pränataldiagnostik auf das Smith-Lemli-Opitz-Syndrom die Möglichkeit zum Schwangerschaftsabbruch. Anderweitig lässt sich dem Smith-Lemli-Opitz-Syndrom nur vorbeugen, wenn Paare in der Familienplanung eine molekulargenetische Diagnostik vornehmen lassen und sich nach einem erbrachten Nachweis über die Mutation gegen eigene Kinder entscheiden.

Nachsorge

Die Nachsorgemaßnahmen beim Smith-Lemli-Opitz-Syndrom (SLOS) orientieren sich am Schweregrad der im Verlauf der Erkrankung auftretenden Symptome. In der Mehrzahl der Krankheitsfälle haben die Kinder Ernährungsprobleme. Sie gedeihen schlecht. Im Mittelpunkt der Nachsorge stehen daher zuerst die ausreichende Ernährung der betroffenen Kinder mittels nasogastral zugeführten hochkalorischen Flüssignahrungen und die Gabe von genügend Cholesterin.

Der weitere Krankheitsverlauf zeigt zudem mehrzählig bei den betroffenen Kindern eine Unterentwicklung des Gehirns. Diese Unterentwicklung führt in der Regel zu einer körperlichen beziehungsweise geistigen Behinderung mit unterschiedlichen Schweregraden. Nicht alle betroffenen Kinder zum Beispiel erlernen das Laufen. Zum Ausgleich der eingeschränkten Mobilität sind in diesem Fall als Nachsorgemaßnahme Hilfen für die Bewegung im Alltag (zum Beispiel Rollstuhl, Geh- und Stehhilfen) vorgesehen.

Bei geistigen Symptomen wie Autoaggression und Hyperaktivität wird als Nachsorgemaßnahme die therapeutisch verordnete medikamentöse Behandlung fortgeführt. Zudem manifestiert sich bei circa 50 Prozent aller betroffenen Kinder im weiteren Verlauf der Erkrankung ein mittelschwerer bis schwerer Herzfehler. Nach der Operation des Herzfehlers sind in regelmäßigen Abständen elektrokardiographische (EKG) und sonographische Untersuchungen vorgesehen.

Für die Eltern von Kindern mit SLOS sind ärztlich psychologische Beratungen und Therapien empfohlen. Eher unwahrscheinlich ist die selbstständige Lebensführung im Erwachsenenalter. Bei der Nachsorge des SLOS sind im Erwachsenenalter umfangreiche Pflegemaßnahmen zu erwarten. Darüber hinaus kann durch Organfehlbildungen die Lebenserwartung eingeschränkt sein.

Das können Sie selbst tun

Die Erkrankung ist mit zahlreichen Beschwerden verbunden, die eine starke Einschränkung der Lebensqualität bewirken. Sofern innerhalb der Familie bei einem Mitglied die genetische Erkrankung diagnostiziert wurde, sollte vor der Zeugung von Nachwuchs ein Arzt aufgesucht werden. Mögliche Risiken sollten abgewogen werden, damit besonnene Entscheidungen für alle Beteiligten getroffen werden können. Während der Schwangerschaft ist darüber hinaus an allen angebotenen Kontrolluntersuchungen teilzunehmen.

Sobald die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Kindes wahrgenommen werden, können Eltern und Angehörige entsprechende Vorkehrungen treffen und sich auf die kommenden Entwicklungen besser einstellen. In einer Vielzahl der Fälle führt die Pflege und Betreuung eines Erkrankten des Smith-Lemli-Opitz-Syndroms zu einer enormen Herausforderung für die Angehörigen. Daher sollten diese ihre körperlichen wie emotionalen Grenzen kennen und einhalten. Anzuraten ist die Prüfung einer Inanspruchnahme einer medizinischen Betreuung für den Patienten und parallel einer psychotherapeutischen Begleitung für die Angehörigen. Dadurch können im Umgang mit der Erkrankung häufig Verbesserungen erreicht werden.

Zu berücksichtigen ist, dass für den Patienten eine Stabilität des sozialen Umfeldes wichtig ist. Zudem sollte im Alltag stets Ruhe bewahrt werden wenn Widrigkeiten und Herausforderungen auftreten. Da der Betroffene lebenslang nicht in der Lage für eine eigenständige Lebensgestaltung ist, sollte im Umgang mit ihm eine besondere Empathie herrschen.

Quellen

  • Gortner, L., Meyer, S., Sitzmann, F.C.: Duale Reihe Pädiatrie. Thieme, Stuttgart 2012
  • Kerbl, R. et al.: Checkliste Pädiatrie. Thieme, Stuttgart 2011
  • Witkowski R., Prokop O., Ullrich E.: Lexikon der Syndrome und Fehlbildungen. Springer, Berlin 2003

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