Primidon
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 21. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Primidon ist ein Antikonvulsivum aus der pharmakologisch wirksamen Gruppe der krampflösenden Arzneimittel. Es wird zur Langzeittherapie verschiedener Epilepsieformen angewendet.
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Was ist Primidon?
Primidon verzeichnet eine krampflösende Wirkung bei Patienten mit Epilepsie. Es wird der Wirkstoffgruppe der Antiepileptika zugerechnet. Die chemische Einordnung erfolgt in die Gruppe der Barbiturate.
Es handelt sich um ein Prodrug, eine Vorstufe der medizinisch wirksamen Substanz. Der menschliche Organismus wandelt Primidon in das stark wirkende Phenobarbital (Desoxyphenobarbital) um, das die Epilepsie-Krämpfe auflöst. Es handelt sich um eine Abbausubstanz (Metabolit). Dieses Medikament verabreichen Mediziner bei speziellen Formen der Epilepsie.
Pharmakologische Wirkung
Bekannt ist Primidon aus der Langzeittherapie verschiedener Formen von Epilepsie. Zu diesen Sonderformen gehören Grand mal Epilepsie, Petit mal Epilepsie, Status epilepticus, sowie myoklonische Anfälle. Bei Kindern mit Petit mal Epilepsie wirkt Primidon vorbeugend hinsichtlich einer Ausprägung von Grand mal Epilepsie. Diese Erkrankungen treten als Temporallappenanfälle in Erscheinung, sowie durch primär generalisierte Anfälle, die das ganze Gehirn (Grand mal Epilepsie) betreffen.
Ein weitere Gruppe bilden die sekundär generalisierten Anfälle, die sich auf einzelne Bereiche des Gehirns (Petit mal Epilepsie) auswirken. Gran mal-Anfälle werden auch als tonisch-klonische Anfälle bezeichnet. Die tonische Phase dauert etwa 10 bis 30 Sekunden und ist durch Muskelspannungen und Krämpfe gekennzeichnet. Während der klonischen Phase treten Muskelzittern und unregelmäßige Krämpfe mit großer Intensität auf. Diese Phase kann von dreißig Sekunden bis zu drei Minuten andauern. Als Symptome treten ein kurzer intensiver Schrei unmittelbar vor Krampfeinsetzung, Speichelfluss, Zuckungen, Einnässen, Augen-Verdrehung, plötzliches Krampfende, Bewusstlosigkeit, sowie anschließend erhöhtes Müdigkeitsempfinden auf.
Da es nicht möglich ist, das Eintreten von Krampfanfällen exakt vorauszusagen, bleibt nur eine vorbeugende beziehungsweise lindernde Behandlung mit geeigneten Medikamenten wie Primidon. Dieses Medikament ist die zweite Wahl zur Narkosevorbereitung sowie zur Behandlung eines essentiellen Tremors, wenn sich die Medikamente der ersten Wahl als wirkungslos erwiesen haben.
Medizinische Anwendung & Verwendung
Nach der Aufnahme der Substanz durch den Organismus erfolgt die sofortige Verstoffwechselung beziehungsweise Umwandlung der Grundsubstanz in Phenobarbital. Ein weiterer Wirkstoff, der sich durch diesen Prozess entwickelt, ist Phenylethylmalonamid, dem jedoch nur eine geringe Bedeutung zukommt.
Primidon wirkt zusammen mit dem Abbauprodukt Phenobarbital an der zentralen Schaltstelle des Neurotransmitters Gamma-Aminobuttersäure (GABA). Es handelt sich neben Glutamat um den wichtigsten hemmenden (inhibitorisch) Neurotransmitter des zentralen Nervensystems. Er spielt eine herausragende Rolle bei vielen neuronalen Vorgängen des ZNS. Er wirkt modulierend und tritt als Gegenspieler (antagonistisch) gegenüber dem exzitatorisch (erregend) wirkenden Glutamat auf. Phenobarbital wirkt verstärkend auf die Konzentration des Botenstoffs Gamma-Aminobuttersäure ein und vermindert die Bereitschaft für Anfälle.
