Bromismus

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 5. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Beim Bromismus handelt es sich um eine chronische Vergiftung, die durch längerfristige Aufnahme von Bromiden entsteht. Im fortgeschrittenen Stadium führt Bromismus zu dunklen Flecken auf der Haut und starker Auszehrung.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Bromismus?

Brom wirkt auf das Nervensystem und verursacht bei einer Vergiftung den Bromismus. Die Symptome entstehen durch eine Störung der Membranen der Nervenzellen durch die Bromide.
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Der Bromismus beschreibt eine chronische Vergiftung durch Brom. In der Vergangenheit gehörte er zu den weit verbreiteten Krankheiten in Europa. Insbesondere unter Psychiatriepatienten befanden sich viele Personen, die unter Bromismus litten – denn Bromismus führt zu einer Vielzahl neurologischer und psychischer Symptome wie Psychosen, Somnolenz, Krampfanfälle oder Konzentrationsschwäche.

Umgekehrt kam Brom ebenfalls bei der Behandlung psychiatrischer und neurologischer Erkrankungen zum Einsatz. Bis zu fünf bis zehn Prozent der Psychiatriepatienten sollen unter Bromismus gelitten haben. Erst in den 1980er Jahren nahm die Anzahl der Erkrankten deutlich ab, da Medikamente mit Bromverbindungen seltener verschrieben wurden.

Mediziner schätzen Brom auch heute noch wegen seiner Wirkung als Beruhigungsmittel (Sedativum) und setzen es beispielsweise zur Behandlung von epileptischen Krampfanfällen ein, die bei falscher Dosierung eine Bromvergiftung ihrerseits hervorrufen kann. Die korrekte Dosierung ist deshalb von großer Bedeutung.

Ursachen

Brom wirkt auf das Nervensystem und verursacht bei einer Vergiftung den Bromismus. Die Symptome entstehen durch eine Störung der Membranen der Nervenzellen durch die Bromide. In der Regel nimmt der menschliche Körper Brom durch entsprechende Medikamente auf, die früher weit verbreitet waren und fälschlicherweise als unbedenklich galten. Auch heute noch wird in der Pharmazie Brom als Medikament verwendet.

Allerdings fallen bromhaltige Medikamente seit Ende der 1970er Jahre unter die Rezeptpflicht und ihre Einnahme wird durch regelmäßige Blutuntersuchungen ärztlich begleitet. Dies verhindert die Entstehung des Bromismus, da Patienten die Dosis reduzieren oder das Medikament absetzen können, bevor der Bromismus entsteht. Auch Säuglinge können an Bromismus erkranken, insbesondere wenn sie Brom über die Muttermilch aufnehmen.

Darüber hinaus soll Brom heute jedoch auch bei der Müllverbrennung oder über Insektizide freigesetzt werden können. Demzufolge könnte es als Umweltgift beispielsweise über die Haut, die Atemwege oder indirekt durch belastete Nahrungsmittel in den Organismus gelangen. Ob dadurch ausreichend hohe Mengen in den menschlichen Körper gelangen, um den Bromismus zu verursachen, ist jedoch fraglich. In höheren Mengen kommen Bromide im Lithiumbromid vor, das in Absorptionskältemaschinen zur Kühlung zum Einsatz kommt.


Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Bromismus äußert sich in verschiedenen neurologischen und psychischen Symptomen. Dazu gehören Krampfanfälle und Somnolenz, eine quantitative Bewusstseinsstörung. Diese leichte Bewusstseinstrübung umschreibt eine verhältnismäßige Beeinträchtigung der Wachheit (Vigilanz). Die Somnolenz manifestiert sich in Benommenheit und Schläfrigkeit, die über das normale Maß hinaus geht.

Als weitere psychiatrische Symptome können gesteigerte Aufgeregtheit, Irritation, Halluzinationen, Tremor, Schlaflosigkeit und psychotische Symptome in Erscheinung treten. Zu den weiteren Anzeichen für Bromismus zählen Schwäche, Benommenheit, Konzentrationsprobleme und Koma. Das Koma grenzt sich als schwerste quantitative Bewusstseinsstörung von der Somnolenz dadurch ab, dass Betroffene weder ansprechbar noch weckbar sind.

