Depressionen im Spitzensport
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 4. November 2020Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Depression im Spitzensport hat spätestens nach dem Selbstmord des Torhüters Robert Enke die mediale Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Dennoch ist das Thema bisher noch nicht adäquat behandelt worden. Zwar ist die Krankheit längst in der Gesellschaft angekommen, eine Brücke zum Spitzensport gibt es, ungeachtet vieler Hilferufe seitens der Sportler und der Verantwortlichen, bisher jedoch noch nicht. Im Gegenteil, es muss vielmehr davon ausgegangen werden, dass das Thema, trotz prominenter Betroffener und flächendeckender Verbreitung weiterhin tabuisiert wird. Zu diesem Deckmantel des Schweigens muss darüber hinaus hinzugefügt werden, dass ungeachtet der alarmierenden Zahlen der Deutschen Sporthilfe (9,3 % der befragten Sportler leiden an einer depressiven Erkrankung) nur wenig Initiative ergriffen wurde, um dem Problem entgegenzuwirken. Die Tabuisierung sowie die Scham der Betroffenen zeigt sich ebenfalls bei der Umfrage des Bundesinstituts für Sportwissenschaft. Denn es gaben zwar 49,8 Prozent an, dass sie nicht depressiv seien, weitere 40,9 Prozent enthielten sich jedoch bei der Frage. Das zeigt, dass das Thema im Sport weiterhin tabuisiert wird.
Was sind Depressionen?
Um das Thema adäquat darstellen zu können, bedarf es zunächst einer Erklärung, was eine Depression überhaupt ist und welche Symptome auftreten können.
Definition: "Depressionen sind psychische Störungen, bei denen über längere Zeiträume charakteristische Symptommuster mit ausgeprägten Stimmungsveränderungen, insbesondere Niedergeschlagenheit, Freudlosigkeit, emotionale Leere, Interessenlosigkeit und Antriebsverlust bestehen. Damit verbunden treten häufig verschiedenste körperliche Beschwerden auf."(Quelle: Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie – Universtitätsklinikum Hamburg-Eppendorf)
Zunächst werden in einem Kapitel die Ursachen erläutert, die eine Depression hervorrufen können. Hier ist besonders von Stress, zu hohen Anforderungen, Verletzungen und damit verbunden dem Ausbleiben der geforderten Leistung zu sprechen. Als weiterer Punkt ist das Erleben und Verarbeiten von Misserfolgen als Ursache von Depressionen zu nennen. Kapitel zwei beschäftigt sich vorwiegend mit den vorbeugenden Maßnahmen, die sich nach dem Tod Enkes vereinzelt etabliert haben.
In Kapitel drei werden einige prominente Fälle beschrieben. Dies nicht nur im Hinblick auf die weite Verbreitung der Krankheit, sondern vielmehr bezüglich der vorherrschenden Tabuisierung und Scham der Sportler, sich aufgrund der Krankheit an die Öffentlichkeit zu wenden.
Das letzte Kapitel subsumiert die Ergebnisse. Darüber hinaus wird ein Ausblick gewagt. Ist ein Tabubruch realistisch und wie geht die Gesellschaft mit der Krankheit zukünftig um? Welche Entwicklung ist zu erwarten? Das sind die zentralen Fragen, die es abschließend zu beantworten gilt.
Ursachen
Sportler werden größtenteils nach ihren Leistungen bewertet. Ein Spieler, der sich zusätzlich selbst über seine Leistung definiert, ist einem erheblichen Druck ausgeliefert und besonders anfällig für eine Depression, falls die Leistung ausbleibt. Die Auslöser einer Depression schließen darüber hinaus mehrere Faktoren mit ein. Einerseits sind biologische Gründe, also Stresshormone und Botenstoffe im Gehirn ausschlaggebend.
