Wochenbettpsychose
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 11. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Eine Geburt ist für zahlreiche Frauen mit einer großen körperlichen Anstrengung und einer seelischen Erfahrung verbunden. Auf die Frau wartet eine völlig neue Situation, da sie nun Mutter ist, mit allen Anforderungen, die das Baby mit sich bringt. Darauf reagieren viele Wöchnerinnen mit traurigen Verstimmungen. Meist legt sich dies nach einigen Tagen, doch es kann sich in seltenen Fällen daraus auch eine Wochenbettpsychose entwickeln.
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Was ist eine Wochenbettpsychose?
Rund drei Prozent der Wöchnerinnen sind von einer Wochenbettpsychose betroffen. Der Grund hierfür sind beispielsweise die hormonellen Veränderungen, die nach der Geburt eintreten. Traumatische Geburtserlebnisse, die plötzliche Mutterrolle sowie ein großes Schlafdefizit begünstigen die Erkrankung ebenfalls.
Bei der Wochenbettpsychose handelt es sich um die schwerste Form der seelischen Krisen, die nach einer Schwangerschaft auftreten. Bei dieser kann es zum Verlust des Realitätsbezuges kommen. Die betroffenen Frauen benötigen umgehend Hilfe. Die Wochenbettpsychose wird in drei Formen unterteilt, die einzeln, aber ebenso als Mischformen auftreten:
- Manie
Die Manie ist eine Form der Wochenbettpsychose. Sie zeigt sich durch motorische Unruhe, plötzliche starke Antriebssteigerung, kurze Euphorie, Größenwahn, Verworrenheit, ein verringertes Schlafbedürfnis, mangelnde Urteilsfähigkeit. Auch eine Enthemmung kann auftreten, die für das Kind eine Gefahr sein kann.
- Depression
Eine weitere Form ist die Depression, die sich durch Teilnahmslosigkeit, Desinteresse und Angstzustände äußert. Auch Schuldgefühle und Hoffnungslosigkeit können auftreten.
- Schizophrenie
Die Schizophrenie ist ebenfalls eine Form der Wochenbettpsychose. Diese zeigt sich durch starke Störungen der Gemütsregungen, Wahrnehmung und des Denkens. Die Mütter leiden unter Halluzinationen. Sie glauben, dass sie fremde Stimmen hören und sehen Dinge, die nicht existieren.
Ursachen
Sind in der Vorgeschichte bereits psychische Erkrankungen aufgetreten, ist die Gefahr, eine Wochenbettpsychose zu entwickeln, stark erhöht. Eine familiäre Belastung ist ebenso ein Risikofaktor für die Erkrankung. Wenn Angehörige bereits psychotische oder manisch-depressive Episoden durchgemacht haben, besteht ebenfalls eine erhöhte Gefahr für die Mutter, dass nach der Geburt eine Wochenbettpsychose auftritt.
Des Weiteren können eine Traumatisierung, die bei manchen Frauen durch die Geburt entsteht, ein Kaiserschnitt, Stress und eine soziale Notlage das Risiko für die Erkrankung erhöhen.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Eine Wochenbettpsychose ist ziemlich schwer zu erkennen, da Halluzinationen, Wahnvorstellungen oder irreale Befürchtungen den Betroffenen meist nicht angesehen werden. Zudem wird es von den Betroffenen häufig verschwiegen. Dies geschieht aus der Angst heraus, dass sie für verrückt gehalten werden.
Die Symptome wechseln außerdem oftmals sehr schnell, denn der Betroffene kann zwischendurch völlig gesund erscheinen und im anderen Moment psychotisch dekompensieren. Vor allem die psychotischen Symptome sind besonders schwer erkennbar und als solche einzuordnen. Dies gilt für die Betroffenen selber als auch für die Familie, insbesondere wenn die Psychose erstmalig auftritt.
Bei der Wochenbettpsychose sind Konzentrationsstörungen, Gedächtnisstörungen, Gedankenunterbrechungen oder –rasen zu beobachten, ebenso wie zerfahrenes Denken, was sich häufig beim Sprechen bemerkbar macht. Darüber hinaus kann es zu einem verminderten oder erhöhten Antrieb kommen, auch sozialer Rückzug der Betroffenen ist nicht selten. Dazu plagen sie Bewegungsunruhe oder –starre sowie Erregungszustände.
Die Stimmung kann euphorisch, gereizt bis hin zu aggressiv, depressiv oder stark ängstlich, verzweifelt und hoffnungslos sein. Die Stimmung wechselt dabei zwischen den verschiedenen extremen Zuständen sehr stark ab. Zwangsgedanken, -impulse oder -handlungen treten innerhalb der Psychose eher selten und Ein- oder Durchschlafstörungen sehr oft auf.
