Chronische Schmerzen
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 12. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Chronische Schmerzen werden von vielen Patienten nicht als solche wahrgenommen, weshalb oft kein Arzt aufgesucht wird. Grundsätzlich sollten alle Schmerzen, die länger als zwei Wochen andauern, ernst genommen werden. Auf eine Selbsttherapie mit Schmerzmitteln sollte verzichtet werden, denn hinter chronischen Schmerzen können ernstzunehmende Ursachen stehen.
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Was sind chronische Schmerzen?
Schmerz ist normalerweise eine Schutzfunktion des Körpers um körperliche Störungen wahrzunehmen. Treten chronische Schmerzen auf, bestehen diese manchmal ohne dass eine körperliche Ursache dafür vorliegt.
Der Schmerz hat sich dann in seiner chronischen Form vom körperlichen gelöst und existiert weiter. Schmerzen können aufgrund unterschiedlicher Merkmale kategorisiert werden, beispielsweise nach der Entstehung oder nach der Art und Weise. Chronische Schmerzen können immer vorhanden sein oder sie können von Zeit zu Zeit aufhören und später wiederkehren.
Nach dem Entstehungsort unterscheidet man somatische Schmerzen der Muskeln, der Gelenke oder der Haut, neuropathische Schmerzen, gleichbedeutend mit Nervenschmerzen, Schmerzen im Kopfbereich und Schmerzen der inneren Organe. Man spricht von chronischem Schmerz, wenn er mindestens drei Monate anhält und der Mensch in seinem Alltag beeinträchtigt ist.
Ursachen
Chronischen Schmerzen liegt eine Verselbstständigung der Nervenimpulse zugrunde. Bei schweren Verletzungen senden Nervenzellen über lange Zeit Impulse an das Gehirn und können sich dadurch in ihrem Stoffwechsel verändern. Man spricht vom Schmerzgedächtnis der Nervenzellen. Diese Fehlpolung entsteht im Rückenmark.
Sie hat zur Folge, dass viele Reize, wie normale Berührungen, Kälte oder Wärme, schmerzhaft empfunden werden. Gleiches gilt für psychische Reize wie Stress, Trauer, Angst oder die Erinnerung an den Schmerz. Weitere Ursachen können Erkrankungen wie Rheuma, Bandscheibenvorfälle oder schwere Entzündungen sein.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Chronische Schmerzen unterscheiden sich in ihrem Entstehungsort nicht von solchen, die akut auftreten. Bei chronischen Schmerzen definiert vielmehr die Dauer ihres Bestehens, dass die sie begleitenden Symptome als chronisch angesehen werden. Zu unterscheiden sind anfallsweise wiederkehrende Schmerzen vom Dauerschmerz. Typisch für chronische Schmerzen ist, dass diese über eine lange Zeitdauer bestehen. Die Schmerzausprägungen können ebenso unterschiedlich sein wie der Schmerzort.
Die Symptome chronischer Schmerzen können vielfältig sein. Sie hängen von der zugrunde liegenden Problematik ab. Diese kann operationsbedingt oder aus anderen Gründen entstanden sein. Als Vorstufe chronischer Schmerzen können zunächst akute auftretende brennende, stechende oder dumpfe Schmerzen auftreten. Diese sprechen nicht (ausreichend) auf eine symptomatische Behandlung an oder kehren immer wieder.
Die Symptome chronischen Schmerzes verselbstständigen sich hach einer Weile. Sie werden im Schmerzgedächtnis gespeichert und bilden nach der Chronifizierung eine eigenständige Erkrankung. Je nach Ausdehnung der chronischen Schmerzen kann ein Schmerzsyndrom entstehen. Oftmals werden bei chronischen Schmerzen einzelne Symptome nicht mehr als solche wahrgenommen.
Bei chronischen Rückenschmerzen wird nur noch ein komplexes Schmerzempfinden wahrgenommen statt einzelner belasteter Muskelstränge. Können die Schmerzen einem Nerv zugeordnet werden, handelt es sich um eine Neuralgie. Schwere chronische Schmerzen können mit Begleitsymptomen wie Ödembildung, Durchblutungsstörungen, Schweißausbrüchen, Depressionen oder einem Rückzug vom gewohnten Leben einhergehen.
