Conradi-Hünermann-Syndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 23. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Von einem Conradi-Hünermann-Syndrom wird in der Humanmedizin gesprochen, wenn bei einem weiblichen Patienten ein äußerst seltener, auf genetische Ursachen zurückzuführender Wachstumsmangel diagnostiziert wird. Dieser äußert sich u. a. durch eine geringe Behaarung, verkürzte Gliedmaßen, zu große Hautporen und weitere morphologische Defekte. Das Syndrom kann nicht geheilt, sondern nur symptomatisch behandelt werden.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Conradi-Hünermann-Syndrom?

Die erste Diagnose ist der modernen Humanmedizin bereits im Mutterleib und damit sehr früh möglich. Ein Nachweis kann durch ein Röntgenbild gelingen.
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Das Conradi-Hünermann-Syndrom ist eine genetisch verursachte Anomalie des Wachstums, die ausschließlich bei Mädchen auftritt. Betroffene leiden an massiven morphologischen Abweichungen. Diese werden äußerlich durch verkürzte Gliedmaßen, ausgesprochen große Hautporen und eine geringe Behaarung sichtbar.

Möglich sind auch ein deformiertes Gesicht sowie weitere Defekte des Körpers. Die Krankheit wurde nach ihren Entdeckern, den deutschen Kinderärzten Erich Conrad, Carl Hünermann und Rudolf Happle, benannt. In der Literatur finden sich auch die Bezeichnungen Happle-Syndrom, Conradi-Hünermann-Happle-Syndrom sowie die lateinischen Namen Chondrodystrophia congenita calcificans sowie Chondrodysplasia foaetalis calcarea.

Der Klassifikation nach ICD-10 entsprechend kann auch die Bezeichnung Chondrodysplasia punctata Syndrome verwendet werden. Da die Erkrankung die Chondrodysplasien betrifft, zählt sie zur Gruppe der Chondrodysplasia punctata. Typisch für Vertreter dieser Gruppe ist eine Verkalkung von Kehlkopf, Luftröhre oder Gelenken.

Eine Diagnostizierung der komplexen Krankheiten dieser Gruppe ist heute bereits im Mutterleib möglich. In der medizinischen Fachliteratur wird die Häufigkeit des Conradi-Hünermann-Syndroms auf etwa eine von 100.000 Geburten geschätzt. Die Erkrankung ist damit äußerst selten.

Ursachen

Das Conradi-Hünermann-Syndrom ist ausschließlich auf genetische Ursachen zurückzuführen. Die Abgrenzung zu anderen Krankheiten der Chondrodysplasia punctata-Gruppe erfolgt nach dem Gendefekt, der die jeweils auftretenden Symptome verursacht, sowie dem relevanten Erbgang. So wird das Conradi-Hünermann-Syndrom im Gegensatz zu anderen Erkrankungen durch ein dominantes X-Chromosom vererbt.

Dieses weist ein fehlerhaftes EBP-Gen auf und verursacht hierdurch die typischen morphologischen Abweichungen. Das EBP-Gen wird auch als Sterol-Delta8/7-Isomerase bezeichnet und ist ein Enzym, das im Cholesterin-Stoffwechsel zu finden ist. Es ist unter anderem für die Umlagerung von Doppelbindungen zuständig und bei den Betroffenen Mädchen in der Chromosomenregion Xp 11.23 – p 11.22 mutiert.


Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Die unterschiedlichen Ausprägungen des Conradi-Hünermann-Syndroms fallen verschieden aus, sodass nicht sämtliche der im Folgenden aufgeführten Symptome vorliegen müssen. Oft weisen die Betroffenen nur einige der in ihrer Gesamtheit denkbaren Beschwerden auf.

So sind etwa zum Teil erhebliche morphologische Auffälligkeiten des Gesichts üblich. Dieses ist bei einer Vielzahl der Betroffenen sehr flach und durch einen besonders abgeflachten Nasenrücken geprägt. Darüber hinaus gehören auch Veränderungen der Augen zu den typischen Symptomen des Conradi-Hünermann-Syndroms.

