Valproinsäure

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 15. April 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Valproinsäure ist eine nicht natürlich vorkommende Carbonsäure. Sie wurde erstmals im Jahr 1881 synthetisiert und wird als Antiepileptikum eingesetzt. Bei Schwangeren und Stillenden darf sie nicht angewendet werden.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Valproinsäure?

Zur Therapie der Epilepsie werden vor allem Valproate, die Salze der Valproinsäure, eingesetzt, welche im Magen in Valproinsäure umgewandelt werden.
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Valproinsäure ist eine nicht natürlich vorkommende Carbonsäure. Carbonsäuren sind organische Verbindungen, die eine oder mehrere Carboxygruppen (-COOH) besitzen. Die Valproinsäure und ihre Salze (die sog. Valproate) werden medizinisch als Antiepileptika (Antikonvulsiva) eingesetzt. Die chemische Summenformel der Valproinsäure lautet C8H16O2, ihre molare Masse beträgt 144,21 g·mol−1.

Die Valproinsäure wurde erstmals im Jahre 1881 synthetisiert. Zunächst wurde sie als Lösemittel für wasserunlösliche Substanzen eingesetzt. Die Synthese der Valproinsäure erfolgt über die Ausgangsstoffe Cyanessigsäureethylester und zwei Äquivalente 1-Brompropan. Unter Zugabe von Natriumethanolat reagieren diese Soffe über ein Anion der Enolform der Carbonylverbindung zum α,α-Dipropylcyanoessigsäureester. In basischer Umgebung finden dann Esterspaltung und Decarboxylierung statt.

Durch diese Vorgänge entsteht Dipropylacetonitril, welches durch eine Reaktion mit Wasser in Valproinsäure überführt werden kann (Hydrolyse). Eine Alternative zur beschriebenen Synthetisierung der Valproinsäure stellt die Malonestersynthese dar.

Pharmakologische Wirkung

Zur Therapie der Epilepsie werden vor allem Valproate, die Salze der Valproinsäure, eingesetzt, welche im Magen in Valproinsäure umgewandelt werden. Die Applikation kann sowohl oral als auch intravenös stattfinden.

Die Resorption der Valproinsäure erfolgt sehr schnell, zudem liegt eine Plasmaproteinbindung von über 90% vor. Die Valproinsäure wird hepatisch metabolisiert; weniger als 3% des Wirkstoffs werden unverändert über den Urin ausgeschieden. Die Plasmahalbwertszeit der Valproinsäure beträgt 14 Stunden. Es ist jedoch darauf zu achten, dass sie in Kombination mit anderen Epileptika sinken kann.

Die Wirkung der Valproinsäure ist auf die Fähigkeit, Ionenkanäle im Zentralnervensystem verschließen zu können, zurückzuführen. Durch das Verschließen der Ionenkanäle können die Ionen nicht mehr in die Zellen gelangen und dort keine Aktionspotentiale auslösen. Von dieser Wirkung der Valproinsäure sind sowohl Natrium- als auch Calciumionenkanäle betroffen. Diese beiden Ionenkanäle sind für das vermehrte Auftreten von Aktionspotentialen bei der Epilepsie verantwortlich.

Weiterhin verstärkt Valproinsäure die Wirkung des Neurotransmitters GABA, indem sie den Abbau von GABA hemmt und gleichzeitig die Synthese von GABA anregt. Der Neurotransmitter GABA führt zu einem verstärkten Einstrom von Chloridionen in die Zelle, was zu einer verminderten Erregbarkeit der Zelle führt.

Darüber hinaus greift die Valproinsäure unter anderem durch Acetylierung in das epigenetische System ein, wodurch Zellen und die Aktivität einzelner Gene verändert werden können. Valproinsäure hemmt das Enzym Histondeacetylase und lockert damit die Dichte der DNA-Verpackung. Über den Acetylierungsgrad von Histonen moduliert die Valproinsäure die Genaktivität. Dieser Mechanismus führt bei Embryos zu Missbildungen, weshalb Valproinsäure bei Schwangeren nicht eingesetzt werden darf.