Diagnose & Verlauf
Eine Diagnose ist aufwendig, da die Formen des chronischen Schmerzes sehr vielfältige sind. Eine außergewöhnlich differenzierte Diagnostik ist unerlässlich, um die richtige Therapie zu finden.
Die Diagnose beinhaltet von Seiten des Patienten die Pflicht zur Führung eines Schmerztagebuchs. Darin werden alle Situationen festgehalten, in denen der Schmerz auftritt, alle Symptome notiert, die den Schmerz begleiten. In manchen Fällen kann es Sinn machen, die Krankenakte des Patienten auf frühere Befunde hin zu überprüfen und sich die Lebenssituation genauer anzusehen.
Oft nehmen Gefühle und Beziehungen Einfluss auf die Empfindung von Schmerz. Zusätzlich füllt der Patient eine Skala zur Intensität des Schmerzes aus. Begleitend erfolgen eine gründliche, körperliche, eine neurologische und orthopädische Untersuchung, Ultraschall, CT oder Kernspintomographie und eine eventuelle neurophysiologische Diagnostik.
Komplikationen
Bei chronischen Schmerzen kann es in erster Linie dann zu Komplikationen kommen, wenn der Patient diese selbst mit Hilfe von Schmerzmitteln über einen langen Zeitraum behandelt. In der Regel beschädigen die Schmerzmittel den Magen auf lange Sicht und sollte nicht über einen langen Zeitraum eingenommen werden. Die weiteren Komplikationen hängen allerdings stark von der Ursache der Schmerzen ab und können nie universell vorausgesagt werden.
Im Allgemeinen verringern Schmerzen allerdings die Lebensqualität. Der Betroffene kann nicht mehr aktiv am sozialen Leben teilnehmen und leidet oft an psychischen Beschwerden. Ebenfalls führen Schmerzen zu Stress und zu einer aggressiven Grundhaltung. Nicht selten breiten sich Schmerzen von einem Punkt in unterschiedliche Regionen aus und können auch an nicht betroffenen Orten zu Beschwerden und Schmerzen führen.
Oftmals kommt es aufgrund der Schmerzen zu Bewegungseinschränkungen oder zu anderen Einschränkungen im Alltag. Die Behandlung der Schmerzen erfolgt immer kausal, kann allerdings in erster Linie auf die Linderung der Schmerzen zielen. In vielen Fällen sind Therapien notwendig, um die Schmerzen zu behandeln.
Nicht selten wird die körperliche Behandlung auch durch eine Psychotherapie unterstützt. Ob die Lebenserwartung durch die chronischen Schmerzen verringert wird, kann nicht generell vorausgesagt werden.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Chronische Schmerzen, die von unterschiedlichen Strukturen oder Organen des Körpers ausgehen können, sind nicht immer ein Grund für einen regelmäßigen Arztbesuch. Ob die Konsultation eines Mediziners sinnvoll ist, hängt stark vom Einzelfall ab.
Ein anfänglicher Arztbesuch ist in erster Linie wichtig, um die Ursache für dauerhafte Schmerzzustände festzustellen und sich über geeignete Formen der Therapie zu informieren. Dies dient zum einen der genauen Sicherung einer möglichen Diagnose, zum anderen auch der Handlungsfähigkeit des Patienten beim Auftreten der Schmerzen.
Ist eine Ursache gefunden beziehungsweise der Patient auf die Behandlung der Schmerzen gut eingestellt, ist ein weiterer Arztbesuch oft nicht erforderlich. Das ist zum Beispiel oft der Fall, wenn für Migräne ein hilfreiches Medikament gefunden wurde oder die chronischen Schmerzen nicht allzu stark und gegebenenfalls sogar mit nebenwirkungsfreien Hausmitteln zu lindern sind.