Zu den häufigsten Beschwerden zählen eine Trübung der Augenlinse (grauer Star beziehungsweise Katarakt), ein Verlust oder eine starke Reduzierung der Nervenfasern des Auges (grüner Star beziehungsweise Glaukom) sowie degenerative Schädigungen des Sehnervs, die sich durch einen Rückgang der Nervenzellen bemerkbar machen (Optikusatrophie).

Zudem kann es auch zu starken Verkürzungen der Extremitäten kommen, weswegen das Syndrom oft auch als Wachstumsstörung bezeichnet wird. Vor allem die Arme und Beine sind betroffen. Sie sind zum Teil asymmetrisch. Auch Längendifferenzen sind keine Besonderheit.

Daneben sind auch Einschränkungen der Funktionalität und Beweglichkeit der Gelenke ein übliches Symptom (Gelenkkontraktur). Oft wird auch über eine Kyphose oder eine Skoliose berichtet. Unter einer Kyphose wird eine nach hinten verlaufende (dorsale) Verkrümmung der Wirbelsäule verstanden. Eine Seitabweichung derselben wird als Skoliose bezeichnet.

Darüber hinaus sind Hautveränderungen geläufig. Die Betroffenen haben große Poren. Ichthyosis (Ichthyose), Pigmentstörung, Erythdroderma und Atrophoderma sind ebenfalls üblich.

Diagnose & Verlauf

Die erste Diagnose ist der modernen Humanmedizin bereits im Mutterleib und damit sehr früh möglich. Ein Nachweis kann durch ein Röntgenbild gelingen. Dieses weist in der Regel einige Anomalien auf. So können vor allem in den frühen Lebensjahren Verkalkungen in den Gelenkenden, den sogenannten Epiphysis ossis, sichtbar sein.

Die Verkalkungen werden auf dem Röntgenbild getüpfelt (englisch: stippled) sichtbar. Typisch sind zudem ein in der Höhe verminderter Wirbelkörper sowie Verkürzungen der Gliedmaßen. Insbesondere bei älteren Patienten kann bereits eine reine Sichtuntersuchung zu einem ersten Befund führen.

Da das Conradi-Hünermann-Syndrom von den anderen Vertretern der Chondrodysplasia punctata-Gruppe abzugrenzen ist, wird allerdings stets eine umfassende Differenzialdiagnostik notwendig sein. Auch weitere denkbare Verursacher der Symptome, die nicht im Zusammenhang mit dem Syndrom stehen, sind auszuschließen.

Komplikationen

Bei der Corpus-callosum-Agenesie können unterschiedliche Beschwerden und Komplikationen auftreten. In den meisten Fällen kommt es allerdings zu Störungen des Verhaltens und zu Einschränkungen des Hörvermögens und des Sehvermögens. In der Regel treten die Einschränkungen nicht plötzlich auf, sondern führen im Laufe der Erkrankung zu einer ständigen Verringerung dieser Wahrnehmungen.

Dabei kann auch eine vollständige Blindheit oder der komplette Hörverlust auftreten. Durch den erhöhten Gehirndruck kommt es in vielen Fällen zu Kopfschmerzen und zu Fehlentwicklungen im Gehirn. Aufgrund dieser Fehlentwicklungen treten Verhaltensstörungen und andere psychische Beschwerden auf. Oft tritt die Corpus-callosum-Agenesie auch mit Minderwuchs auf.

Die Patienten leiden dabei an Stoffwechselkrankheiten und weisen eine verringerte Lebensqualität auf. Auch die Konzentration ist verringert, sodass es in der Regel zu einer verringerten Intelligenz kommt. Die ursächliche Behandlung ist nicht möglich, da es nicht möglich ist, den Hirnbalken nachzubilden.

Aus diesem Grund werden vor allem Verhaltenstherapien und Lerntherapien eingesetzt, damit die Intelligenz des Patienten durch die Corpus-callosum-Agenesie nicht verringert wird. Auch eine Sprachtherapie muss in vielen Fällen durchgeführt werden. Sollten epileptische Anfälle auftreten, so muss der Gehirndruck reduziert werden. In seltenen Fällen führt die Corpus-callosum-Agenesie zu keinerlei Beschwerden und Komplikationen.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Wenn die morphologischen Auffälligkeiten des Gesichts oder andere typische Symptome des Conradi-Hühnerman-Syndroms bemerkt werden, muss in jedem Fall ein Arzt konsultiert werden. Bei auffälligen Beschwerden wie dem charakteristischen grauen Star oder Wachstumsstörungen ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es sich um die genetische Erkrankung handelt – dann sollte man sofort mit dem Kinderarzt sprechen. Das Conradi-Hühnerman-Syndrom ist eine erbliche Erkrankung, die hauptsächlich bei weiblichen Patienten auftritt.