Tritt im Rahmen des Bromismus ein Stupor auf, leidet der Betroffene unter einer Lähmung des ganzen Körpers, während er bei ungetrübtem Bewusstsein ist. Auch eine Ataxie, also eine Störung der Koordination von Bewegungen, weist möglicherweise auf Bromismus hin. Darüber hinaus können beim Bromismus Magen-Darm-Symptome wie Appetitlosigkeit und Erbrechen auftreten.

Diagnose & Verlauf

Eine Untersuchung des Blutes oder Urins des Betroffenen ermöglicht die Diagnosestellung, da sie über die Brommenge im Körper Auskunft gibt. Darüber hinaus kann eine Röntgenuntersuchung des Abdomens Klarheit bringen: Da Bromide Röntgenstrahlen nicht durchlassen, ist dies ein deutliches Anzeichen für Bromide im Körper des Betroffenen.

Außerdem geht Bromismus in der Regel mit Störungen der Blutwerte für Glukose, Kreatin und Elektrolyte einher, was auch ohne spezifische Untersuchung auf Bromide einen ersten Hinweis liefern kann. Ohne Behandlung verstärken sich die Symptome des Bromismus und der allgemeine Gesundheitszustand verschlechtert sich. Im fortgeschrittenen Verlauf des Bromismus kann die gut sichtbare Bromakne auftreten. Dabei handelt es sich um kleine Abszesse, die beim Abheilen pigmentierte Narben hinterlassen. Aus der Bromakne kann sich ohne Behandlung in einigen Fällen ein Bromoderm entwickeln. Blasenbildung charakterisiert die Form Bromoderma bullosum.

Manifestiert sich das Bromoderm als geschwürige Granulation von brauner bis schwarz-roter Farbe, spricht die Medizin von Bromoderma tuberosum. Auch diese Form des Bromoderms verheilt mit pigmentierter Narbe. Bildliche Darstellungen des Bromismus zeigen deshalb häufig Personen mit dunklen Hautflecken. Durch anhaltende Vergiftung kann der Bromismus außerdem zu körperlichen Auszehrungserscheinungen (Kachexie) führen.

Komplikationen

Bromismus kann zu verschiedenen Komplikationen führen. Eine Bromidvergiftung beeinflusst zunächst die Membranen der Neuronen, wodurch das Risiko für Psychosen und Somnolenz steigt. Je nach Ausprägung des Bromismus kommt es in der Folge zu Irritation, Benommenheit und Halluzinationen, aber auch zu Abgeschlagenheit und Lähmungserscheinungen. In extremen Fällen führt eine Bromidvergiftung zum Koma oder Tod des Betroffenen.

Neben diesen Bewusstseinsstörungen kann Bromismus zu Krampfanfällen und gastrointestinalen Symptomen wie Appetitlosigkeit und Erbrechen führen. Ein chronischer Verlauf ist oft mit der Entstehung von Abszessen und Erythemen verbunden. Selten kommt es zu Hauterscheinungen wie der „Brom-Akne“, die mit schmerzhaften Pusteln, Juckreiz und typischen Fiebersymptomen einhergeht. Weitere mögliche Komplikationen des Bromismus sind: Schmerzen beim Atmen, Ataxie und Stupor.

Bei Bewegungsstörungen und Symptomen der Lähmung können im späteren Verlauf noch weitere Komplikationen hinzukommen. Da Bromismus vorwiegend bei Säuglingen und Kleinkindern auftritt, besteht die Gefahr, dass sich aus den Beschwerden bleibende Entwicklungsstörungen entwickeln. Bei einem chronischen Verlauf kann es außerdem zur Bildung von Narben und chronischen Infektionen kommen. Wird Bromismus frühzeitig erkannt, können schwere Komplikationen aber meist vermieden werden.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Einige Symptome des Bromismus sind so gravierend, dass Betroffene oder ihr Umfeld in den meisten Fällen einen Arzt verständigen werden, ohne dass sie ahnen, dass es sich um Bromismus handelt. Dies ist zum Beispiel bei einsetzendem Stupor, Koma oder der Brom-Akne der Fall. Zudem veranlassen Krampfanfälle, andauernde Übelkeit oder Psychosen Betroffene oder ihr Umfeld ebenfalls zum Handeln.

