Familiäre adenomatöse Polyposis

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 25. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Bei der familiären adenomatösen Polyposis handelt es sich um eine Erkrankung, deren Vererbung auf autosomal-dominante Weise erfolgt. Dabei wird der Dickdarm von Polypen befallen, die die Entstehung von Darmkrebs zur Folge haben.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine familiäre adenomatöse Polyposis?

Die ersten Beschwerden zeigen sich bei einer familiären adenomatösen Polyposis in einem Alter zwischen 10 und 25 Jahren. In den meisten Fällen verläuft die Krankheit zunächst unbemerkt.
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Unter einer familiären adenomatösen Polyposis (FAP) wird eine autosomal-dominante Krankheit verstanden, bei der es zur Entstehung von multiplen adenomatösen Polypen im Bereich des Dickdarms kommt. So zählt die FAP zu den Erbkrankheiten, die durch Gendefekte hervorgerufen werden. Die familiäre adenomatöse Polyposis bedeutet für Kinder der betroffenen Eltern ein Risiko von mehr als 50 Prozent an dem gleichen Leiden zu erkranken, wenn das andere Elternteil nicht betroffen ist.

Bei circa einem Drittel aller Patienten lässt sich dieser Hinweis allerdings nicht erbringen. Es wird daher davon ausgegangen, dass der Gendefekt von selbst neu hervorgerufen wird. Bereits bei Jugendlichen kommt es zur Bildung von Polypen innerhalb des Darms. Zunächst sind sie noch gutartig. Im weiteren Verlauf entarten sie jedoch bösartig.

So besteht die Wahrscheinlichkeit bei einer familiären adenomatösen Polyposis zu beinahe 100 Prozent, dass es zur Ausprägung von Darmkrebs kommt. Die FAP hat unter den Darmkrebsarten einen Anteil von circa einem Prozent. Die familiäre adenomatöse Polyposis gilt als seltene Erkrankung. Schätzungen zufolge sind ungefähr fünf bis zehn von 100.000 Personen von der Genmutation betroffen.

Ursachen

Als Ursache für die familiäre adenomatöse Polyposis gilt eine Mutation des APC-Gens. Dieses Gen nimmt eine bedeutende Funktion innerhalb des Abbaukomplexes des ß-Catenins ein. Außerdem ist es wichtig für den Aufbau der Mitosespindel. Tritt eine Mutation des Gens auf, hat dies ein Bremsen der Ubitiquitinierung des ß-Catenins zur Folge.

Dabei handelt es sich um das Übertragen des Proteins Ubitiquin auf ein Zielmolekül. Aus diesem Grund wird das ß-Catenin von den Proteasomen nicht mehr korrekt abgebaut, wodurch es akkumuliert und für das Steigern der Proliferation (rasche Wucherung von Gewebe) verantwortlich ist. Weil auch der Abbau der Mitosespindel daran beteiligt ist, hat dies eine Fehlfunktion des APC-Gens zur Folge, was sich durch häufige Fehlverteilungen der Chromosomen bemerkbar macht. Dies zieht ein bösartiges Entarten des Gewebes nach sich.


Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Die ersten Beschwerden zeigen sich bei einer familiären adenomatösen Polyposis in einem Alter zwischen 10 und 25 Jahren. In den meisten Fällen verläuft die Krankheit zunächst unbemerkt. Später machen sich Beschwerden wie Verstopfung oder Durchfall, Blähungen, der Abgang von Blut oder Schleim, Bauchschmerzen sowie Schmerzen im Enddarm bemerkbar.

Des Weiteren leiden die Patienten oftmals unter dem Verlust von Gewicht. Eine mildere Variante der FAP stellt die attenuierte familiäre adenomatöse Polyposis (AFAP) dar. Sie zeigt sich in späteren Lebensjahren und fällt durch weniger Polypen als die FAP auf. Die Gefahr an Darmkrebs zu erkranken, liegt jedoch letztlich genauso hoch wie bei der familiären adenomatösen Polyposis.