Diese Neurotransmitter übermitteln Informationen zwischen den Synapsen und beeinflussen das tägliche Leben. Andererseits spielen einige psychologische Faktoren eine übergeordnete Rolle. Dauerhafte Überforderung am Arbeitsplatz oder belastende Lebensereignisse sind Situationen, die eine Depression auslösen können. Angewendet auf den Bereich des Spitzensports lassen sich folgende Trigger nennen.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Eine Depression bei einem Spitzensportler ist meist sehr schwer zu diagnostizieren, da dem Umfeld sehr häufig die nötige Aufmerksamkeit fehlt. Dennoch ist sie ein sehr oft vorkommendes Krankheitsbild, das durch Leistungs- und Erfolgsdruck in Kombination mit Selbstzweifeln und manchmal auch Rückschlägen ausgelöst werden kann.
Die meisten Erkrankten versuchen, ihre Erkrankung und die damit verbundenen Gefühlsschwankungen so gut es geht zu verbergen und entwickeln dabei häufig sehr großes Geschick. Die Symptome jedoch machen sich ebenso schwerwiegend bemerkbar wie bei jeder anderen Depression: Die Freude am eigenen Leben schwindet, eine Lethargie tritt ein und führt zu Motivationslosigkeit und Antriebsschwäche.
Dies wirkt sich negativ auf das Trainingsverhalten und die Trainingseffekte aus. Der Betroffene steht nun neben dem Leistungsdruck zusätzlich noch unter dem Druck, seine mangelnde Leistungsfähigkeit und die oftmals von ihm selbst nicht erkannte Erkrankung zu verbergen.
In der Folge der Verdrängung treten weitere Symptome auf, diese können von Appetitlosigkeit und Schlaflosigkeit bis hin zu psychosomatischen Erkrankungen führen. Sehr häufig kommt es auch zu einem gestörten Essverhalten, zu Verdauungsproblemen und zu Symptomen, die fälschlicherweise in den Bereich der Allergien eingeordnet werden.
Bei voranschreitender, unerkannter und unbehandelter Depression entwickelt sich das Krankheitsbild so stark, dass der Patient früher oder später nicht mehr in der Lage ist, seinen Sport auf Leistungsniveau auszuüben.
Trigger bzw. Auslöser
Stress: Viele Sportler erwähnen den enormen Stress, der auf den Athleten ruht. Dabei wird unterschieden zwischen wettkampf- und alltagsbezogenen Stressoren. Hier sind besonders Versagensängste und Konflikte mit Trainern, Partnern oder der Familie zu nennen.
Die Sportpsychologin Nixdorf, sowie ihre Kollegen Beckmann und Hautzinger haben diesen Zustand in ihrer Publikation: „Prevalence of depressive symptoms and correlating variables among German elite athletes: First insight. J Clin Sport Psychol“ auf den Spitzensport angewendet und arbeiteten eine Korrelation zwischen chronischem Stress und Depression heraus. Andere Sportpsychologen hingegen argumentieren, dass der psychische Stress als alleiniger Trigger nicht ausreicht.
Überhöhte Anforderungen: Die physische Belastung, der ein Sportler ausgesetzt ist, ist ein weiterer Grund für die Entstehung einer Depression. Diese hohen Belastungen sind notwendig, um die Leistung zu steigern. Die Anforderungen an den Sportler werden immer größer und er kann die Erwartungen ohne permanente Leistungssteigerungen nicht mehr erfüllen. Das Problem, in solchen Fällen wird häufig die Erholungsphase ignoriert. Sobald über einen längeren Zeitraum das Verhältnis zwischen Belastung und Erholung in ein Ungleichgewicht gerät, steigt das Risiko in den Zustand des Übertrainings zu geraten. Dies ist durch Müdigkeit, Gewichtsverlust, Appetitlosigkeit, emotionale Labilität sowie Schlafstörungen gekennzeichnet. Ein Vergleich zu einer herkömmlichen Depression zeigt die Ähnlichkeit der Symptome und verdeutlicht darüber hinaus, wie schnell der Sportler in diese Falle geraten kann.