Da der Bromismus selten geworden ist und unter jüngeren Menschen fast unbekannt, ist ein genaues Abklären der Symptome - die ähnlich auch bei anderen Vergiftungen auftreten können - wichtig. Hierfür sollte der Betroffene in ein Krankenhaus eingeliefert werden.

Personen, die vermehrt unter Übelkeit, Krämpfen, Hautirritationen, Halluzinationen oder anderen Symptomen des Bromismus leiden, sollten einen Arzt aufsuchen, der mittels einer Anamnese erste Schlussfolgerungen ziehen kann. In seltenen Fällen können Medikamente oder eine hohe Bromexposition den Bromismus noch auslösen. Auch kommen bromhaltige Salze wieder vermehrt als Antikonvulsiva (zur Behandlung von Anfällen) zum Einsatz.

Kinder mit Bromismussymptomen sollten dringend ärztlich untersucht werden, da sie empfindlicher auf die Vergiftung reagieren. Handelt es sich um gestillte Babys, ist zudem die Mutter zu untersuchen, da die Milch kontaminiert sein kann.

Behandlung & Therapie

Gegen Bromismus existiert keine spezifische Behandlung. Die Verringerung der aufgenommenen Dosis oder das Absetzen der bromhaltigen Medikamente sind essentiell. Obwohl kein spezielles Gegenmittel existiert, sollen Chlorid und Fluorid tendenziell die Ausscheidung des Bromids fördern. Des Weiteren kommt bei Bromismus eine Behandlung mit Furosemid in Betracht. Dabei handelt es sich um ein Schleifendiuretikum, welches die Ausscheidung von Flüssigkeit fördert.

Dadurch kann der Körper das Brom eventuell schneller ausscheiden. Verschiedene Firmen stellen Furosemid her und vertreiben es unter ihren jeweiligen Handelsnamen. Da es sich um ein stark wirksames Schleifendiuretikum handelt, das zum Teil schwere Nebenwirkungen nach sich ziehen kann, darf es ausschließlich auf ärztliches Anraten hin eingenommen werden.

Aussicht & Prognose

Bromismus lässt sehr unterschiedliche Prognosen zu. Kinder etwa leiden mehr an den Spätfolgen als Erwachsene, da bei Kindern noch Entwicklungsstörungen (meist durch Infektionen, die aufgrund von Hautschäden entstehen und durch Schäden am zentralen Nervensystem) auftreten können.

Keines der Symptome, die bei Bromismus auftreten, ist für sich genommen tödlich. Allerdings führen gerade die vielen Hautveränderungen und die Schwächung des Magen-Darm-Traktes zu einer Auszehrung des Körpers. So sind langanhaltende Verdauungsleiden und Übelkeit nicht selten. Der resultierende Nährstoffmangel, in Kombination mit der ständigen Mehrbelastung des Körpers durch die anderen Vergiftungserscheinungen, führt dann zu einer Schwächung des ganzen Menschen.

Während die Hautveränderungen und die Einschränkungen des Verdauungsapparates sich durch ein Ausleiten des Broms gut beheben lassen (die Narben bleiben meist vorhanden), sind die Schäden an den Nerven in der Regel irreparabel. Während ein Stupor für den Betroffenen im Anschluss bedeutet, dass er ein Pflegefall ist, wirken sich andere Auswirkungen - vor allem jene psychischer Natur - nicht zwingend auf die Lebenserwartung aus.

Gelangt weiterhin Brom in den Körper, wird der Bromismus verstärkt werden. Wird sich hingegen um ein Ausleiten des Giftes bemüht, kann eine Besserung des Zustandes des Betroffenen relativ zügig erreicht werden.


Vorbeugung

Zur Prävention von Bromismus tragen Regelungen bei, welche die Abgabe von bromidhaltigen Arzneien regulieren und keine freie Abgabe erlauben. Liegt dennoch eine Indikation für die Einnahme eines entsprechenden Medikamentes vor, führen die behandelnden Ärzte regelmäßige Blut- und/oder Urinuntersuchungen durch.

