Sauerstofftherapie
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 19. November 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Die Sauerstofftherapie kann in verschiedenen Formen durchgeführt werden. Dabei zielen alle Behandlungskonzepte auf die ausreichende Sauerstoffversorgung eines Patienten ab.
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Was ist die Sauerstofftherapie?
Im Rahmen einer nach ärztlicher Anordnung erfolgenden Sauerstofftherapie wird dem Organismus auf verschiedene Weise zusätzlicher Sauerstoff zugeführt.
Dabei ersetzt eine Sauerstofftherapie nicht etwa die natürliche Atmung, sondern steigert die Sauerstoffversorgung eines Patienten. In der Regel eignet sich die Sauerstofftherapie für die Behandlung von Personen, deren Zellen nur eingeschränkt mit Sauerstoff versorgt werden. Je nach dem Gesundheitszustand eines Betroffenen unterscheiden sich die Formen einer medizinisch sinnvollen Sauerstofftherapie - zu differenzieren ist hier beispielsweise zwischen einer Langzeit- oder einer sogenannten Mehrschrittbehandlung.
Während ein Patient im Zuge einer Langzeit-Sauerstofftherapie in der Regel täglich über ca. 16 - 24 Stunden mit Sauerstoff versorgt wird, umfassen Mehrschrittkonzepte beispielsweise mehrere Therapiesitzungen, die sich über einen jeweiligen Zeitraum von ca. 2 Stunden erstrecken. Eine Verabreichung von Sauerstoff zum Zweck der Sauerstofftherapie kann unter anderem mithilfe von Sauerstoffbrillen, -masken oder -nasensonden erfolgen.
Geschichte & Entwicklung
Die Geschichte der Sauerstofftherapie beginnt im späten 18. Jahrhundert, als der Sauerstoff erstmals entdeckt wurde. Der englische Chemiker Joseph Priestley und der schwedische Apotheker Carl Wilhelm Scheele isolierten das Gas unabhängig voneinander um 1774. Antoine Lavoisier erkannte seine lebenswichtige Rolle im Stoffwechsel und prägte den Begriff „Oxygen“.
Im 19. Jahrhundert begann die medizinische Anwendung von Sauerstoff. Der britische Arzt Thomas Beddoes gilt als Pionier der Sauerstofftherapie. In den 1790er-Jahren setzte er Sauerstoff zur Behandlung von Atemwegserkrankungen ein und eröffnete die erste „Pneumatische Klinik“. Doch der therapeutische Nutzen wurde zunächst skeptisch betrachtet.
Mit der Industrialisierung und der Entdeckung der Rolle des Sauerstoffs im Blut durch physiologische Studien von Claude Bernard und anderen wuchs das Interesse an seiner medizinischen Verwendung. Im frühen 20. Jahrhundert ermöglichte die Entwicklung von Sauerstofftanks und Atemgeräten den breiteren Einsatz, insbesondere bei Erkrankungen wie Lungenentzündung oder Herzinsuffizienz.
Im Zweiten Weltkrieg wurde die Sauerstofftherapie in der Notfallmedizin und Anästhesie unverzichtbar. Später wurden spezialisierte Formen wie die hyperbare Sauerstofftherapie entwickelt, die bei Tauchunfällen, Wundheilung und Kohlenmonoxidvergiftungen eingesetzt wird. Bis heute bleibt die Sauerstofftherapie ein essenzielles Mittel in der Intensivmedizin und Notfallversorgung.
Einsatz & Indikation
Eine Sauerstofftherapie wird durchgeführt, wenn der Sauerstoffgehalt im Blut eines Patienten zu niedrig ist, was als Hypoxämie bezeichnet wird. Dies kann bei verschiedenen akuten und chronischen Erkrankungen auftreten. Notwendig wird die Sauerstofftherapie in der Intensivmedizin, beispielsweise bei schweren Lungenentzündungen, Atemversagen oder akuten Herzproblemen wie einem Herzinfarkt. In solchen Fällen hilft der Sauerstoff, die lebenswichtige Versorgung von Organen und Geweben zu sichern.
Bei chronischen Erkrankungen wie der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) oder Lungenfibrose kann eine Langzeitsauerstofftherapie erforderlich sein, um die Lebensqualität zu verbessern und Komplikationen wie Herzbelastungen zu vermeiden. Auch bei Asthmaanfällen, die mit schwerer Atemnot einhergehen, kann Sauerstoff kurzfristig helfen, die Symptome zu lindern.
In der Notfallmedizin ist Sauerstoff eine unverzichtbare Maßnahme bei Tauchunfällen, Rauchvergiftungen oder Kohlenmonoxidvergiftungen, um den Sauerstoffgehalt im Blut schnell zu erhöhen. Auch während und nach chirurgischen Eingriffen wird Sauerstoff eingesetzt, um die Erholung zu fördern, insbesondere bei Patienten mit Atemwegserkrankungen.
Spezialisierte Formen wie die hyperbare Sauerstofftherapie kommen bei spezifischen Indikationen zum Einsatz, etwa bei schlecht heilenden Wunden, diabetischen Fußgeschwüren oder Dekompressionsunfällen bei Tauchern.
