Ventrikuläre Tachykardie
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 14. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Herzrhythmusstörungen entstehen, wenn der Herzschlag durch vermehrte oder verminderte Impulse unregelmäßig wird. Bei der ventrikulären Tachykardie handelt es sich um eine gefährliche Form der Herzrhythmusstörungen. Sie entsteht in den Herzkammern und stellt in jedem Fall einen ernsten Notfall dar.
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Was ist eine ventrikuläre Tachykardie?
Die ventrikuläre Tachykardie ist eine Form der Herzrhythmusstörungen. Sie entsteht, wenn die Herzkammern zusätzliche Impulse senden, durch die es zu mehr als 120 Herzschlägen pro Minute kommt. In den meisten Fällen entsteht sie bei bestehenden koronaren Herzerkrankungen. Je nach Schnelligkeit des Herzschlags kann sie zu Kammerflattern oder gar zu Kammerflimmern führen. Daher sollte eine ventrikuläre Tachykardie so schnell wie möglich notärztlich behandelt werden, da sie sonst innerhalb von wenigen Minuten tödlich enden kann.
Ursachen
Der ventrikulären Tachykardie liegt meist eine koronare Herzerkrankung zu Grunde. Hierbei handelt es sich wiederum meist um Verengungen der Herzkranzgefäße (Gefäße, die dem Herzen sauerstoffreiches Blut zuführen). Diese Verengungen haben wiederum zur Folge, dass der Herzmuskel nicht mehr richtig durchblutet werden kann.
Die Engstellen selbst äußern sich als Druckgefühl und einer Enge in der Brust sowie durch Herzschmerzen, die sowohl bei Belastung als auch im Ruhezustand auftreten können. Koronare Herzkrankheiten werden von mehreren Faktoren begünstigt. So fallen gerade Raucher, Menschen mit bauchbetontem Übergewicht und überwiegend männliche Personen im fortgeschrittenen Alter in die Risikogruppe. Auch bestehende Erkrankungen wie Diabetes, erhöhte Blutfettwerte (Cholesterin) oder Bluthochdruck sowie koronare Herzerkrankungen bei Verwandten ersten Grades gelten als große Risikofaktoren. Äußere Einflüsse wie Stress, Bewegungsmangel und ungesunde Ernährung wirken sich ebenfalls schädlich auf die Blutgefäße aus.
Neben den koronaren Herzerkrankungen kommen weitere Ursachen für die Entstehung ventrikulärer Tachykardien in Frage. Allen voran stehen Herzmuskelerkrankungen (Kardiomyopathien), denen eine Funktionsstörung des Herzens zugrunde liegt. Kardiomyopathien gehen in der Regel mit einer Vergrößerung des Herzens einher, die den Herzrhythmus entscheidend beeinflusst.
Die ventrikuläre Tachykardie kann aber auch aufgrund einer vorliegenden Herzmuskelentzündung (Myokarditis) oder einem bestehenden Long-QT-Syndrom (verlängertes QT-Intervall im EKG) entstehen. Sie kann außerdem aus angeborenen bzw. erworbenen Herzfehlern resultieren, die die Funktion des Herzens beeinträchtigen. Darüber hinaus finden sie ihre Ursache auch in der Wirkung bestimmter Medikamente, einer Lungenembolie sowie der Entgleisung bestimmter Elektrolyte (z. B. Kalium).
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Eine ventrikuläre Tachykardie tritt selten bei gesunden Menschen auf. Meist sind Personen mit Vorerkrankungen betroffen. Beispielsweise können eine vorliegende Schilddrüsenüberfunktion und eine Überdosierung mit Digitalis eine Erkrankung begünstigen. Auch organische Herzschäden fördern ein Rhythmusleiden. Die folgenden Symptome können sich bis zum Herzstillstand steigern. Es droht dann Lebensgefahr.
Patienten klagen in einem Frühstadium regelmäßig über Schwindel und Ohnmacht. Darüber hinaus machen sich Beschwerden im Bereich des Brustkorbs bemerkbar. Erkrankte beschreiben oft, dass sie ihren eigenen Herzschlag spüren und dieser eine ungewöhnliche Frequenz aufweist. Fachkundige diagnostizieren in diesem Zusammenhang meist einen beschleunigten Herzschlag.