Der Arztbesuch ist immer dann anzuraten, wenn sich die Schmerzen in ihrer Qualität ändern oder wenn die dem Patienten momentan zur Verfügung stehenden Behandlungsoptionen nicht oder nicht mehr helfen. Hier hat der Art mehrere Möglichkeiten. Oft beginnt der Arztbesuch mit einer ausgiebigen Untersuchung, um so festzustellen, ob sich organisch etwas verändert hat. Anschließend kann eine Umstellung der Therapie oder das Einbeziehen alternativer Heilmethoden erfolgen. In schweren Fällen führt ein erneuter Arztbesuch bei chronischen Schmerzen zur Überweisung an einen spezialisierten Schmerztherapeuten.
Behandlung & Therapie
Die Behandlung chronischer Schmerzen zielt auf die Ursache und die Faktoren ab, die den Schmerz verstärken. Sie kann durch Medikamente, physiologische, psychische und soziale Methoden erreicht werden.
Durch Medikamente wird die fehlerhafte Weiterleitung von Schmerzimpulsen unterbrochen. Gleichzeitig wird die Schmerzwahrnehmung beim Patienten verändert. Bei leichten Schmerzen kommen Nichtsteroidale Antirheumatika zum Einsatz, bei mittlerem, starkem und sehr starkem Schmerzniveau Opioide. Manche Schmerzpatienten sind abhängig von Schmerzmitteln.
In diesen Fällen kann es zu medikamenteninduzierten Schmerzen gekommen sein und es erfolgt ein Entzug. Je nach Schmerzart wirken in manchen Fällen Krampflöser, die so genannten Antikonvulsiva oder Antidepressiva schmerzlindernd. Gegen Nervenschmerzen werden oftmals Anti-Epileptika verordnet.
Behandlungsformen, die die medikamentöse Therapie ergänzen können, sind:
- Psychotherapie
- Transkutane elektrische Nervenstimulation
- Akupunktur
- Autogenes Training und Bewegungstherapie
- Physiotherapie
- Lokalanästhesien
- Operationen
- Umstellung des Lebensstils
Aussicht & Prognose
Chronische Schmerzen sind ein dauerhafter oder wiederkehrender Zustand und somit in ihrer Prognose abhängig von der Schmerztherapie. Außerdem hängt der Verlauf chronischer Schmerzen von der zugrunde liegenden Erkrankung ab.
Bei degenerativen Erkrankungen, die keine Heilung mehr erwarten können, verschlimmern sich chronische Schmerzen meistens zeitgleich zum Fortschreiten der Erkrankung. Liegen die chronischen Schmerzen dagegen an einer Erkrankung, die in ihrem Verlauf noch beeinflusst werden kann, dann können sie durchaus wieder besser werden. Sind sie hingegen auf eine dauerhafte körperliche Veränderung wie den Verlust eines Körperteils zurückzuführen, können die Schmerzen ebenfalls Dauerzustand werden und eine Schmerztherapie erfordern.
Mittlerweile kennt die moderne Medizin viele gut wirksame chemische Schmerzmittel, die zumindest für den kurzen Zeitraum geeignet sind, Schmerzen zu bekämpfen. Langfristig dagegen sieht die Schmerztherapie Methoden vor, die nicht auf Medikamenten beruhen, denn viele hoch wirksame Schmerzmittel machen mit der Zeit abhängig. Ist ein Patient mit chronischen Schmerzen also längerfristig auf Medikamente angewiesen, kann sich zusätzlich zum Schmerz auch eine Medikamentenabhängigkeit und somit ein weiteres behandlungsbedürftiges Problem ergeben.
Langfristig geht es in der Behandlung chronischer Schmerzen hauptsächlich darum, für den Patienten Methoden zu finden, mit denen er Schmerz ertragen lernen oder ihn ausschalten kann, ohne dabei dem Körper unnötig Schaden zuzufügen oder von Medikamenten abhängig zu werden.
Vorbeugung
Zur Vorbeugung von chronischen Schmerzen kann Bewegung grundsätzlich nicht schaden. Des Weiteren ist es wichtig, länger andauernde Schmerzen ernst zu nehmen und einen Spezialisten aufzusuchen statt sie in Selbsttherapie zu bekämpfen. Auch die Wahrnehmung der eigenen Bedürfnisse kann wichtig sein. Wissen, was allgemein im Leben gut tut und was eher zu vermeiden ist, wo soziale oder persönliche Probleme vorliegen.