Vorteile & Nutzen
Die Sauerstofftherapie bietet gegenüber anderen Behandlungsmethoden spezifische Vorteile, insbesondere bei der Behandlung von Atemwegserkrankungen und Hypoxämie. Ein wesentlicher Vorteil ist die direkte Wirkung: Sauerstoff verbessert unmittelbar die Sauerstoffversorgung des Körpers, ohne dass medikamentöse Eingriffe erforderlich sind. Dadurch können lebensbedrohliche Situationen wie Atemnot oder Organversagen schnell entschärft werden.
Die Therapie ist vielseitig einsetzbar und kann sowohl bei akuten als auch bei chronischen Erkrankungen angewendet werden. Sie ermöglicht eine gezielte Behandlung von Hypoxämie, die oft eine Begleiterscheinung von Krankheiten wie COPD, Lungenentzündung oder Herzinsuffizienz ist. Anders als viele Medikamente verursacht Sauerstoff keine systemischen Nebenwirkungen, was ihn zu einer schonenden Option für Patienten macht.
In der Langzeittherapie bei chronischen Atemwegserkrankungen verbessert Sauerstoff nicht nur die Lebensqualität, sondern kann auch das Fortschreiten von Folgeschäden wie pulmonaler Hypertonie oder Herzinsuffizienz verlangsamen. Zudem ist die Anwendung flexibel: Von stationären Krankenhausgeräten bis hin zu tragbaren Sauerstoffkonzentratoren gibt es vielfältige Optionen, die den Bedürfnissen der Patienten angepasst werden können.
Spezialisierte Formen wie die hyperbare Sauerstofftherapie bieten weitere Vorteile, etwa bei der Förderung der Wundheilung oder der Behandlung von Kohlenmonoxidvergiftungen, wo andere Methoden oft weniger effektiv sind.
Funktion, Wirkung & Ziele
Die Sauerstofftherapie kann bei einer Vielzahl von Beschwerden angewendet werden, die in Folge von Sauerstoffmangel auftreten. Zu den entsprechenden Beschwerden zählen beispielsweise Zustände von Atemnot, ausgeprägte und anhaltende Tagesmüdigkeit und/oder eine Blaufärbung von Haut bzw. Schleimhaut (in der Medizin wird letzteres Phänomen auch als sogenannte Zyanose bezeichnet).
Auch nach verschiedenen operativen Eingriffen kann eine kurzfristige Sauerstofftherapie sinnvoll sein - auf diese Weise kann einer Sauerstoffunterversorgung von Gewebe vorgebeugt werden. Mögliche Faktoren, die den Einsatz einer Sauerstofftherapie erfordern können, sind beispielsweise vorliegende Funktionsstörungen der Lunge, Anämien (ein Mangel an für den Sauerstofftransport verantwortlichen roten Blutkörperchen), Einschränkungen der Atemmuskulatur oder Schockzustände.
Ein Hauptziel der Sauerstofftherapie liegt in einer Anreicherung der eingeatmeten Luft mit Sauerstoff, sodass Letzterer in das arterielle Blut gelangen kann. Damit eine notwendige Sauerstoffgabe den individuellen Erfordernissen angepasst werden kann, wird bei dem betroffenen Patienten im Behandlungsvorfeld in der Regel zunächst eine sogenannte Blutgasanalyse durchgeführt - eine solche Analyse kann Aufschluss über die aktuelle Sauerstoffkonzentration im Blut geben.
Erfolgt eine mehrschrittige Sauerstofftherapie, so wird ein Betroffener zuvor meist mit Vitaminen und Substanzen zur Gefäßerweiterung versorgt. Auf diese Weise kann die körpereigene Sauerstoffaufnahme erhöht werden. Auch Bewegungstrainings, die eine Sauerstofftherapie begleiten, dienen dazu, die Fähigkeit des Organismus zur Sauerstoffaufnahme zu stärken. Ebenso wie die Mehrschritt-Sauerstofftherapie wird auch eine Langzeit-Sauerstofftherapie hauptsächlich mithilfe einer Maske oder einer speziellen Sonde durchgeführt.
In seltenen Fällen kann die Sauerstofftherapie außerdem einen Luftröhren-Katheter erfordern. Im häuslichen Umfeld wird der für eine langfristige Sauerstofftherapie benötigte Sauerstoff häufig über Sauerstoffkonzentratoren gewonnen - ein kurzfristiges Verlassen des Hauses ist dabei mithilfe einer zusätzlichen Druckgasflasche möglich. Sehr mobilen Patienten steht zum Zweck der Sauerstofftherapie häufig ein Flüssigsauerstoffsystem zur Verfügung, das über einen transportablen Tank verfügt.
Durchführung & Ablauf
Der Ablauf einer Sauerstofftherapie beginnt mit einer medizinischen Untersuchung, um den Sauerstoffbedarf des Patienten zu bestimmen. Hierbei werden Messungen wie die Sauerstoffsättigung im Blut (SpO₂) und die Blutgasanalyse durchgeführt. Auf Basis dieser Werte legt der Arzt fest, wie viel Sauerstoff verabreicht werden soll und welche Methode dafür geeignet ist.