Verletzungen: Eine schwere Verletzung ist ein weiterer Trigger, der zu einer Depression führen kann. Verletzungen wie ein Kreuzbandriss oder ein Schien- und Wadenbeinbruch können Sportler für mehrere Monate außer Gefecht setzen. Nicht jeder besitzt die Geduld und die Motivation, sich wieder in die Riege der Spitzenathleten hinein zu kämpfen. Wenn die Genesung darüber hinaus nicht nach den Wünschen des Sportler abläuft, sondern langwierig ist und er nicht mehr den früheren Leistungsstand erreichen kann, steigen die Risiken einer depressiven Erkrankung.
Denn in solchen Fällen bleibt der Sportler hinter seinen eigenen Erwartungen sowie denen der Fans und Betreuer zurück. Dieser Beitrag informiert über die Möglichkeiten, diesen Verletzungen vorzugbeugen. Demnach werden häufig die drei wichtigsten Aspekte der Prävention missachtet. Richtiges Aufwärmen, Dehnen und Abkühlen sollte jeder Sportler bei höheren Belastungen beherzigen.
Die Umfrage der deutschen Sporthilfe ergab darüber hinaus, dass besonders weibliche Athleten nach einer Verletzung unter Depressionen leiden. Dies bestätigten auch die Psychologen Appaneal, Levine, Perna und Roh 2009 in ihrer Publikation: „Measuring postinjury depression among male and female competitive athletes“. Die Studie der Sporthilfe ergab darüber hinaus, dass rund 10 bis 20 Prozent der verletzten Spitzensportler an einer Depression leiden. Hier ist die Dunkelziffer jedoch sehr hoch, die wahre Anzahl daher eher spekulativ.
Misserfolge: Das fehlende Verarbeiten häufig auftretender Misserfolge ist ein weiterer Trigger für eine Depression. Außerdem stellt Profisport inzwischen einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor dar. Besonders die Werbegelder, die jährlich fließen sind immens. Sportler, die als Werbeträger fungieren, sind meist auch die Leistungsträger und stehen besonders im öffentlichen Leben. Kritisch wird es, wenn gerade diese Spieler häufige Misserfolge verarbeiten müssen. Zum einen, da sie eine hohe mediale Aufmerksamkeit genießen und daher regelmäßig gezeigt werden und zum anderen, da Anhänger und Fans der Mannschaften eher die „Leitwölfe“ zur Verantwortung ziehen, als die, die weniger im Rampenlicht stehen.
Erscheinungsbild
Den erwähnten Zustand des Übertrainings erreicht ein Sportler laut Studien mindestens einmal in seiner Karriere. Damit einher geht die depressive Symptomatik, die im schlimmsten Fall in einer Depression enden kann. Doch wie macht sich diese bemerkbar? Es wurden bereits einige der Symptome stichpunktartig erwähnt.
Grundsätzlich macht sich Depression nicht nur durch Traurigkeit bemerkbar. Dieses Gerücht kursiert in der Gesellschaft, was belegt, wie wenig diese Krankheit in der Bevölkerung reflektiert wird. Denn die Symptome einer Depression sind vielseitig. Neben dem gesteigerten Pessimismus ist auch ein Verlust des sexuellen Interesses erkennbar.
Dies kann in suizidalen Gedanken gipfeln. Darüber hinaus macht sich eine Depression durch Konzentrationsstörungen und Entscheidungsunfähigkeit bemerkbar. Körperlich sind zudem Symptome wie eine Enge im Brustbereich, Durchfall sowie Verstopfung zu erwähnen.
Komplikationen
Im schlimmsten Falle kann es durch die Depressionen im Spitzensport zu Selbstmordgedanken und schließlich auch zum Selbstmord kommen. Dabei gehen dem Selbstmord in den meisten Fällen lange Phasen der Traurigkeit und der Depression voraus. Die psychischen Beschwerden wirken sich stark negativ auf die sozialen Kontakte und auch auf die sportliche Leistung aus.