Bei manchen Patienten treten mitunter gutartige Veränderungen außerhalb des Dickdarms auf, die sich bereits vor der Bildung der Darmpolypen zeigen. Sie gelten als Indiz für eine FAP. Daher sollten sie stets gründlich untersucht werden.

Diagnose

Besteht Verdacht auf eine familiäre adenomatöse Polyposis, sollte ein Arzt aufgesucht werden. Dieser kann die Erkrankung durch die Durchführung einer Darmspiegelung (Koloskopie) sowie der Entnahme einer Gewebeprobe (Biopsie) diagnostizieren.

Handelt es sich um Risikopatienten, wird diesen empfohlen, sich ab dem 10. Lebensjahr regelmäßig einer Darmspiegelung zu unterziehen. Diese findet zumeist im Abstand von einem Jahr statt. Wird eine Enddarmspiegelung (Rektosigmoidoskopie) vorgenommen, betrachtet der Arzt den unteren Darmabschnitt, was für den Patienten nicht mit Schmerzen verbunden ist.

Aus diesem Grund ist selbst bei Kindern keine Betäubung notwendig. Vor der Untersuchung erhält der Patient einen geringfügigen Einlauf. Liegt eine milde Form der FAP vor, kommt meist eine komplette Dickdarmspiegelung zur Anwendung. Gleiches gilt für einen Polypenbefund nach einer Enddarmspiegelung.

So lässt sich mit diesem Verfahren feststellen, ob sich auch im restlichen Darm Polypen befinden. Die Koloskopie gilt als unangenehmer als die Rektosigmoidskopie, weil es zu Schmerzen kommen kann. Daher erhalten die Patienten im Vorfeld ein Beruhigungsmittel. Durch eine familiäre adenomatöse Polyposis tritt bei 70 bis 100 Prozent aller Patienten eine Entartung der Darmpolypen in Darmkrebs ein. Dies lässt sich nur durch das chirurgische Entfernen des Darms vermeiden.

Komplikationen

Bei einer familiären adenomatösen Polyposis kann es zu verschiedenen Komplikationen kommen. Im schlimmsten Fall leidet der Betroffene im Laufe der Erkrankung an Darmkrebs und kann daran versterben. Durch den Darmkrebs selbst kann es ebenso zu weiteren Beschwerden und Komplikationen kommen.

Die Beschwerden bleiben leider zuerst unbemerkt, sodass eine Diagnose nicht frühzeitig erfolgen kann und die Krankheit in der Regel nur durch einen Zufall festgestellt wird. Erst im Erwachsenenalter kommt es zu Beschwerden am Magen und am Bauch. Die meisten Patienten leiden dabei an starken Blähungen, Verstopfung und auch an Durchfall. Nicht selten treten dabei Bauchschmerzen auf.

Ebenso häufig ist der Abgang blutig und schleimig, was bei vielen Menschen eine Panikattacke auslösen kann. Es kommt dadurch zu einem Gewichtsverlust und in vielen Fällen zur Dehydrierung. Bei der Diagnose kommt es zu keinen Komplikationen, diese wird in Form einer Darmspiegelung durchgeführt.

Die Behandlung erfolgt dann in der Regel in Form einer Operation, bei welcher der Darm entfernt wird. Dabei ist der Betroffene auf einen künstlichen Ausgang angewiesen, welcher die Lebensqualität erheblich verringert und zu starken psychischen Beschwerden führen kann. Diese Beschwerden treten vor allem dann auf, wenn die Patienten noch sehr jung sind.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Diese Erkrankung muss in jedem Fall von einem Arzt untersucht und behandelt werden. Sollte es nicht zu einer Behandlung kommen, so kann die Krankheit zur Ausbildung von Darmkrebs und damit auch zum Tod des Patienten führen. Eine frühe Diagnose ermöglicht damit eine frühzeitige Behandlung und dadurch auch die Chancen auf einen positiven Krankheitsverlauf.

