Schutzreflexe
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 11. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Schutzreflexe sind autonome Muskelbewegungen, die aufgrund äußerer Faktoren zum Schutz eines bestimmten Körperteils ausgelöst werden. Bei den beteiligten Muskeln handelt es sich meist um Skelettmuskeln, die normalerweise der bewussten, willkürlichen Bewegung dienen. Die Auslösung der Schutzreflexe erfolgt unter Umgehung des Bewusstseins zugunsten deutlich höherer Reaktionsgeschwindigkeiten, wie im Fall des Lidschlussreflexes, der das Auge vor Verletzungen durch Fremdkörper oder vor zu grellem Lichteinfall schützt.
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Was sind Schutzreflexe?
Schutzreflexe erfolgen unwillkürlich und dienen dem Schutz bestimmter Organe oder Körperregionen. Schutzreflexe werden durch sensorische Meldungen ausgelöst, die bestimmte Schwellenwerte überschreiten. Es kann sich dabei um auslösende Reize wie Druck oder Zug, Beschleunigung, Licht, Schall, Temperatur, Schmerz oder auch um chemische Reize handeln.
Die Verschaltung zwischen den Sinnesorganen, die eine Schwellenwertüberschreitung über ihre afferenten sensorischen Fasern melden, mit den ausführenden efferenten motorischen Nervenfasern erfolgt über eine einzige oder über mehrere Synapsen. Entsprechend handelt es sich um einen monosynaptischen oder polysynaptischen Reflex. Die Verschaltung selbst wird als Reflexbogen bezeichnet. Im einfachsten Fall, der monosynaptischen Verschaltung, liegt die Reaktionszeit zwischen auslösendem Reiz und Beginn der Reizausführung bei nur 30 bis 40 Millisekunden.
Prinzipiell können Schutzreflexe als Eigen- oder als Fremdreflex ausgeführt werden. Ein Fremdreflex liegt vor, wenn durch die Ausführung des Reflexes nicht der betreffende Muskel oder die Körperpartie geschützt werden soll, sondern ein anderes Organ, wie beispielsweise der Augapfel beim Lidschlussreflex. Dehnungsreflexe, die dem Schutz der Muskeln vor Überdehnung dienen, sind typische Eigenreflexe, da sich die Dehnungssensoren, die Muskelspindeln, in genau dem Muskel befinden, der durch den Kontraktionsreflex geschützt wird.
Funktion & Aufgabe
Der Nutzen für den Menschen liegt vor allem in der kurzen Reaktionszeit vom Auslösen des Reizes bis zur Ausführung der Schutz-Bewegung, was durch die Umgehung des Bewusstseins erreicht wird. Die Kürze der Reaktionszeit kann entscheidend für den Erfolg des Schutzreflexes sein. Beispielsweise kann ein anfliegendes Insekt oder ein Fremdkörper das Auge beschädigen, was durch den schnellen Lidschlussreflex verhindert werden soll. In diesem Fall ist eine möglichst kurze Reaktionszeit von der Wahrnehmung des Objekts bis zum Lidschluss entscheidend für die Schutzwirkung.
Die „kurzgeschlossenen“ Reaktionsbögen der verschiedenen Schutzreflexe haben sich im Laufe der Evolution entwickelt und sind genetisch fixiert. Schutzreflexe können daher nicht durch Training „anerzogen“ oder antrainiert werden.
Neben dem Lidschlussreflex sind Schluck-, Würge-, Husten- und Niesreflex sowie Rückzugsreaktionen die bekanntesten Schutzreflexe. Rückzugsreaktionen können auch durch Nozizeptoren (Schmerzsensoren), ausgelöst werden. Eine typische Rückzugsreaktion ist etwa das reflexartige Zurückziehen der Hand von der heißen Herdplatte.
Bei den meisten Schutzreflexen ist der Grund für ihre Anlage leicht erkennbar, wie beim Niesreflex, der verhindern soll, dass allergene oder andere problematische Stoffe zunächst im Nasenraum verbleiben oder sogar in die Lunge eingeatmet werden.
Ein relativ komplexer Schutzreflex ist der Brechreflex, der durch verschiedenste Ursachen ausgelöst werden kann und primär davor schützt, dass als schädlich erkannte Nahrung, die sich bereits im Magen befindet, durch die Rückbeförderung keinen weiteren Schaden anrichten soll. Der Brechreiz kann allerdings auch durch Probleme mit der Weiterleitung des Mageninhalts im Verdauungstrakt ausgelöst werden oder durch hormonelle Problem sowie durch ungewöhnliche vestibuläre Rückmeldungen. Über den Hustenreflex soll eine Blockade der Atemwege durch Sekrete der Bronchien oder durch Fremdkörper verhindert werden.
Im Gegensatz dazu stehen bedingte oder konditionierte Reflexe, die erworben werden können. Letztlich beruhen alle erlernten komplexen Bewegungsabläufe, die nach intensivem Training unbewusst ablaufen, auf konditionierten Reflexen. Dazu gehören beispielsweise Bewegungsabläufe wie aufrechtes Gehen, Balancieren, Kunstturnen oder das Steuern eines Autos sowie viele weitere Bewegungsabläufe.
Krankheiten & Beschwerden
Auch die motorischen Fasern selbst können Störungen aufweisen. Das bedeutet, dass eine Störung an nur einem einzigen Glied des Reflexbogens zur Beeinträchtigung oder zum Totalausfall des entsprechenden unbedingten Schutzreflexes führen kann. Beispielsweise wird Parkinson von einem Nachlassen bestimmter Schutzreflexe im Zusammenhang mit Bewegungskoordination begleitet. Auch alle anderen Nervenerkrankungen, die mit Einschränkungen der Weiterleitung von Nervenimpulsen oder Neurotransmittern im Zusammenhang stehen, haben Einfluss auf Schutzreflexe.
Meist stellt sich im Frühstadium eine Verlangsamung und Abschwächung der Reflexe ein. Bei eintretender Bewusstlosigkeit kommt es zu einer Störung der Schutzreflexe, die je nach Tiefe der Bewusstlosigkeit bis zum völligen Ausfall des Reflexes gehen kann. Umgekehrt kann eine Überprüfung bestimmter Schutzreflexe, wie dem Lidschlussreflex, Hinweise auf die Tiefe der Bewusstlosigkeit liefern.
Besonders gefährlich kann der Ausfall des Schluck- und Hustenreflexes, bei gleichzeitiger Erschlaffung der Gaumen- und Rachenmuskulatur, sein, da eine Verlegung der Luftröhre durch die Muskulatur oder durch Erbrochenes droht, die nicht über den Hustenreflex beseitigt wird und zum Erstickungstod führen kann.
Zu einer vorübergehenden Einschränkung der Schutzreflexe kommt es durch Alkoholkonsum, der zu einer verminderten Sensitivität von Sensoren wie Thermo- und Nozizeptoren führt und zu einer Beeinträchtigung der gesamten nervlichen Verarbeitung von Impulsen, unter anderem in der Bewegungskoordination. Bei zunehmender Alkoholkonzentration von über 2,5 Promille stellen sich zudem irreversible neurotoxische Vergiftungserscheinungen und ein zunehmender Ausfall aller Reflexe ein.
Quellen
- Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Berlin 2007
- Grehl, H., Reinhardt, F.: Checkliste Neurologie. Thieme, Stuttgart 2012
- Hacke, W.: Neurologie. Springer, Heidelberg 2010