Sulfitoxidase
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 24. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Der Biokatalysator Sulfitoxidase bewirkt die Umwandlung giftiger Schwefelverbindungen aus dem Abbau von Aminosäuren in ungiftige Sulfate.
Er ist lebenswichtig und kommt daher in allen Organismen vor. Ist seine Funktion durch einen genetischen Defekt gestört, kommt es zur Sulfitoxidase Defizienz. Auch bei ansonsten gesunden Patienten kann sich ein zu hoher Sulfit-Gehalt im Blut negativ auswirken.
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Was ist Sulfitoxidase?
Sulfitoxidase (Gen-Name: SUOX) heißt ein Molybdän haltiges Enzym, das aus 466 Aminosäuren besteht. Es gehört zur Familie der Xanthindehydrogenasen und kommt in fast allen Organismen vor. Es enthält in seinem Zentrum Molybdän, ein lebensnotwendiges Spurenelement.
Das Metall kommt dort in seiner bioverfügbaren Form als Molybdat-Anion vor. Die Sulfitoxidase nutzt es als Co-Faktor (Molybdat-Molybdopterin-Verbindung). Das Enzym wandelt die über die Nahrung aufgenommenen schwefelhaltigen Aminosäuren Methionin, Cystein etc. in unschädliche Schwefel-Salze (Sulfate) um, die dann über den Harn ausgeschieden werden. Bei Säugetieren kommt der Schwefel abbauende Biokatalysator vor allem in Leber und Nieren vor. Das Enzym Sulfitoxidase sorgt dafür, dass sich der Blutsauerstoff mit den essentiellen Aminosäuren und anderen Schwefel-Substanzen verbindet.
Die dabei freigesetzten Elektronen werden über die Elektronen-Transport-Kette zur Gewinnung von ATP (Adenosintriphosphat) genutzt. Das Enzym katalysiert täglich die 10-fache Menge an Sulfiten wie in einem Liter Alkohol enthalten ist.
Funktion, Wirkung & Aufgaben
Allein durch den Abbau von Cystein fallen im Körper täglich 1680 mg toxisch wirkendes Sulfit an, die sofort von der Sulfitoxidase umgewandelt werden müssen, damit Organe und Gewebe nicht geschädigt werden. Dabei arbeitet das Enzym mit anderen Biokatalysatoren zusammen. Sulfite sind giftig und können schon in geringsten Mengen lebenswichtige Stoffe im Körper zerstören und notwendige Stoffwechselprozesse hemmen. Um die wichtige Entgiftung der Zellen durchführen zu können, benötigt die Sulfitoxidase das Spurenelement Molybdän.
Ein Mangel an diesem Metall kann zu schwerwiegenden Folgen führen. Auch ein zu hoher Quecksilber Gehalt im Körper kann die Funktionstüchtigkeit von Sulfitoxidase hemmen.
Bildung, Vorkommen, Eigenschaften & optimale Werte
Sulfitoxidase wird hauptsächlich in den Mitochondrien, den "Energiezentren" der Zellen, gebildet. Bei Ratten beispielsweise kommt es zu 80 Prozent in den Leberzell-Mitochondrien vor. Darüber hinaus ist es noch in den Zellen der Nieren stark vertreten.
Das für die Tätigkeit der Sulfitoxidase notwendige Molybdänoxid befindet sich im aktiven Zentrum des Enzyms. Wie Wissenschaftler vor kurzem herausfanden, kann es bei Patienten mit einem Molybdän-Mangel durch Molybdäntrioxid Nanopartikel ersetzt werden. Sie wirken im Körper ähnlich katalytisch wie das natürliche Enzym. Auf diese Weise könnten bislang tödlich verlaufende Krankheiten wie die Sulfocysteinurie behandelt werden.