Zusätzlich dazu treten psychische Anzeichen auf. Betroffene klagen über Angstzustände, die lebensbedrohliche Formen annehmen. Auch plötzliche Schweißausbrüche und eine unmittelbare Schwäche des gesamten Körpers kennzeichnen den Zustand. Im Rahmen der ventrikulären Tachykardie stellen sich ferner Atmungssymptome ein. Diese reichen von leichten Atembeschwerden bis zum Atemstillstand.
Patienten bekommen nur unzureichend Luft und schnappen danach; bleibt der Zustand über einen längeren Zeitraum unbehandelt, kommt die Atmung ganz zum Erliegen. Probleme beim Lufthohlen können regelmäßig zu einem Herzstillstand führen. Betroffene sollten daher unverzüglich einen Arzt konsultieren beziehungsweise einen Rettungsdienst alarmieren.
Komplikationen
Die gefährlichste Komplikation einer ventrikulären Tachykardie besteht im drohenden Kammerflimmern. Da hierbei eine Herzfrequenz erreicht wird, die 320 Schläge pro Minute übersteigt, besteht akute Lebensgefahr für den Patienten. Aufgrund der Schnelligkeit des Herzschlags hat das Herz einerseits keine Zeit sich zwischen den Schlägen ausreichend mit Blut zu füllen, andererseits erschöpft sich der Herzmuskel aufgrund der extrem hohen Leistung.
Wird das mit Sauerstoff angereicherte Blut nicht in ausreichender Menge in die Aorta gepumpt, fehlen dem Herz nach kurzer Zeit wichtige Nährstoffe, da die Blutzirkulation unterbrochen wird. Es beginnt ein Teufelskreis, der das Herz immer mehr aus seinem natürlichen Rhythmus bringt, denn auch die Kontraktionen kommen in diesem Zustand nicht mehr zu Stande. Beim Kammerflimmern pumpt das Herz nicht mehr, sondern es zittert lediglich. Wird dieser Notfall nicht schnell behandelt erschöpft sich das Herz vollkommen, sodass es zu einem Herzstillstand kommt.
Eine weitere Komplikation betrifft Patienten, die an einem Long-QT-Syndrom leiden. Kommt es bei ihnen zum Herzstillstand nach Kammerflimmern, so ist dieser auch durch Wiederbelebungsversuche nicht mehr rückgängig zu machen. Es liegt ein finaler Herzstillstand vor, nach dem die Patienten nicht mehr reanimiert werden können.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Wenn Palpitationen, Herzrasen oder Herzstolpern über mehrere Tage anhalten, sollte zur Abklärung unbedingt ein Arzt aufgesucht werden. Personen, die an Diabetes oder Bluthochdruck leiden, sollten ihren Blutdruck und Puls mehrmals am Tag messen und die Werte notieren, um sie gegebenenfalls dem behandelnden Arzt vorlegen zu können.
Auf keinen Fall zögern sollten Menschen, bei denen die Herzrhythmusstörungen über längere Zeit anhalten und bei denen Schwindel, Atemnot oder ein beklemmendes Angstgefühl zu den Symptomen der ventrikulären Tachykardie hinzukommt.
Passanten, die einen bewusstlosen Menschen sehen oder Angehörige, die sich zur Zeit der Notfallsituation in deren Nähe aufhalten, sollten sofort einen Notarzt zur Hilfe rufen. Es könnte sein, dass die betroffene Person eine ventrikuläre Tachykardie erleidet. Wenn die Hilfe schnell genug eintrifft, kann es ihr Leben retten! Selbst wenn die Bewusstlosigkeit nur kurz andauert, sind die Betroffenen längst nicht außer Lebensgefahr.