Zudem zeigen sich entweder ein Energiemangel oder eine übergroße Energie. Viele Betroffene leiden unter Schmerzen ohne eine organische Ursache oder körperlichen Missempfindungen. Meist liegen bei der Wochenbettpsychose produktiv-psychotische Symptome vor, zum Beispiel Wahnvorstellungen, Halluzinationen und Beeinflussungserlebnisse. Im Zusammenhang mit den psychotischen Symptomen kommt es häufig zu Suizidgedanken und im schlimmsten Fall sogar zu Suizidhandlungen.
Diagnose & Krankheitsverlauf
Die diagnostischen Maßnahmen gleichen bei einer Wochenbettpsychose denen der psychotischen Störungen. Da häufig zunächst einmal ausgeschlossen werden muss, dass die Psychose nicht aus einem Drogenkonsum resultiert, erfolgt meist eine Blutentnahme, um auf Drogenrückstände, aber ebenso Entzündungsmarker und erhöhte Leberwerte zu untersuchen.
Ansonsten befragt der Arzt die betroffene Mutter nach den Beschwerden und den Zeitraum, seit wann sie bestehen, um die Diagnose Wochenbettpsychose anhand der typischen Symptome zu stellen.
Komplikationen
Frauen mit einer Wochenbettpsychose können mitunter suizidal werden. Die Selbstmordgefährdung kann schleichend oder plötzlich einsetzen. Psychologen unterscheiden zwischen einer latenten und einer akuten Suizidalität. Bei der latenten Suizidalität denkt die Betroffene beispielsweise an den Tod oder verspürt den vagen Wunsch, zu sterben.
Die akute Suizidalität ist hingegen von Absichten, Plänen und aktiven Handlungen bis hin zum Suizidversuch gekennzeichnet. Bei einigen Frauen mit einer Wochenbettpsychose besteht nicht nur eine solche Selbstgefährdung, sondern auch eine Fremdgefährdung. Die Wochenbettpsychose kann zu Aggressionen führen. Darüber hinaus ist es möglich, dass die betroffene Frau ihrem Kind Schaden zufügt oder es sogar tötet.
Dabei sind auch absichtliche Tötungen möglich, die im Wahn geschehen. Vier Prozent sind davon betroffenen. Bei schweren Komplikationen ist eine freiwillige Behandlung oder auch eine Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik möglich. Während des stationären Aufenthalts kann einerseits die Wochenbettpsychose behandelt werden und andererseits für die Sicherheit der Betroffenen und ihres Kindes gesorgt werden.
Einige Kliniken verfügen über Mutter-Kind-Zimmer, sodass das Neugeborene nicht von der Mutter getrennt werden muss, solange keine Gefahr für das Kind besteht. Andere Komplikationen, die bei der Wochenbettpsychose ebenfalls auftreten können, sind im Vergleich zur Suizidalität und Kindstötung weniger schwer ausgeprägt. Zum Beispiel können zusätzlich depressive Symptome, Stimmungsschwankungen oder psychosomatische Beschwerden auftreten.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Viele Frauen durchleben unmittelbar nach der Niederkunft zahlreiche emotionale Zustände. In den meisten Fällen reguliert sich das emotionale Befinden innerhalb der ersten Wochen oder Monate nach der Geburt. Unmittelbar nach der Geburt kommt es zu starken hormonellen Veränderungen im Organismus der entbundenen Frau. Dies führt zu Stimmungsschwankungen, Traurigkeit oder euphorischen Zuständen. In vielen Fällen ist die Persönlichkeit der Mutter vorübergehend stark gewandelt.
Im Normalfall verbessert sich innerhalb weniger Tage der gesundheitliche Zustand und ein Arzt wird nicht benötigt. Halten die psychischen Auffälligkeiten jedoch an oder nehmen sie deutlich an Intensität zu, muss ein Arzt konsultiert werden. Bei Wahnvorstellungen, plötzlichen Verhaltensänderungen oder Halluzinationen benötigt die Betroffene medizinische Hilfe. Kann die werdende Mutter sich nicht ausreichend um die Versorgung des Säuglings kümmern, sollte die Rücksprache mit einem Arzt gesucht werden.
Bei Beschwerden wie Stimmeneingebungen sowie Verwirrtheitszuständen ist unverzüglich ein Arzt zu rufen. Eine starke Hoffnungslosigkeit, Schuldgefühle und plötzliche Veränderungen des Antriebs sind untersuchen und behandeln zu lassen. Erlebt die Betroffene ein Zustand der Apathie und unmittelbar danach eine intensive Euphorie, sind dies besorgniserregende Entwicklungen. Damit schnellstmöglich ein Behandlungsplan erstellt wird ist eine Diagnosestellung notwendig. Die Beobachtungen sind mit einem Arzt zu besprechen, damit Hilfe eingeleitet werden kann.
Behandlung & Therapie
Je nach Erkrankung und Ausprägung wird die Wochenbettpsychose meist mit Medikamenten wie Neuroleptika und Antidepressiva behandelt. Oftmals erfolgt dies in der Kombination mit einer Psychotherapie. Bei einer vorliegenden Wochenbettpsychose ist eine stationäre Behandlung empfehlenswert, da die psychotische Mutter meist nicht mehr allein für ihr Kind und sich selber sorgen kann.