Eltern, die bei ihrem Kind genannte Symptome bemerken oder aufgrund einer Familienanamnese einen konkreten Verdacht auf eine Erkrankung haben, sollten umgehend einen Arzt hinzuziehen. Generell sollten ungewöhnliche Symptome und äußerliche Auffälligkeiten rasch abgeklärt werden, damit diese frühzeitig behandelt werden können.

Deshalb: bei einem bloßen Verdacht oder charakteristischen Anzeichen der Erkrankung zum Haus- oder Kinderarzt gehen. Weitere Ansprechpartner sind der Spezialist für Erbkrankheiten und Fachärzte für die jeweiligen Symptome. So sollte bei Sehstörungen ein Augenarzt hinzugezogen werden, während Wachstumsstörungen orthopädische Hilfe benötigen. Im medizinischen Notfall sollte der ärztliche Notdienst kontaktiert werden.

Behandlung & Therapie

Da sich das Conradi-Hünermann-Syndrom als genetisch bedingte Erkrankung, die bereits im Embryostadium zu morphologischen Veränderungen führt, darstellt, ist eine Heilung nicht möglich. Sämtliche Therapieansätze haben demnach einen symptomatischen Schwerpunkt. Ziel ist es also, die Beschwerden der Erkrankung zu lindern.

So können etwa Veränderungen der Haut durch Salben gelindert werden. Differenzen der Beinlängen bedürfen einer orthopädischen Behandlung. Veränderungen beziehungsweise Fehlstellungen der Wirbelsäule können zusätzlich durch das Tragen eines Korsetts therapiert werden.

Zur Behandlung von potenziell auftretenden Schmerzen werden Medikamente verschrieben. Krankengymnastische oder physiotherapeutische Konzepte können ein hilfreiches ergänzendes Element eines umfassenden und in sich abgestimmten Therapiekonzepts bilden.

Aussicht & Prognose

In der Regel kann das Conradi-Hünermann-Syndrom nicht ursächlich und kausal therapiert werden. Aus diesem Grund ist nur eine symptomatische Behandlung des Syndroms möglich, sodass es nicht zu einer vollständigen Heilung kommt.

Sollte das Conradi-Hünermann-Syndrom nicht behandelt werden, so leiden die Betroffenen an verschiedenen Fehlbildungen im Gesicht, die sich negativ auf die Ästhetik des Patienten auswirken können. Auch eine Wachstumsstörung tritt dabei auf, wobei in erster Linie Arme und Beine von dieser Störung betroffen sind. Durch die Längendifferenz kann es auch zu Einschränkungen in der Bewegung und damit im Alltag kommen.

Im Allgemeinen wirkt sich das Conradi-Hünermann-Syndrom sehr negativ auf die Entwicklung des Kindes aus und verlangsamt diese. Auch die Sehkraft des Patienten wird durch das Syndrom verringert, wobei es im schlimmsten Falle zu einem vollständigen Sehverlust kommt.

Die Behandlung des Conradi-Hünermann-Syndroms kann in erster Linie die Veränderungen der Haut und der Wirbelsäule kompensieren. Durch ein Korsett kann die Fehlstellung der Wirbelsäule dadurch gelindert werden. Auch eine Krankengymnastik oder eine Physiotherapie kann dabei Schmerzen lindern. Eine Vorbeugung des Conradi-Hünermann-Syndroms ist nicht möglich. Allerdings wird die Lebenserwartung des Patienten durch die Krankheit in der Regel nicht negativ beeinflusst.


Vorbeugung

Das Conradi-Hünermann-Syndrom wird durch ein fehlerhaftes Chromosom hervorgerufen. Die Erkrankung ist damit ausschließlich genetisch bedingt, sodass eine Vorbeugung gänzlich unmöglich ist.