Die Sauerstoffzufuhr erfolgt in der Regel über ein Gerät, das Sauerstoff aus einem Tank oder einem Konzentrator bereitstellt. Die Verabreichung erfolgt meist über eine Nasenbrille, eine leichte Vorrichtung mit zwei kleinen Röhrchen, die in die Nasenlöcher eingeführt werden. Alternativ können Sauerstoffmasken oder in schweren Fällen Beatmungsgeräte verwendet werden. Bei hyperbarer Sauerstofftherapie wird der Patient in eine Druckkammer gesetzt, in der er reinen Sauerstoff unter erhöhtem Druck einatmet.
Die Sauerstoffmenge wird individuell eingestellt, meist in Litern pro Minute. Während der Therapie wird der Patient überwacht, um sicherzustellen, dass die Sauerstoffzufuhr effektiv ist und keine Nebenwirkungen wie Atemdepression oder Trockenheit der Schleimhäute auftreten. Die Dauer der Sauerstofftherapie variiert je nach Indikation: Sie kann von wenigen Minuten bei akuten Zuständen bis hin zu dauerhafter Anwendung bei chronischen Erkrankungen reichen.
Risiken, Nebenwirkungen & Gefahren
Die Durchführung einer Sauerstofftherapie kann mit verschiedenen Nebenwirkungen einhergehen. Eine langfristige Sauerstofftherapie führt bei vielen Patienten beispielsweise zu einer Austrocknung der Nasenschleimhäute.
Einer solchen Schleimhautaustrocknung kann etwa mithilfe eines Gasbefeuchters bzw. der Nutzung pflegender Lotionen vorgebeugt werden. Findet eine Sauerstofftherapie nicht unter Einsatz eines Sauerstoff-Luft-Gemisches statt, sondern wird dem Patienten reiner Sauerstoff zugeführt, so können zu lange Therapiesitzungen Beschwerden wie Schwindel, Kopfschmerzen, Übelkeit und/oder Erbrechen nach sich ziehen. Daher erfolgt eine entsprechende Sauerstofftherapie unter Einsatz von reinem Sauerstoff in der Regel lediglich in Einrichtungen, die notfallmedizinisch ausgestattet sind.
Um allgemeine Sicherheitsrisiken zu reduzieren, die mit einer Sauerstofftherapie einhergehen können, müssen im Umgang mit Sauerstoffflaschen verschiedene Regeln beachtet werden. So sollte ein Umfallen der Flaschen beispielsweise durch eine angemessene Befestigung verhindert werden. Experten mahnen außerdem dazu, in der Nähe einer Sauerstoffflasche das Rauchen zu unterlassen, denn Sauerstoff kann eine brandbeschleunigende Wirkung entfalten. Zur Sauerstofftherapie genutzte Flaschen sollten lediglich bei geschlossenem Ventil transportiert und vor direkter Wärme- und Sonneneinwirkung geschützt werden.
Nicht zuletzt empfiehlt sich bei Funktionsstörungen einer Sauerstoffflsche das Unterlassen selbstständiger Reparaturversuche.
Alternativen
Wenn eine Sauerstofftherapie nicht möglich oder nicht ausreichend wirksam ist, stehen verschiedene alternative Verfahren zur Verfügung. Eine häufige Alternative ist die nicht-invasive Beatmung (NIV), bei der Patienten über eine Maske mit einer erhöhten Luftzufuhr versorgt werden. Diese Methode verbessert den Gasaustausch in den Lungen und wird häufig bei Patienten mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) oder Schlafapnoe eingesetzt.
Für schwerwiegendere Atemprobleme kann eine invasive Beatmung erforderlich sein, bei der ein Beatmungsschlauch direkt in die Luftröhre eingeführt wird. Diese Methode kommt vor allem in der Intensivmedizin zum Einsatz, wenn andere Ansätze versagen.
Eine weitere Option ist die High-Flow-Sauerstofftherapie, die eine erwärmte und befeuchtete Mischung aus Sauerstoff und Luft liefert. Diese Technik eignet sich für Patienten, die eine höhere Sauerstoffkonzentration benötigen, aber noch eigenständig atmen können.
In der Notfall- oder Langzeitversorgung können auch Atemtherapien unterstützend wirken, die durch gezielte Atemübungen die Lungenfunktion verbessern. Bronchodilatatoren, die die Atemwege erweitern, oder Steroidtherapien, die Entzündungen reduzieren, können ebenfalls Alternativen sein.
In bestimmten Fällen, etwa bei schwerer Lungenschädigung, kann die extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO) eine lebensrettende Maßnahme sein. Hier übernimmt eine Maschine die Sauerstoffanreicherung des Blutes außerhalb des Körpers. Diese Methoden bieten flexible Ansätze je nach Zustand des Patienten.
Quellen
- Augustin, M., Schmiedel, V.,: Leitfaden Naturheilkunde, Urban & Fischer, München 2012
- Federspiel, F., Herbst, V. : Die andere Medizin. Stiftung Warentest, Berlin 2005
- Kleist, W.: Sauerstoff. COPD-Deutschland e.V., Duisburg 2013