Ein Arzt sollte dann aufgesucht werden, wenn der Patient an Magenbeschwerden oder an Darmbeschwerden leidet, die über einen längeren Zeitraum anhalten. Dazu gehören vor allem Durchfall oder Verstopfung, wobei es auch zu Blähungen oder staken Schmerzen im Bauch kommen kann.

Eine sofortige Untersuchung ist dann notwendig, wenn der Betroffene an blutigem Stuhlgang leidet. In der Regel treten die Beschwerden sehr häufig auf, können allerdings nicht zu einer Allergie oder zu einer Unverträglichkeit zugeordnet werden. Die Diagnose der Erkrankung erfolgt in den meisten Fällen durch einen Internisten.

Mit Hilfe einer Darmspiegelung kann die Krankheit relativ einfach diagnostiziert werden. Auch die weitere Behandlung erfolgt in den meisten Fällen durch einen Internisten oder durch einen Chirurgen. Der weitere Verlauf der Krankheit hängt allerdings sehr stark von ihrem Fortschreiten ab.

Behandlung & Therapie

Hat sich das Bestehen einer familiären adenomatösen Polyposis bestätigt, empfiehlt der Arzt in der Regel das Entfernen von Dickdarm und Mastdarm. Zu diesem Zweck stehen drei Operationsverfahren zur Verfügung. Dazu gehört die Proktokolektomie mit einer ileopuchanalen Anastomose. Dabei werden Mastdarm und Dickdarm herausoperiert, während der Schließmuskel erhalten bleibt.

Der Patient erhält für etwa drei Monate einen künstlichen Darmausgang. Die zweite Methode trägt die Bezeichnung ileorektale Anastomose. Dabei wird der Dickdarm samt Dünndarm-Enddarm-Verbindung entfernt. Der Enddarm verbleibt im Körper, während das Dünndarmende an den Enddarm angenäht wird. Das Verfahren lässt sich nur dann durchführen, wenn sich im Enddarm keine Polypen befinden.

Im Rahmen der Proktoelektomie, die die dritte Methode darstellt, erfolgt das komplette Entfernen von Dickdarm und Enddarm. Ebenso wird der Schließmuskel entfernt. Nach dem Verschluss des Darmausganges behält das Gesäß normalerweise seine Kontur. Der Patient bekommt dauerhaft einen künstlichen Darmausgang.

Aussicht & Prognose

Die Prognose der familiären adenomatöse Polyposis ist in einer Vielzahl der Fälle ungünstig, obgleich es durch die Erkrankung zu keiner Verkürzung der durchschnittlichen Lebenserwartung kommt.

Die Erbkrankheit wird durch ein mutiertes Gen verursacht. Da rechtliche Vorgaben einen Eingriff in die Genetik der Menschen nach dem derzeitigen Stand untersagen, können Wissenschaftler und Mediziner keine Veränderungen vornehmen. Dadurch kommt es zu einer symptomatischen Behandlung des Patienten. Diese wird in einem operativen Verfahren vorgenommen. Operationen sind grundsätzlich mit verschiedenen Risiken und Nebenwirkungen verbunden. Es können Komplikationen auftreten, die zu Folgeerkrankungen oder Beschwerden führen.

Der Behandlungsplan sieht eine Entfernung von Teilen des Darms vor. Ist die Operation erfolgreich, wird der Patient im Normalfall nach einigen Wochen oder Monaten als geheilt aus der Behandlung gelassen. Das Ende der medizinischen Betreuung richtet sich nach der angewendeten Methode. Bleibt der Schließmuskel erhalten, kann der Patient bereits nach der Wundheilung entlassen werden. Wird vorübergehend ein künstlicher Darmausgang gelegt, dauert die Behandlung mehrere Monate.

Kontrolluntersuchungen finden bei beiden Methoden im Anschluss in regelmäßigen Abständen statt. Diese müssen bis zum Lebensende eingehalten werden, damit Veränderungen und Auffälligkeiten möglichst frühzeitig bemerkt werden. In schweren Fällen muss dauerhaft ein künstlicher Darmausgang gelegt werden. Hier benötigt der Patient eine lebenslange ärztliche Betreuung.