Nachsorge

Da das genetisch bedingte Conradi-Hünermann-Syndrom beziehungsweise Happle-Syndrom mit Wachstumsstörungen einher geht, sind mehrere Arztbesuche schon in jungen Jahren die Regel. Die medizinische Behandlung kann wegen der genetischen Verursachung des Conradi-Hünermann-Syndroms nur symptomatisch ausfallen. Neben notwendigen medizinischen Maßnahmen, die sich aus dem Krankheitsbild ergeben, sind aber auch Nachsorgemaßnahmen hilfreich.

Eine der wichtigen Maßnahmen der Nachsorge sind Unterstützungsangebote psychischer Natur. Das direkte Umfeld sollte über die Natur der Erkrankung aufgeklärt werden, um Mobbing und Spott wegen der speziellen Optik der Betroffenen zu vermeiden.

Auch der Einsatz von Meditation, Entspannungsmethoden oder Yoga kann den Betroffenen helfen, besser mit den Erkrankungsfolgen umzugehen. Die Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe kann eine wichtige Maßnahme im Rahmen der Nachsorge sein. Sowohl die Erkrankten selbst, als auch die unmittelbaren Verwandten können hier Hilfe, Rat und Unterstützung erhalten.

Eine sinnvolle und erfüllende Freizeitgestaltung gehört beim Conradi-Hünermann-Syndrom ebenso dazu, wie regelmäßige Bewegung. Im Rahmen ihrer körperlichen Möglichkeiten können die Betroffenen Behindertensport betreiben. Dadurch wird auch sichergestellt, dass ein unterstützendes soziales Umfeld entsteht, in dem die Betroffenen sich angenommen fühlen.

Auf der Seite der medizinischen Nachsorge kann beim Conradi-Hünermann-Syndrom nicht allzu viel getan werden. Möglich sind aber Krankengymnastik und andere physiotherapeutischen Maßnahmen, die die Beweglichkeit erhalten. Solche Maßnahmen dienen außerdem der Schmerzlinderung.

Das können Sie selbst tun

Da zu den Symptomen der Erbkrankheit starke auffällige optische Veränderungen verbunden sind, sollte der Betroffene auf die Stärkung seines Selbstbewusstseins achten. Im Alltag ist trotz aller Beschwerden eine gute psychische Stabilität für den Erhalt einer guten Lebensqualität wichtig.

Damit der Umgang mit der Erkrankung für den Betroffenen und den Menschen des sozialen Umfeldes nicht mit Überraschungen oder unangenehmen Situationen verbunden ist, sollte eine gute Aufklärung über die Krankheit und deren Verlauf stattfinden. Das erleichtert das zwischenmenschliche Miteinander. Hilfreich ist eine entspannte Atmosphäre, in der grundsätzlich offen über die Erkrankung gesprochen werden kann und offene Fragen geklärt werden. Vorurteile und Hemmungen können darüber abgebaut werden.

Zur mentalen Stärkung können Entspannungsverfahren genutzt werden, die eigenständig jederzeit durchgeführt werden können. Meditation, Yoga oder die progressive Muskelrelaxation helfen, um Stress abzubauen und den Kopf frei zu bekommen. Als hilfreich werden häufig auch Selbsthilfegruppen empfunden. Hier tauschen sich Erkrankte aus, geben sich gegenseitig Halt und wichtige Hinweise.

Trotz der schwerwiegenden Beschwerden helfen Freizeit- sowie sportliche Aktivitäten bei der Erhaltung und dem Aufbau des Wohlbefindens. In Rücksichtnahme der körperlichen Möglichkeiten ist eine Teilnahme am sozialen Leben für die psychische Gesundheit wichtig. Im Kontakt mit anderen Menschen können Ängste abgebaut werden und die Lebensfreude gelebt werden.

Quellen

  • Braun, J., Dormann, A .J.: Klinikleitfaden Innere Medizin. Urban & Fischer, München 2013
  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • Witkowski R., Prokop O., Ullrich E.: Lexikon der Syndrome und Fehlbildungen. Springer, Berlin 2003

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