Diagnose
Eine ventrikuläre Tachykardie lässt sich mithilfe eines Elektrokardiogramms (EKG) bestimmen. Jede Kurve die das Gerät aufzeichnet erlaubt dem Arzt einen Überblick über alle Aktivitäten der Herzmuskelfasern. Das EKG erfasst die Länge und die Dauer verschiedener Phasen, die das Herz während der einzelnen Pumpschläge durchläuft.
Dazu werden dem Patienten mehrere Elektroden auf den Brustkorb befestigt, welche die Impulse an das EKG-Gerät weiterleiten. Letzteres zeichnet die Pumpstöße auf und stellt sie als Wellenlinien dar. Typische Anzeichen einer ventrikulären Tachykardie sind verzerrte, breite Kammerkomplexe, die länger als 0,14 Sekunden andauern. Diese treten unabhängig von der Vorhofaktion auf. Ärzte sprechen von einer AV-Dissoziation, da die besagte Unabhängigkeit aufzeigt, dass die Herzkammern und Vorhöfe nicht mehr synchron miteinander arbeiten.
Ist die AV-Dissoziation nicht komplett zeichnet das EKG eine normale Erregungsausbreitung der Herzkammer (QRS-Komplex) auf. Diese im Rahmen einer ventrikulären Tachykardie auftretenden Segmente werden auch als „Capture Beat“ bezeichnet.
Behandlung & Therapie
Die Behandlung ventrikulärer Tachykardien richtet sich nach deren Ursache. Wenn sie durch eine organische Störung des Herzens verursacht wird (z. B. Herzmuskelentzündung oder Herzschwäche), muss diese medikamentös oder chirurgisch korrigiert werden. Bei der medikamentösen Therapie muss genau unterschieden werden, ob eine Herzinsuffizienz vorliegt. Parallel zur laufenden notmedizinischen Behandlung sollte die Atmung des Patienten durch Sauerstoffgabe über eine Nasensonde gesichert werden.
Liegt in Folge einer schweren ventrikulären Tachykardie ein Herzstillstand vor, muss eine sofortige Kardioversion mithilfe eines Defibrillators erfolgen. Hierbei versetzt der Notarzt dem Herz elektrische Stöße, um es zu stimulieren und wieder zum Schlagen zu bringen.
Wenn eine Bewusstlosigkeit des Patienten vorliegt, muss der Arzt ohne den zeitraubenden Anschluss eines EKGs defibrillieren, um das Leben des Patienten rechtzeitig retten zu können.
Aussicht & Prognose
In der Regel erleiden die Personen eine ventrikuläre Tachykardie, bei denen bereits zuvor eine strukturelle Herzerkrankung vorlag. Als Beispiel seien an dieser Stelle Herzinfarktpatienten genannt. Wenn die ventrikuläre Tachykardie über drei Monate nach dem Herzinfarkt anhält, haben diese Patienten die schlechteste Prognose.
In Zahlen ausgedrückt liegt die Sterblichkeitsrate (Letalität) innerhalb eines Jahres nach dem Infarkt bei 85%. Treten die ventrikulären Tachykardien dagegen bei Personen auf, die zuvor keine Herzerkrankungen hatten, besteht im Vergleich zur durchschnittlichen Bevölkerung kein erhöhtes Sterblichkeitsrisiko.
Vorbeugung
Da es sich bei den ventrikulären Tachykardien um lebensbedrohliche Notfälle handelt muss die Ursache möglichst schnell ermittelt werden, damit sie in Zukunft nicht mehr auftreten. Erkrankungen des Herzens müssen behandelt und Stresssituationen vermieden werden.
Wenn ventrikuläre Tachykardien bei einem Patienten trotz aller therapeutischer Maßnahmen häufig wiederkehren, ist die Implantation eines Defibrillators möglich. Diese kleinen Systeme werden als „implantable cardioverter-defibrillator“ (kurz: ICD) bezeichnet. Sie sind in der Lage eine ventrikuläre Tachykardie zu erkennen und durch kleine Stromstöße automatisch zu behandeln.
Um dennoch zu verhindern, dass das Gerät häufig einschreiten muss, sollte anhand einer Katheterablation versucht werden, häufig wiederkehrende Tachykardien zu unterbinden. Bei dieser Methode wird Gewebe entfernt, das falsche Impulse an das Herz sendet und dadurch die hohe Herzfrequenz verursacht.