Vorbeugung

Eine Vorbeugung gegen die angeborene familiäre adenomatöse Polyposis ist nur schwer möglich. Zur Verlangsamung des Polypenwachstums kann die Einnahme von Medikamenten wie Celecoxib oder Sulindac hilfreich sein. Trotzdem besteht das hohe Krebsrisiko weiterhin.

Nachsorge

Bei dieser Krankheit stehen dem Betroffenen meistens nur sehr wenige Möglichkeiten einer Nachsorge zur Verfügung. Hierbei ist der Betroffene in erster Linie auf eine frühzeitige Diagnose angewiesen, damit es zu keinen weiteren Komplikationen oder Beschwerden kommt. Eine Selbstheilung kann bei dieser Krankheit nicht eintreten, sodass immer eine medizinische Untersuchung und Behandlung durchgeführt werden sollte.

In der Regel ist der Betroffene bei dieser Krankheit auf einen operativen Eingriff angewiesen. Nach einem solchen Eingriff sollte sich der Betroffene auf jeden Fall ausruhen und seinen Körper schonen. Von Anstrengungen oder anderen stressigen und körperlichen Betätigungen ist dabei abzusehen, um den Körper nicht unnötig zu belasten. In vielen Fällen ist dabei auch die Hilfe und die Unterstützung durch Freunde oder durch die eigene Familie sehr wichtig.

Dabei kann auch eine psychologische Unterstützung stattfinden, damit es zu keinen psychischen Verstimmungen oder zu Depressionen kommt. Auch nach einer erfolgreichen Behandlung sind regelmäßige Kontrollen des Darms notwendig, um weitere Schäden früh zu erkennen. Eventuell ist durch diese Krankheit auch die Lebenserwartung des Betroffenen verringert. Nach dem Eingriff sind keine weiteren Maßnahmen einer Nachsorge möglich.

Das können Sie selbst tun

Die familiäre adenomatöse Polyposis bietet nur wenige Möglichkeiten zur Selbsthilfe. Die natürlichen Regenerierungsprozesse des Körpers reichen nicht aus, um eine Heilung der Erkrankung zu erzielen.

Im Alltag kann auf eine gesunde Lebensführung geachtet werden, damit der Organismus gestärkt wird. Da die Erkrankung in vielen Fällen zu Darmkrebs führt, sollte insbesondere auf eine gesunde Darmflora wert gelegt werden. Eine ausgewogene und vitaminreiche Kost, die leicht verdaulich ist und den Darm nicht belastet, sollte aufgenommen werden.

Kohlenhydrate und tierische Fette sind zu vermeiden oder zu reduzieren. Ballaststoffe sowie frisches Obst und Gemüse werden vom Körper gut verdaut und stärken die innere Abwehrfunktion. Zusätzlich verhilft ausreichende Bewegung und Sport, da diese Aktivitäten die Gesundheit fördern.

Neben den positiven körperlichen Impulsen ist eine mentale Unterstützung wichtig. Die Psyche und die Grundeinstellung zum Leben haben eine Auswirkung auf das Wohlbefinden. Stress sollte vermieden oder möglichst schnell abgebaut werden. Hilfreich ist die Nutzung von Entspannungstechniken wie Yoga oder Meditation.

Die innere Balance wird hergestellt und erleichtert damit einen Umgang mit der Erkrankung sowie deren Beschwerden. Auseinandersetzungen mit Mitmenschen sollten reduziert werden. Harmonie, der Austausch mit sozialen Kontakten und eine vielseitige Freizeitgestaltung haben einen positiven Einfluss auf den Patienten.

Quellen

  • Koop, I.: Gastroenterologie compact. Thieme, Stuttgart 2013
  • Messmann, H.: Klinische Gastroenterologie. Thieme, Stuttgart 2012
  • Murken, J., Grimm, T., Holinski-Feder, E., Zerres, K. (Hrsg.): Taschenlehrbuch Humangenetik. Thieme, Stuttgart 2011

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