Der Patient fühlt sich oft traurig und schwach und verliert den Lebenssinn. Oft kommt es auch zu Schamgefühlen und zu Minderwertigkeitskomplexen, die die psychischen Beschwerden und Depressionen noch weiter verstärken können. Oft treten durch die Depressionen im Spitzensport auch physische Beschwerden und Komplikationen ein, wie zum Beispiel Schwindel, Kopfschmerzen und Erbrechen mit Durchfall.
Dabei kommt es ebenfalls zu Konzentrationsstörungen und Wahrnehmungsstörungen. Nicht selten leiden die Patienten an Angstzuständen und haben ihr Leben nicht mehr vollständig im Griff. Die Behandlung erfolgt in den meisten Fällen durch einen Psychologen. In schwerwiegenden Fällen oder bei einem selbstverletzenden Zustand ist gegebenenfalls eine Einweisung in eine geschlossene Klinik notwendig.
In den meisten Fällen vergeht ein langer Zeitraum, bis die Behandlung der Depressionen im Spitzensport anschlägt und der Patient sich seiner Erkrankung bewusst wird. Die Behandlung führt oft zum Erfolg und es treten keine weiteren Komplikationen auf. Allerdings besteht die Gefahr, dass der Patient wieder rückfällig wird.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Spitzensportler leiden sehr häufig unter dem emotionalen Druck, dem sie sich im Laufe ihrer Karriere ausgesetzt fühlen. Sobald sie eine Lustlosigkeit wahrnehmen, die über mehrere Tage anhält, sollten sie prüfen, ob sie unterstützend mit einem Therapeuten zusammen arbeiten wollen. Da sich Depressionen langsam ausbilden, ist eine rechtzeitige Kontaktaufnahme zu empfehlen.
Treten mehrere Gewinne als Zweitplatzierung auf, steigt in den meisten Fällen das Gefühl des Versagens und ein Zweifel an der eigenen Fähigkeiten setzt ein. Daher ist es ratsam, dass die inneren Wahrnehmungen nach einem Wettkampf grundsätzlich mit einem Arzt besprochen werden. Dieser kann neutraler einschätzen, ob weitere Hilfe benötigt wird. Hat der Betroffene das Gefühl, dass seine Leistungen nicht seinen Möglichkeiten entsprechen, helfen ein Arzt oder Therapeut bei der Lösungsfindung.
Tritt das Gefühl auf, dass sich der Sportler von seinem Trainer sowie Teammitgliedern nicht verstanden fühlt, benötigt er Vertrauenspersonen. Dieser kann er häufig außerhalb der Vereinsmitglieder bei einem Therapeuten finden. Geht die Freude und der Spaß am Sport verloren, sind die Ursachen dafür zu erforschen. Treten trotz vorhandener Erfolgserlebnisse und Wettkampfgewinne wiederholt keine Glücksgefühle auf, sollte ein Therapeut aufgesucht werden. Bei Gedanken an Suizid oder einer anhaltenden Antriebslosigkeit, benötigt der Spitzensportler Hilfe und eine emotionale Unterstützung eines Psychologen oder Psychotherapeuten.
Behandlungswege
Sportler, die diese Symptome mehrfach bei sich selbst feststellen, sollten einen Arzt aufsuchen. Dabei ist es ratsam, zunächst den Hausarzt für eine erste objektive Einschätzung zu besuchen, empfiehlt Dr. Dr. Frank Schneider, Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychologischer Psychotherapeut.
Falls der Hausarzt eine Depression für möglich hält, wird der betroffene Sportler an einen Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie überstellt. Es gibt mehrere psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlungsangebote, die nicht nur präventiv versuchen, Sportler und Betreuer zu sensibilisieren, sondern auch im Ernstfall frühzeitig intervenieren können.
Psychotherapie
Um die depressiven Denkmuster und die Symptome zu lindern, wird die Psychotherapie in drei Schritte gegliedert. Zum einen soll eine normale Tagesstruktur aufgebaut werden. Das heißt, dass der Patient einerseits bewusst angenehme Tätigkeiten erfüllen soll, auf der anderen Seite jedoch auch Pflichten im Alltag zu bewältigen hat.