Zudem besteht bei vielen Psychosen die Gefahr eines Suizids. Von Vorteil ist eine Mutter-Kind-Station in einer psychiatrischen Klinik, damit die Mutter und das Kind nicht getrennt werden. Der Mutter wird dadurch außerdem die Sicherheit im Umgang mit dem Kind vermittelt, die aufgrund der akuten Erkrankung oftmals verloren geht.
Wenn eine Wochenbettpsychose erstmalig auftritt und frühzeitig erkannt und behandelt wird, sind die Chancen gut, dass sie vollkommen abklingt. Das Risiko für weitere Episoden bleibt jedoch lebenslang erhöht.
Vorbeugung
Es wird vermutet, dass Stress während der Schwangerschaft mitverantwortlich für eine Wochenbettpsychose sein könnte. Daher ist es wichtig, auf eine ausgeglichene Balance und ein seelisches Gleichgewicht zu achten.
Nachsorge
Im Gegensatz zum sogenannten "Baby-Blues" kann eine Wochenbettpsychose schwere Folgen haben, weshalb sie unbedingt behandelt werden muss. Meist erfolgt die Behandlung stationär, in manchen Fällen wird die Mutter dazu teilweise oder ganz vom Neugeborenen getrennt. Dies kann sinnvoll sein, damit die Mutter erst einmal wieder zu Kräften kommt und die Psychose ohne Ablenkung überwinden kann. Jedoch leidet die Beziehung zwischen ihr und dem Kind maßgeblich.
In der Nachsorge ist es demnach wichtig, die Beziehung zum Kind wieder herzustellen. Dies muss schonend und sehr langsam erfolgen, um die Mutter nicht zu überfordern. Oft hat sie Schuldgefühle, da sie denkt, sich bereits zu Beginn nicht ausreichend um das Kind gekümmert zu haben. Sie könnte das Gefühl bekommen, ihre Chance vertan zu haben. Das Wahrnehmen und Aussprechen dieser Gefühle ist wichtig, um sie zu überwinden.
Der Mutter sollte deshalb ein vertrauensvoller Ansprechpartner zur Seite stehen, der sie nicht für ihre Empfindungen verurteilt. Die Beziehung zum Kind kann durch den Aufbau einer Stillbeziehung erfolgen, jedoch kann dies auch zu belastend für die Mutter sein, vor allem, wenn Probleme mit dem Stillen auftreten. Dann ist es ausreichend, wenn der Beziehungsaufbau über anderweitige körperliche Nähe erfolgt, sei es durch gemeinsames Baden, Babymassage oder der Austausch mit anderen Eltern in einer Krabbelgruppe.
Das können Sie selbst tun
Eine Wochenbettpsychose klingt in vielen Fällen von alleine wieder ab. Bei schweren Psychosen mit depressiven Verstimmungen und Wahnvorstellungen sollte ein Arzt konsultiert werden. Nicht nur die Patienten, auch die Angehörigen benötigen oft Unterstützung von professionellen Therapeuten.
Die wichtigste Selbsthilfemaßnahme besteht darin, aktiv zu bleiben und die ärztlichen Ratschläge anzunehmen. Ganz wichtig kann auch der Kontakt mit anderen Betroffenen sein. Im Rahmen einer Selbsthilfegruppe lassen sich die individuellen Probleme gut besprechen und oftmals erhalten die Patienten im Gespräch mit anderen Erkrankten wertvolle Tipps für den eigenen Umgang mit der Wochenbettpsychose. Gemeinsam mit dem Arzt müssen zudem die Ursachen für die Wochenbettpsychose ergründet werden. Manchmal liegt den Beschwerden lediglich ein hormonelles Ungleichgewicht zugrunde, in anderen Fällen sind dagegen ernste gesundheitliche Probleme oder tiefe seelische Störungen verantwortlich für die Beschwerden.
In jedem Fall müssen die Auslöser ermittelt werden, bevor eine effektive Behandlung der Wochenbettpsychose möglich ist. Erkrankte Personen sollten mit dem Frauenarzt sprechen und eine psychotherapeutische Begleitung nutzen. Meist ist die Therapie weit über die Akutphase der Krankheit hinaus vonnöten. Aufgrund des hohen Wiederholungsrisikos muss die Mutter nach einer erneuten Geburt eng begleitet werden.
Quellen
- Schneider, H., Husslein, P., Schneider, K.T.M.: Die Geburtshilfe. Springer, Berlin Heidelberg 2011
- Stauber, M., Weyerstrahl, T.: Gynäkologie und Geburtshilfe. Thieme, Stuttgart 2013
- Stiefel, A., Geist, C., Harder, U.: Hebammenkunde: Lehrbuch für Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und Beruf. Hippokrates, Stuttgart 2012