Risiken & Nebenwirkungen
Bei gleichzeitiger Einnahme des Kalziumblockers Nimodepin zur Behandlung von Angina pectoris (Brustenge), Hypertonie (Bluthochdruck) und Tachykardien (Herzrasen) kann Lebensgefahr bestehen. Bei Patienten mit Anzeichen einer akuten Alkoholvergiftung wird dieses Medikament nicht verabreicht.
Eine sorgfältige Risiko-Nutzen-Abwägung muss bei Patienten mit Herzrhythmusstörungen, Erkrankungen des Atemapparates, schwerer Sepsis, sowie Funktionsstörungen von Leber und Nieren erfolgen. Der Grund für eine mögliche Kontraindikation liegt in der erheblichen Verzögerung des Substanz-Abbaus bei Vorschädigung des Organismus. In den meisten Fällen setzen die Mediziner eine verringerte Dosis Primidon bei sorgfältiger Überwachung des Patienten ein.
Das Barbiturat darf während der Schwangerschaft und Stillzeit nur in sehr geringen Dosen verabreicht werden, sollte eine Behandlung zwingend erforderlich sein. Häufige Nebenwirkungen sind Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen, Schwindel, erhöhte Erregbarkeit, Gedächtnis- und Sprachstörungen, Koordinationsstörungen, Wahrnehmungsstörungen, Verdauungsbeschwerden, Schüttelkrämpfe, Tremor, Benommenheit und verzögerte Reaktionszeit.
Selten treten Herzrhythmusstörungen, Pigmentstörungen, Blutbildungsstörungen, Anämie, Hautveränderungen, Allergien, Ermüdung der Muskulatur und Leberfunktionsstörungen auf.
Eine Langzeittherapie erhöht das Risiko für Osteoporose-Erkrankungen. Bei älteren Menschen und Kindern wurden häufig erhöhte Erregbarkeit, Aggressivität und Verstimmungen beobachtet. Der Abbau von Betablockern zur Behandlung von Herzbeschwerden und Bluthochdruck wird beschleunigt, während sich die Wirkung verringert.
Primidon setzt die Wirkung von Herzglykosiden wie Digitoxin und Zytostatika zur Behandlung von Tumorerkrankungen herab. Die Wirkung von Antiepileptika wie Diazepam, Clonazepam, Phenytoin, Carbamazepin wird reduziert.
Nebenwirkungen und Toxizität von Methotrexat zur Behandlung von Krebserkrankungen werden verstärkt. Regelmäßige Kontrollen der Leberenzymwerte und des Blutbildes sind besonders in der Anfangsphase indiziert. Bei Patienten mit Vorerkrankung und gleichzeitiger Einnahme von [Cortison]] besteht ein erhöhtes Osteoporose-Risiko.
Primidon kann die Wirkung von Kontrazeptiva beeinträchtigen, daher sollten weitere Maßnahmen zur Empfängnisverhütung vorgenommen werden.
Experten nehmen an, dass bei Einnahme des Medikaments ein erhöhtes Suizid-Risiko besteht, die regelmäßige Überwachung des Patienten ist daher unumgänglich. Wie bei den meisten Medikamenten besteht auch bei Primidon die Möglichkeit eines Gewöhnungseffekts. Um Entzugserscheinungen zu vermeiden, darf das Arzneimittel nicht unvermittelt abgesetzt werden, sondern muss stufenweise verringert werden. Bei einem kalten Entzug sind Krampfanfälle des Gehirns möglich.
Aufgrund des ungünstigen Nebenwirkungsprofils ist Primidon ein Medikament zweiter Wahl. Es wird nur eingesetzt, wenn keine alternativen Arzneimittel mit einem günstigeren Erscheinungsbild zur Verfügung stehen, beziehungsweise sich die Medikamente der ersten Wahl als unwirksam erwiesen haben.