Der zweite Schritt befasst sich mit dem Abbau negativer Denkmuster. Der Betroffene soll erkennen, dass die einseitigen, negativen Denkmuster durchaus auch aus einer anderen Perspektive betrachtet werden können, die unter Umständen zu einem positiveren Fazit führen.
Der dritte Aspekt ist das Training der sozialen Kompetenzen. Dies ist besonders wichtig, da depressive Menschen lernen müssen, zum einen mit anderen Personen in Kontakt zu treten und zum anderen ihre eigenen Sichtweisen selbstbewusst zu vertreten.
Medikamentöse Behandlung
Nicht selten wird bei einer Depression auf Antidepressiva zurückgegriffen. Für Sportler bedeutet das, dass die Medikamente mit der Liste der Welt Anti-Doping Agentur abgeglichen werden müssen. Denn diverse Substanzen sind als Dopingmittel deklariert und im Profisport verboten. Diese weiterführenden Informationen helfen bei der Orientierung, welche Mittel im Leistungssport verboten sind. Aus diesem Grund ist es wichtig, die verschriebenen Medikamente mit der Liste abzugleichen. Grundsätzlich stehen Antidepressiva jedoch nicht auf der Liste, dennoch sind die Richtlinien zu berücksichtigen.
Aussicht & Prognose
Die Prognose der Depressionen im Spitzensport ist individuell und abhängig von verschiedenen Faktoren. Ungünstig ist der Verlauf, sobald es zu weiteren psychischen Erkrankungen kommt. Diese bedürfen häufig einer mehrjährigen intensiven Therapie.
Die Prognose verbessert sich bei einem offenen Umgang mit der Erkrankung und einem verständnisvollen sozialen Umfeld. Viele Sportler erleben dies als eine Erleichterung. Ebenfalls hilfreich für eine gute Prognose ist die Kombination einer Psychotherapie mit der Gabe von Medikamenten. Da die Arzneien strengen sportlichen Richtlinien der Anti Doping Agentur unterliegen, muss eine besondere Rücksicht genommen werden. Alternativ kann auf die Nutzung von natürlichen Heilmitteln ausgewichen werden.
Spitzensportler stehen unter einer besonderen Aufmerksamkeit und dem öffentlichen Interesse. Dies stellt in der Behandlung der Depression eine Herausforderung dar, auf die eingegangen werden muss. Da häufig die privaten Aktivitäten des Spitzensportlers durch die Presse unter Beobachtung stehen und an die Öffentlichkeit weitergegeben werden, wird die Privatsphäre des Sportlers verletzt. Dies schlägt sich bei vielen Betroffenen negativ auf die Prognose nieder und kann das Risiko einer erneuten depressiven Phase verstärken.
Bei einem Ausbleiben von sportlichen Erfolgen besteht zusätzlich das Risiko eines negativen Einflusses auf die Gesundheit des Spitzensportlers. Schafft es der Erkrankte auch außerhalb des Sports Erfolgserlebnisse aufzubauen, verbessert sich im Normalfall das Wohlbefinden.
Vorbeugende Maßnahmen
Der Lehrstuhl für Sportpsychologie der TU München hat einen Reihe von Vorschlägen zur präventiven Maßnahme erlassen, die sowohl den Sportlern als auch den Verantwortlichen in den Vereinen helfen sollen, depressive Symptome zu bekämpfen. Hier sind besonders Trainer und Betreuer zu nennen, die das Verhalten der Spieler objektiv gut beurteilen und so die Krankheit früh erkennen können.
Zu den Präventivmaßnahmen gehört zum einen das Anpassen der Trainingsbelastung, denn der Zustand des Übertrainings ist im Leistungssport eine dauerhafte Gefahr. Des Weiteren soll die Regeneration gefördert werden. Abwechslungsreiche Erholungsphasen helfen den Athleten, dem Stress entgegenzuwirken. Der Faktor Stress soll ohnehin stärker berücksichtigt werden im Leistungssport, denn wenn ein Sportler diese bewältigen kann, dann mindert er das Risiko depressiver Symptome.