Krankheiten & Störungen
Außerdem kann es bedingt durch einen zu niedrigen Sulfitoxidase-Spiegel zu starker Müdigkeit, Kopfschmerzen und zu einem niedrigen Blutzuckerspiegel kommen. Der genetisch bedingte Mangel an dem lebensnotwendigen Enzym hat jedoch noch schlimmere Folgen. Das Neugeborene kommt mit körperlichen Missbildungen und geistiger Behinderung auf die Welt. Diese so genannte Sulfitoxidase-Defizienz oder Sulfocysteinurie kommt als Molybdän-Cofaktor (MoCo) Mangelkrankheit bei geschätzt einer von 100.000 bis 500.000 Geburten vor. Säuglinge, die an einem isolierten Sulfitoxidase-Defekt leiden, zeigen ähnliche Symptome: schwere Enzephalopathie, kaum kontrollierbare Krampfanfälle, Spastik, Mikrozephalie, Muskelerschlaffung und fortschreitende Hirnatrophie.
Da die autosomal-rezessiv vererbte Enzymmangel-Krankheit aktuell noch nicht wirkungsvoll behandelt werden kann, versterben die kleinen Patienten meist noch im Kindesalter: Die nicht abgebauten schwefligen Verbindungen vergiften Neuronen und Markscheiden des zentralen Nervensystems und lagern sich im Zellgewebe an. Schon nach der Geburt kommt es zu Problemen bei der Nahrungsaufnahme und zum Erbrechen des Mageninhalts. Die Säuglinge werden mit deformiertem Schädel (hervorstehende Stirn, tiefliegende Augen, überlange Lidspalten, dicke Lippen, kleine Nase) geboren. Im Laufe der ersten Lebensmonate verlagert sich die Linse im Auge.
Etwa 75 Prozent der bisher beschriebenen Fälle von Sulfocysteinurie sind durch einen MoCo-Mangel bedingt: Alle drei am Schwefelabbau im Körper beteiligten Enzyme Sulfitoxidase, Xanthinoxidase und Aldehydoxidase zeigen eine stark verringerte Aktivität. Schuld an der isolierten Sulfitoxidase-Defizienz ist eine Mutation im SUOX Gen (Chromosom 12). Sie zeigt sich in drei Varianten: Typ A (Mutation im MOCS1-Gen), Typ B (MOCS2-Gen) und Typ C (MOCS3-Gen). Am häufigsten kommt die Typ A-Mutation vor. Bei ihr ist die Bildung des Vorläufer-Moleküls cPMP gehemmt. Die Substanz kann jedoch inzwischen im Labor hergestellt und verabreicht werden. Um die Überlebensdauer des kindlichen Patienten zu verbessern, sollte die Mangel-Erkrankung so schnell wie möglich diagnostiziert und mit täglichen intravenösen Verabreichungen von Molybdat behandelt werden.
Damit können wenigstens weitere Schädigungen eingedämmt werden. Gegen die Krampfanfälle erhält das Kind Krampf lösende Medikamente. Außerdem muss es eine Protein arme Diät einhalten. Alternativ kann auch die MoCo Vorstufe Z verabreicht werden. Sie reduziert die Krampfanfälle und beugt weiteren Gehirnschädigungen vor. Große Hoffnungen setzt die Medizin auf die Behandlung der bislang unheilbaren Erkrankung mit Molybdäntrioxid Nanopartikeln, die die Rolle der Sulfitoxidase im Körper übernehmen. Um herauszufinden, ob das Ungeborene einen Sulfitoxidase-Mangel hat, kann die Schwangere ihren S-Sulfocystein-Spiegel im Fruchtwasser untersuchen lassen.
Quellen
- Alberts, B., u. a.: Molekularbiologie der Zelle. 4. Auflage. Wiley-VCH, Weinheim 2003
- Lothar, T.: Labor und Diagnose. TH-Books, Frankfurt 2005
- Renz-Polster, H., Krautzig, S. (Hrsg.): Basislehrbuch Innere Medizin. Urban & Fischer, München 2012