Symmetrisch-tonischer Nackenreflex
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 12. April 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Der symmetrisch-tonische Nackenreflex ist ein frühkindlicher Reflex, der bis zum dritten Lebensmonat physiologisch ist. In der Rückenlage beugt der Untersucher den Kopf des Kindes und stimuliert damit eine reflektorische Bewegung der Arme und Beine. Die Persistenz des Reflexes über die ersten drei Lebensmonate hinaus verweist auf neurologische Störungen.
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Was ist der symmetrisch-tonische Nackenreflex?
Reflexe sind automatische und unwillkürliche Körperantworten auf einen bestimmten Reiz. Säuglinge und Kleinkinder besitzen eine Reihe von Reflexen, die der erwachsene Mensch nicht mehr besitzt. Diese reflektorischen Reizantworten sind als frühkindliche Reflexe bekannt. Im Verlauf der weiteren Reifung entwickeln sich diese Reflexe zurück.
Es kommt erst nach der Geburt zur vollen Ausbildung der zentralen Motoneuronen, die als übergeordnete Steuerinstanz dienen und viele der frühkindlichen Reflexe verschwinden lassen. Einzelne Reflexe aus der Gruppe der frühkindlichen Reflexe treten in bestimmten Lebenswochen oder -monaten auf und bilden sich zu einem ebenso bestimmten Zeitpunkt wieder zurück.
Der symmetrisch-tonische Nackenreflex ist eine reflektorische Bewegung aus der Gruppe der frühkindlichen Reflexe. Er ist bis zum dritten Lebensmonat vorhanden. Davon zu unterscheiden ist der asymmetrisch-tonische Nackenreflex, der sich bereits zwischen der sechsten und siebten Lebenswoche wieder zurückbildet.
Beim symmetrisch-tonischen Nackenreflex entspricht der auslösende Reiz einer Extension oder Flexion des Kopfes, die vom Körper des Kindes mit einer automatischen Flexion oder Extension der Arme und Beine beantwortet wird.
Funktion & Aufgabe
Jeder Reflex baut auf einem sogenannten Reflexbogen auf. Die erste Instanz dieses Reflexbogens ist immer eine Sinneswahrnehmung. Beim Saugreflex entspricht diese Sinneswahrnehmung einer Empfindung der Hautsinneszellen. Über afferente Nervenbahnen wandert die reflexauslösende Wahrnehmung ins zentrale Nervensystem. Im Rückenmark wird die Erregung auf efferente Nervenbahnen umgeschaltet, die aus dem zentralen Nervensystem in die Körperperipherie leiten. Auf diese Weise erreicht die Erregung das Erfolgssystem. Dieses System entspricht dem Muskel, der die reflektorische Bewegung ausführt.
Zur Auslösung des symmetrisch-tonischen Nackenreflexes befindet sich das Kind in Rückenlage. Der Untersuchende bewegt den Kopf des Kindes in eine Flexion, also in Beugung. Die Sinneszellen der Tiefensensibilität melden die Beugung des Kopfes über afferente Nervenbahnen ans zentrale Nervensystem. Dank der Tiefensensibilität ist das Zentralnervensystem permanent über Körperstellungen und Muskelbewegungen informiert.
Die wichtigsten Sinneszellen des Systems sind die Muskelspindel und der Golgi-Sehnenapparat. Das Aktionspotenzial aus der Nervenerregung wird beim symmetrisch-tonischen Nackenreflex auf efferente Nervenbahnen umgeschaltet, die zu den Muskeln der Arme und Beine führen. Sobald die Erregung die Nerven in der Nähe der Muskeln erreicht hat, wird sie über die motorische Endplatte auf die Muskeln selbst übertragen. Die Muskeln der Arme werden so zur Kontraktion angeregt und beugen den Arm. Zur selben Zeit werden die Muskeln der Beine zur Extension angeregt, sodass sich die Beine des Kindes strecken.
Wenn der Untersucher den Kopf des Kindes aus der Beugung zurück in Extension bewegt, wird die umgekehrte Bewegungsantwort ausgelöst. Die Streckung des Kopfes regt also die Arme zur Streckung und die Beine zur Beugung an. Der symmetrisch-tonische Nackenreflex zeichnet sich durch die symmetrische Zusammenarbeit der rechten und linken Körperseite aus.
Sobald das Kind zu krabbeln beginnt, sollte sich der Reflex zurückgebildet haben. Während die reflektorische Muskelarbeit auf einen Nackenbewegungsreiz in den ersten drei Monaten noch Sinn macht, verhindert der Reflex nach dieser Zeit das Krabbeln und das Akkommodations-Training.
Krankheiten & Beschwerden
Während das asymmetrische Vorkommen oder das Fehlen des symmetrisch-tonischen Nackenreflexes in den ersten drei Lebensmonaten auf neurologische Störungen verweist, gilt nach den ersten drei Lebensmonaten die Persistenz des frühkindlichen Reflexes als neurologischer Störungsindikator.
Wenn der Reflex überdauert, können Folgeerscheinungen wie schlechte Körperhaltung und schwache Körperspannung im Sitzen und Stehen die Folge sein. Die Aufmerksamkeit des Kindes ist dadurch gestört. Sitzpositionen können kaum beibehalten werden und erfordern ein hohes Maß an Konzentration.
In Ausnahmefällen kann der symmetrisch-tonische Nackenreflex im späteren Leben eines Patienten plötzlich und unvorhergesehen wieder auftreten. In diesem Kontext ist der Reflex ein Zeichen für Störungen des zentralen Nervensystems.
Möglicherweise ist die übergeordnete Bewegungskontrolle des Betroffenen durch einen pathologischen Prozess beeinträchtigt. Bei derartigen Prozessen kann es sich um unfallbedingte Verletzungen im Nackenbereich handeln. Ebenso können Tumore, Rückenmarksinfarkte, bakterielle oder autoimmunologische Entzündungen und degenerative Erkrankungen des zentralen Nervensystems für einen plötzlich wieder auftretenden symmetrisch-tonischen Nackenreflex verantwortlich sein.
In der Regel reicht der alleinige Nachweis eines persistierenden symmetrisch-tonischen Nackenreflexes nicht aus, um zum Beispiel Schädigungen der übergeordnet kontrollierenden Motorneuronen zu belegen. Ein Nachweis über die Persistenz mehrerer Reflexe aus der Gruppe der frühkindlichen Reflexe ist in diesem Zusammenhang eher aussagekräftig. Die weitere Abklärung beinhaltet vor allem Bildgebungen von Wirbelsäule und Gehirn.
Quellen
- Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Berlin 2007
- Grehl, H., Reinhardt, F.: Checkliste Neurologie. Thieme, Stuttgart 2012
- Masuhr K., Masuhr, F., Neumann, M.: Duale Reihe Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013