Der Umgang mit diesen Situationen hilft darüber hinaus, Misserfolge zu verarbeiten. Manche Sportler, die die Misserfolge nicht verarbeiten können, laufen Gefahr, an dauerhaften Misserfolgen zu zerbrechen. Darüber hinaus ist es wichtig, dass den Sportlern ein Umfeld geboten wird, in welchem sie bei etwaigen Symptomen jederzeit Hilfsangebote zur Verfügung haben und falls nötig auch beim Trainings- und Wettkampfbetrieb entsprechend berücksichtigt werden.
Nachsorge
Depressionen im Spitzensport sind ein häufiges, aber meist tabuisiertes Phänomen. Aus diesem Satz ergibt sich bereits die Problematik der Nachsorge. Würde die Sportwelt offen mit diesem Thema umgehen, könnte jeder depressive Leistungssportler tagsüber und in aller Öffentlichkeit zum Therapeuten gehen. Er könnte eine adäquate Akutbehandlung erfahren und eine Nachsorge erhalten, damit er anschließend psychisch stabil bleibt.
Das Problem ist, dass viele Leistungssportler mit Burn-out, Essstörungen, Angststörungen, Schlafstörungen oder Depressionen ihr Leiden verheimlichen müssen. Manche Spitzensportler gehen heimlich und unter falschem Namen zu einem Psychiater oder in eine Fachklinik. Andere bleiben aus Angst um ihren Ruf ohne jede Behandlung. Unter solchen Bedingungen ist eine Nachsorge schwer umzusetzen. Hinzu kommt, dass Klinikaufenthalte oft als verletzungsbedingte Klinikaufenthalte ausgegeben werden. So soll kein Verdacht auf eine psychische Erkrankung aufkommen.
Psychiatrische Nachsorge wäre unter Leistungssportlern besonders sinnvoll. Die meisten depressiven Spitzensportler bleiben im Spitzensport tätig. Sie sind also weiterhin Stress, Erfolgszwängen und Leistungsdruck ausgesetzt. Zudem nehmen manche von ihnen Antidepressiva ein. Einige ersetzen oder ergänzen diese womöglich eigenmächtig durch Beruhigungsmittel und Ähnliches. Daher müssten Spitzensportler mit Depressionen medinisch überwacht werden - und zwar nicht nur, was das Körperliche angeht.
Präventionsmaßnahmen wären durch die Sportvereine genauso erforderlich wie eine Nachsorge von depressiven Spitzensportlern durch geschulte Fachärzte.
Sprechstunde mit einem Sportpsychologen
Sportler und Vereine sollten in ihrem Beraterstab einen Sportpsychologen beschäftigten. Die psychologische Abteilung des Deutschen Fußball-Bunds betreut sowohl Spieler als auch Trainer der Nationalmannschaften.
Hans-Dieter Hermann ist seit zehn Jahren der Psychologe der Herren-Nationalmannschaft und bestätigt die Erkenntnisse, die in der Forschung bisher publiziert wurden. Die Tatsache, dass Nationalspieler sowohl auf dem Platz ihre Leistung bringen müssen, als auch deren Verhalten neben dem Platz immer beurteilt wird, kann die psychische Leistungsfähigkeit der Sportler beeinträchtigen. Des Weiteren darf nicht vergessen werden, dass Profisportler auch über ein Privatleben verfügen, in dem es hin und wieder kriseln kann. Entsprechend fungiert der Sportpsychologe nicht zwingend nur als sportlicher Therapeut, sondern ebenfalls als Ansprechpartner, wenn das Privatleben aus den Fugen gerät.
Allerdings muss immer bedacht werden, dass der Sportpsychologe vom „Arbeitgeber“ angestellt wurde. Gerade bei dem Tabuthema Depression ist zu bedenken, dass sich der Sportler bei seinem Verein „outet“. Unabhängige Therapeuten oder Psychologen sind daher eine weitere Alternative, falls dem Thema innerhalb des Vereins nicht die notwendige Aufmerksamkeit gewidmet wird.