Diese Kontrolluntersuchungen detektieren erhöhte Bromidwerte im Blut frühzeitig und erlauben ein Eingreifen, bevor sich der Bromismus manifestiert. In vielen Fällen entscheiden sich Ärzte aufgrund des schlechten Risiko-Nutzen-Verhältnisses von Brom jedoch häufig für andere Arzneien mit gleicher Wirkung.

Nachsorge

In der Regel ist eine direkte Nachsorge beim Bromismus nicht möglich. Der Körper des Patienten muss sich von der Vergiftung erholen und die auslösende Substanz oder das auslösende Vorgehen sollte eliminiert werden. Ebenso muss darauf geachtet werden, dass die Bromismus nicht erneut auftritt. Da auch keine direkte Behandlungsmethode beim Bromismus existiert, muss in erster Linie die Bromaufnahme unterbrochen werden.

Weiterhin sollte der Patient viel Flüssigkeit zu sich nehmen und im Allgemeinen auf eine gesunde Lebensweise mit einer gesunden Ernährung achten. Ebenfalls kann die Ausscheidung von Brom mit Hilfe von Fluor beschleunigt werden. In Notfällen oder bei einer sehr starken und akuten Vergiftung sollte allerdings das Krankenhaus aufgesucht werden, da eine Behandlung durch einen Arzt notwendig ist.

Die Zufuhr von Brom darf nach einem Bromismus natürlich nicht vollständig unterbrochen werden, da der Körper das Spurenelement ebenfalls benötigt. Allerdings sollte die Zufuhr in geringen Mengen durch die gewöhnlichen Lebensmittel erfolgen. Ebenso sollte der Betroffene auf Nikotin und auf Alkohol verzichten, da dadurch ebenfalls erhöhte Mengen an Brom eingenommen werden.

Auch Schmerzmittel sollten abgesetzt werden, falls dies möglich ist. In der Regel wird die Lebenserwartung des Patienten durch den Bromismus nicht verringert, falls dieser rechtzeitig diagnostiziert und behandelt wird.

Das können Sie selbst tun

Gegen eine Vergiftung mit Brom gibt es weder spezielle schulmedizinische noch alternative Therapien. Zwecks Behandlung wird die Vergiftungsquelle identifiziert und eliminiert. Hier ist der Arzt auf die Mitwirkung der Patientinnen und Patienten dringend angewiesen.

Ein Bromismus bei Säuglingen ist in aller Regel auf kontaminierte Muttermilch zurückzuführen. In diesen Fällen muss das Stillen sofort unterbleiben und stattdessen Flaschennahrung verabreicht werden. Erwachsene können einer Vergiftung vorbeugen, indem sie die Dosierungsvorschriften bei bromhaltigen Medikamenten strikt einhalten.

Dies gilt insbesondere dann, wenn bromhaltige Beruhigungsmittel verordnet wurden. Keinesfalls dürfen diese Medikamente gehortet und nach eigenem Gutdünken eingenommen werden. Patienten mit Abhängigkeitserscheinungen sollten unbedingt ein Suchthilfeprogramm in Anspruch nehmen.

Chlorid und Fluorid sollen das Ausscheidung von Bromid aus dem Körper fördern. In der Naturheilkunde werden diese Substanzen deshalb zur Entgiftung des Körpers eingesetzt. Eine erhöhte Flüssigkeitszufuhr, insbesondere in Form von harntreibendem Heilwässern, gilt zudem als hilfreich, um das Bromid möglichst schnell wieder auszuscheiden.

Auf die Aufnahme von Stoffen, die den Körper zusätzlich belasten, wie zum Beispiel Alkohol oder Nikotin, sollten die Patienten während einer akuten Vergiftung mit Brom unbedingt verzichten. Auch die Einnahme freiverkäuflicher Medikamente, wie zum Beispiel Schmerzmittel, sollte unbedingt mit dem behandelnden Arzt besprochen werden.

Quellen

  • Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • I care Krankheitslehre. Thieme, Stuttgart 2015

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