Darüber hinaus macht es Valproinsäure jedoch auch in der Krebstherapie zu einem möglichen Wirkstoff, da die Regulation der Genexpression ein wesentlicher Aspekt bei der Tumorgenese ist. Valproinsäure ist durch die Modulierung der Genaktivität in der Lage, entweder eine normale Genaktivität zu ermöglichen, indem sie Genblockaden aufhebt, oder aber den Zelltod zu induzieren. Diese Wirkung der Valproinsäure wird derzeit weiter erforscht.

Medizinische Anwendung & Verwendung

Die Valproinsäure wird als Antiepileptikum eingesetzt. Sie ist indiziert bei generalisierten Formen der Epilepsie, bei Aufwach-Grand-mal-Epilepsie und jugendlicher myoklonischer Epilepsie, bei der bipolaren Störung, bei Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis, bei Suchterkrankungen, bei therapierefraktären Depressionen, zur Migräneprophylaxe und zur Prophylaxe bei Cluster-Kopfschmerzen. Bei den letzten beiden Anwendungsgebieten verfügt die Valproinsäure nicht über eine Zulassung, obwohl sie wirksam ist.

Bei Kleinkindern darf die Valproinsäure nur eingesetzt werden, wenn andere Antiepileptika nicht angewendet werden können. Zur längerfristigen Phasenprophylaxe bei der bipolaren Störung liegen keine ausreichenden Nachweise des Nutzens vor, weshalb für diese Indikation keine Zulassung besteht.


Risiken & Nebenwirkungen

Bei Schwangeren darf die Valproinsäure nicht eingesetzt werden, da sie zu Missbildungen des Embryos führt. Zudem liegen Hinweise vor, dass eine Anwendung von Valproinsäure während der Schwangerschaft zu kognitiven Beeinträchtigungen der Kinder führt. Hier sind vor allem Probleme der verbalen Fähigkeiten und des Gedächtnisses häufig. Außerdem treten bei den Kindern gehäuft Störungen aus dem Autismus-Spektrum bis hin zum tatsächlichen Autismus auf. Auch während der Stillzeit sollte Valproinsäure nicht angewendet werden.

Unter einer Therapie mit Valproinsäure können diverse Nebenwirkungen auftreten. Zu diesen zählen häufig Juckreiz und Hautausschläge, Kopfschmerzen, Schwindel, Bewegungsunsicherheit und Sehstörungen, Appetitlosigkeit oder eine Steigerung des Appetits, Gewichtsverlust oder -steigerung, Benommenheit, Zittern (Tremor), Nystagmus (unkontrollierte, rhythmische Bewegung eines Organs; normalerweise der Augen), vorübergehender Haarausfall, schwere und zum Teil tödliche Leberschädigungen, Gehörverlust, Missempfindungen und Sensibilitätsstörungen, parkinsonartige Bewegungsstörungen sowie Blutbildveränderungen und Blutgerinnungsstörungen.

Häufig ist die Ammoniumkonzentration im Blut erhöht. Gelegentlich treten Verhaltensstörungen, Blutungen, Magen-Darm-Beschwerden, ein Pleuraerguss, Verdauungsstörungen, erhöhter Speichelfluss, eine erhöhte Blutinsulinkonzentration, Ödeme, Wahnvorstellungen, Störungen der Regelblutung, vorübergehende Schädigungen des Gehirns, Koma, Blutgefäßentzündungen und Hautausschläge auf.

Selten treten Tinnitus, ein myelodysplastisches Syndrom, eine Unterfunktion der Schilddrüse, eine chronische Enzephalopathie mit Störungen der Gehirnfunktion, schwere Reaktionen der Haut, Lupus erythematodes, eine Beeinträchtigung der Knochenmarkfunktion, Störungen der Nierenfunktion (Fanconi-Syndrom), Übersäuerung (metabolische Azidose), Einnässen, Störungen im Stoffwechsel des roten Blutfarbstoffes (Porphyrie), Unfruchtbarkeit beim Mann, erhöhtes Testosteron im Blut (bei Frauen) und zystische Veränderung der Eierstöcke sowie Entzündungen der Mundschleimhaut auf.

Auch Fieber, Schwellungen im Bereich von Gesicht, Mund und Hals, Lymphozytose, Biotin-Mangel bei Kindern, Halluzinationen, Zahnfleischschwellungen und eine verminderte Körpertemperatur sind möglich.

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