Reaktionen der Verbände & Vereine
Der Selbstmord Robert Enkes vor fünf Jahren hat nicht nur die Öffentlichkeit aufgeweckt, sondern ebenso die Vereine und Verbände. Die Deutsche Fußball Liga (DFL) hat die Vereine mittlerweile verpflichtet, einen Psychologen einzustellen. Einem Bericht des Nachrichtenmagazins Focus zufolge, wurde die Szene jedoch immer noch nicht hinlänglich sensibilisiert.
Maximilian Türk von der DFL bestätigte, dass die Vereine dazu verpflichtet seien. Schwerpunkt sei es, besonders die jungen Spieler auf das harte Geschäft des professionellen Fußballs vorzubereiten. In den Fanlagern zählen die Initiativen der Vereine jedoch relativ wenig. Hier gilt nur der Erfolg und wenn dieser ausbleibt, müssen sich einzelne Spieler den Schmährufen und Pfiffen stellen.
Die Robert Enke Stiftung
Nach dem Freitod des Torwarts haben sowohl der Deutsche Fußball-Bund, der Ligaverband sowie der Bundesligist Hannover 96 eine gemeinnützige Stiftung gegründet, die die Aufklärung über die Krankheit Depression unterstützt.
Die Robert Enke Stiftung informiert die Sportart sowie die breite Bevölkerung durch Studien und Diskussionen über die Krankheit. Dabei erfährt die Initiative großen Zulauf. Beispielsweise wurde kürzlich eine fünftätige Sonderausstellung in Hannover veranstaltet, um einerseits dem Torwart zu gedenken und andererseits den Menschen einen Eindruck zu vermitteln, wie sich Depression „anfühlen“ kann.
Dies wurde in einem separaten Raum durch unterschiedliche akustische, soziale und visuelle Reize dargestellt. Darüber hinaus bietet die Stiftung ein Beratungsangebot für Menschen an, die ebenfalls unter dieser Krankheit leiden.
Bekannte Beispiele
Sebastian Deisler
Der ehemalige Fußballprofi hat 2003 seine Krankheit öffentlich gemacht. Damit brach er ein Tabu im Profisport. Zum damaligen Zeitpunkt war der Spielmacher der Nationalmannschaft gerade einmal 23 Jahre alt. Vier Jahre später beendete er offiziell seine Karriere, nachdem er mehrere Therapien durchlaufen hatte. Insgesamt musste sich Deisler während seiner Karriere sieben Mal am Knie und an der Leiste operieren lassen. Zwar erntete er Verständnis für seinen Schritt, aber er wurde auch von einigen aus der Szene als „Pflegefall“ bezeichnet.
Gianluigi Buffon
Ein Sportler, der es geschafft hat, die Krankheit zu besiegen und auch später noch als professioneller Torwart auf dem Platz stand, ist Gianluigi Buffon. "Die Probleme sind genau in einem Schnittpunkt meines Lebens aufgetreten. In der Umbruchphase zwischen Jugend und dem Erwachsenwerden. In meinem Kopf haben sich viele Dinge verändert. Jetzt geht es mir wieder gut", sagte Buffon, der binnen sechs Monaten die Depression überwinden konnte.
Robert Enke
Der Tod Enkes 2009 war für den Deutschen Fußball ein Schockmoment. Vor dessen Selbstmord durchlief der Torhüter einen Spießroutenlauf durch den Profifußball. Zunächst als absolutes Talent in den Jugendauswahlen gefeiert und Bundesligatorhüter bei Borussia Mönchengladbach und später bei Hannover 96. In der Zwischenzeit durchlebte Enke diverse Höhen und Tiefen, die ihn prägten, aber auch in die Depression stürzten. Für den deutschen Profisport stellte der Selbstmord eine Zäsur dar, schließlich wurden erst ab diesem Zeitpunkt erste Initiativen gestartet, um gegen die Krankheit im Sport vorzugehen.