Nachsorge
Eine Nachbehandlung des Patienten ist von großer Bedeutung, wenn die Ursachen der ventrikulären Tachykardie Erkrankungen am Herzmuskel oder eine koronare Herzkrankheit sind. Als medikamentöse Therapie werden Antiarrhythmika verschrieben, um dadurch die Erregbarkeit des Herzens zu senken. Helfen diese nicht wird eine Katheterablation durchgeführt.
Dabei wird über die Leiste des Patienten ein Katheter bis ins Herz eingebracht. Pathologische Herzmuskelzellen, die abnormale Erregungen auslösen, oder krankhafte Leistungsbahnen, werden mit Hilfe von Stromstößen verödet. Das Herz schlägt dadurch wieder in seinem physiologischen Rhythmus. Der Erfolg dieser Behandlung ist in den meisten Fällen dauerhaft und wird durch ein Langzeit-EKG überwacht.
Ist das Risiko für eine erneute ventrikuläre Tachykardie mit eventueller Todesfolge zu hoch, erhält der Patienten einen implantierbaren Kardioverter-Defibrillator. Dieser wird unter die Brusthaut eingesetzt und ist durch Sonden mit dem Vorhof und der Kammer des Herzens verbunden. Er überwacht ununterbrochen die Herzaktivität. Stellt der Defibrillator eine gefährliche Rhythmusstörung fest, bringt er das Herz durch einen Gleichstromimpuls wieder in seinen normalen Takt.
Der Patient kann seine Nachbehandlung positiv beeinflussen, indem er verhindert seine Herzfrequenz unnötig zu erhöhen. Kaffee, Nikotin und stressauslösende Situationen müssen vermieden werden. Stattdessen stehen eine moderate Bewegung und Entspannungsübungen, wie zum Beispiel Yoga, im Vordergrund.
Das können Sie selbst tun
Wie bereits erwähnt entstehen ventrikuläre Tachykardien in den meisten Fällen aufgrund vorliegender Herzerkrankungen. Diese Herzpatienten können neben der ärztlichen Behandlung selbst viel dazu beitragen, um Tachykardien vorzubeugen. Allen voran sollte übermäßiger Stress abgebaut werden. Besonders gut kann Stress durch körperliche Aktivität bewältigt werden, denn durch Bewegung werden so genannte Glückshormone ausgeschüttet, die zur Entspannung beitragen.
Für Einsteiger eignen sich auch schonende Aktivitäten wie ein ausgedehnter Spaziergang an der frischen Luft. Bei seelischem Kummer sollten zusätzlich Entspannungsübungen wie Yoga oder Meditation ausprobiert werden. Wenn hierdurch keine ausreichende Entspannung erreicht wird, sollte nicht gezögert werden psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Seelischer Kummer verursacht unter anderem Bluthochdruck, der wiederum zu Tachykardien führen kann.
Außerdem sollte auf eine gesunde, ausgewogene Ernährung geachtet werden, da das Herz bei Übergewicht ebenfalls stark beansprucht wird. Neben dem Übergewicht besteht bei der Aufnahme fettreicher Nahrung die Gefahr, dass der Cholesterinspiegel und mit ihm der Fettgehalt im Blut steigt. Dieser setzt sich in den Innenwänden der Blutgefäße ab und kann zu gefährlichen Verengungen führen, durch die das Herz nicht mehr optimal durchblutet werden kann.
Darüber hinaus sollte gerade bei einer vorliegenden Herzerkrankung auf den Konsum von Nikotin und Koffein verzichtet werden. Während Koffein eine anregende Wirkung hat und die Herzfrequenz erhöht atmen Raucher mit Nikotin pures Gift ein, das sowohl auf das Herz als auch auf die Lungen schlägt.
Quellen
- Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2015
- Braun, J.: Klinikleitfaden Innere Medizin. Urban & Fischer, München 2013
- Piper, W.: Innere Medizin. Springer, Heidelberg 2013