Nachsorge
Je nach Art und Intensität wählt der Arzt eine Behandlung. Sie soll mögliche Komplikationen abstellen und den Patienten in seinem Alltag unterstützen. Die Ursachen eines chronischen Schmerzes lassen sich dadurch aber meist nicht beheben. Daher kann die Nachsorge nicht darauf zielen, ein Wiederauftreten zu verhindern.
Nach einer ersten Diagnose stellt sich der Patient in einem vereinbarten Rhythmus vor. In den Gesprächen werden vor allem die Erfahrungen mit eingeleiteten Maßnahmen thematisiert. Dabei spielt die Besserung der Beschwerden für das weitere Fortgehen eine entscheidende Rolle. Bestimmte Untersuchungen sind in der Lage, je nach Krankheitsbild den Fortgang zu dokumentieren.
Geeignet sind etwa Blutuntersuchungen, bildgebende Verfahren (Röntgen, Ultraschall, CT) und neurologische beziehungsweise internistische Methoden. Auch eine Medikation kann sich ergeben. Gegebenenfalls lässt sich eine Rehamaßnahme anordnen. In dieser erlernen Betroffene Techniken, wie sie mit den chronischen Schmerzen konkret im Alltag umgehen.
Entspannungsübungen wie Yoga, Autogenes Training oder Meditation unterstützen die Bewältigung der Problematik. Teilweise führen Rehabilitationen auch in die Akkupunktur oder eine psychologische Begleitung ein, die dann anschließend zu Hause fortzuführen sind. Eine Rehamaßnahme muss dabei kein einmaliges Ereignis darstellen. Sie kann sich sogar mehrmalig als sinnvoll erweisen.
Das können Sie selbst tun
Das Schmerzempfinden wird stark von der Psyche beeinflusst, insbesondere davon, welche Bedeutung dem Schmerz beigemessen und wie viel Aufmerksamkeit ihm zugebilligt wird. Gerade bei leichten bis mittelstarken chronischen Schmerzen kann es deshalb bereits hilfreich sein, sich im Alltag auf etwas anderes zu konzentrieren.
Dazu können Entspannungstechniken wie Yoga oder autogenes Training beitragen. Wer nicht mehr berufstätig ist, sollte sich ein erfüllendes Hobby suchen oder sich caritativ engagieren. Durch die so generierte Ablenkung steht der chronische Schmerz nicht mehr im Mittelpunkt der eignen Wahrnehmung. Vielen Patienten hilft es außerdem, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen. Dafür gibt es Selbsthilfegruppen vor Ort oder im Internet.
Je nach Ursache für das chronische Leiden können auch einfache Hausmittel helfen. Bei Nervenschmerzen ist Wärme häufig sehr effektiv. Nervenschmerzen werden deshalb mit einer Rotlichtlampe oder, ganz traditionell, durch das Auflegen einer heißen, in ein Handtuch gewickelten Kartoffel, behandelt. Bei rheumatischen Beschwerden helfen vielen Patienten Bäder in warmer Sole. Solebäder werden in vielen Kurorten angeboten. Zuhause kann Salz aus dem Toten Meer zum Baden verwandt werden, das in Apotheken, Reformhäusern und Drogerien erhältlich ist.
In der Naturheilkunde werden zudem eine Reihe milder Heilmittel auf pflanzlicher Basis eingesetzt. Bei rheumatischen Erkrankungen und Gicht werden Präparate mit Teufelskralle verordnet. Als mildes Schmerzmittel kommt Tee aus der Weidenrinde zum Einsatz. Chronische Schmerzen im Mund- und Kieferbereich werden mit Nelkenöl behandelt.
Quellen
- Agarwal-Kozlowski, K.: Ganzheitliche Schmerztherapie. Thieme, Stuttgart 2013
- Greten, H., Rinninger, F., Greten, T. (Hrsg.): Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2010
- Striebel, H.W.: Therapie chronischer Schmerzen. Schattauer, Stuttgart 2002