Fazit
Was hat sich in der Öffentlichkeit bezüglich der Krankheit Depression im Spitzensport getan? Diese Frage ist nicht einfach zu beantwortet. Positiv hervorzuheben sind sicherlich die Initiativen, die einerseits von der DFL ins Leben gerufen wurden, sowie die Stiftungen, die sich mit dem Thema befassen. Darüber hinaus muss anerkannt werden, dass eine Vielzahl von Studien das Thema aus den unterschiedlichsten Blinkwinkeln untersuchen. Stellvertretend ist hier die Studie der Deutschen Sporthilfe zu nennen, die durch eine anonyme Umfrage im Profisport die Dringlichkeit aufgezeigt hat.
Tabubruch
Die einleitend aufgestellte These, dass Depression im Profisport weiterhin tabuisiert wird, kann nicht gänzlich widerlegt werden.
Obgleich einige prominente Beispiel gezeigt haben, dass die Krankheit einerseits eine hohe suizidale Gefahr darstellt, aber auf der anderen Seite durch professionelle therapeutische Maßnahmen durchaus überwunden werden kann, findet sich weiterhin in der Öffentlichkeit kaum Verständnis für Sportler, die mit Depression zu kämpfen haben.
Ausblick
Einen Ausblick zu wagen bei diesem heiklen Thema, ist demnach denkbar schwer. Fakt ist jedoch, solange sich die gesellschaftliche Meinung gegenüber der Krankheit nicht ändert, wird auch der Profisport das Thema weiterhin tabuisieren. Besonders die Fanlager sind weiterhin von ignoranten Tendenzen geprägt, die sich nicht ändern werden, wenn sich nicht der gesamte Eindruck über die Krankheit innerhalb der Gesellschaft wandelt.
Das können Sie selbst tun
Die Krankheit der Depression kann sich auf das Leben und den Erfolg von Spitzensportler negativ auswirken. Wer an einer Depression leidet, sollte unverzüglich einen Spezialisten in Form eines Psychiaters oder Psychotherapeuten aufsuchen. Neben der medizinischen Behandlung können sich auch zahlreiche Selbsthilfe-Tipps positiv auf das Krankheitsbild der Depression auswirken.
Da Spitzensportler meist unter einem großen Leistungsdruck stehen, ist es wichtig, sich ausreichend zu entspannen. Neben den Anspannungsphasen sollte es auch ausreichend Entspannungsphasen im Alltag des Sportlers geben. Die Sportler sollten ihrer inneren Stimme folgen und öfter Tätigkeiten nachgehen, die ihnen gut tun - ganz egal ob es sich dabei um ein heißes Bad, ein gutes Buch, eine entspannende Musik oder einen ruhigen Spaziergang handelt. Jeder Mensch ist anders und hat individuelle Vorlieben und Hobbys. Auch Entspannungstechniken wie zum Beispiel das autogene Training oder die progressive Muskelentspannung können die körperliche und geistige Anspannung verringern und somit die Zufriedenheit und das Wohlbefinden der Sportler steigern.
Daneben sollten die Sportler stets auf eine ausgewogene Ernährung achten, die auf die vermehrte körperliche Aktivität angepasst ist. Eine gute Ernährungsweise versorgt den Körper mit allen Nährstoffen, die für eine reibungslose Funktionsweise benötigt werden. Da meist ein hoher Leistungsdruck zum Leben eines Spitzensportlers gehört, sollten die Sportler stets an ihrem Selbstwertgefühl und an ihrer mentalen Stärke arbeiten.
Quellen
- Arolt, V., Reimer, C., Dilling, H.: Basiswissen Psychiatrie und Psychotherapie. Springer, Heidelberg 2007
- Davison, G.C., Neale, J.M., Hautzinger, M.: Klinische Psychologie. Beltz PVU, München 2007
- Lieb, K., Frauenknecht, S., Brunnhuber, S.: Intensivkurs Psychiatrie und Psychotherapie. Urban & Fischer, München 2015