Argatroban
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. April 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Argatroban gehört zur Wirkstoffgruppe der Antikoagulantien und dient zur Hemmung der Blutgerinnung. Das Medikament wird in Deutschland seit 2005 unter dem Namen Argatra Multidose verkauft und wird als Infusionslösung verabreicht.
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Was ist Argatroban?
Argatroban bindet sich als Antikoagulant direkt an das Thrombin im Blutkreislauf und hemmt die unerwünschte Blutgerinnung. Das Medikament wird ausschließlich für die Behandlung einer heparininduzierten Thrombozytopenie eingesetzt und kann dort schnelle Erfolge erzielen, wenngleich die Nebenwirkungen erheblich ausfallen können.
Um Herzinfarkten oder Schlaganfällen vorzubeugen, wird Argatroban dennoch häufig verschrieben. Es kann bei erwachsenen Patienten jeden Alters angewendet und auch Schwangeren verabreicht werden. Argatroban ist ausschließlich als Infusionslösung erhältlich und kann daher nicht zur Selbstbehandlung eingesetzt werden.
Pharmakologische Wirkung
Argatroban sollte bei einer korrekten Anwendung, welche frei von Nebenwirkungen verläuft, allein auf den Blutkreislauf im Körper beziehungsweise das darin enthaltene Thrombin einwirken. Das Medikament bindet sich an das Thrombin und versucht dessen Wirkung – wozu beispielsweise die Aktivierung diverser sogenannter Gerinnungsfaktoren sowie die Fibrinbildung zählen – zu unterbinden. Weiterhin versucht Thrombin, das Protein C zu aktivieren, welches die Blutgerinnung ebenfalls begünstigt.
Durch Argatroban werden die in diesem Fall negativen Effekte für den Patienten unterbunden beziehungsweise gehemmt, sodass diese bei einer richtigen Dosierung und Dauer der Anwendung nicht mehr stattfinden sollten. Im Körper verweilt Argatroban nur für 50 Minuten, bevor es durch ein bislang unbekanntes Enzym in der Leber metabolisiert wird. In Deutschland wird Argatroban unter dem Namen Argatra Multidose vertrieben.
Weiterhin kann die Verabreichung von Argatroban durch die relativ hohe Konzentration von Ethanol im Medikament einen alkoholisierenden Effekt auf den Patienten haben, weshalb anschließende Autofahrten direkt nach einer Infusion nicht ratsam sind. Der Alkohol in Argatroban kann außerdem dazu führen, dass die Wirkung anderer Arzneimittel, welche durch Alkohol in ihrer Wirkung verändert werden, verstärkt oder abgeschwächt wird.
Medizinische Anwendung & Verwendung
Da es sich um eine Infusionslösung handelt, geschieht die Behandlung mit Argatroban niemals selbst, sondern immer durch einen Arzt oder anderweitig ausgebildetes Fachpersonal. Die genaue Dosis und Dauer der Verabreichung entscheidet der Arzt individuell. Argatroban wird angewendet, um die Bildung von Blutgerinnseln im Kreislauf des Patienten zu hemmen oder komplett zu unterbinden.
Es dient ausschließlich der Behandlung einer sogenannten heparininduzierten Thrombozytopenie vom Typ II, welche auch als HIT II abgekürzt wird. Risiken durch die von HIT II hervorgerufenen Blutgerinnsel betreffen unter anderem mögliche Herzinfarkte, Schlaganfälle oder Atemprobleme sowie Störungen der Durchblutung in den Gliedmaßen. Argatroban kann bei einer richtigen Anwendung dazu führen, dass diese Symptome (aber nicht deren Ursache) entweder gelindert oder gestoppt werden.
Es dient nicht zur Vorbeugung und kann daher nur bei einer akuten HIT II eingesetzt werden und besitzt derzeit keine Off-Label-Anwendungen für andere Erkrankungen. Argatroban darf nicht verabreicht werden, wenn beim Patienten eine schwere Funktionsstörung der Leber vorliegt oder eine durch HIT II hervorgerufene Blutung aktiv ist. Frauen darf Argatroban während der Stillzeit nicht verabreicht werden. Während der Schwangerschaft muss eine möglichst niedrige Dosierung angestrebt werden.
Verabreichung & Dosierung
Argatroban ist ein direkter Thrombininhibitor, der vor allem zur Behandlung oder Prävention von Thrombosen bei Patienten verwendet wird, die eine Heparin-induzierte Thrombozytopenie (HIT) haben oder für die ein Risiko besteht. Bei der Verabreichung und Dosierung von Argatroban sind einige wichtige Aspekte zu beachten, um die Sicherheit und Effektivität der Behandlung zu gewährleisten.
Argatroban wird typischerweise intravenös verabreicht, wobei die Dosis individuell angepasst werden muss, basierend auf der Blutgerinnungszeit des Patienten, speziell der aktivierten partiellen Thromboplastinzeit (aPTT). Die initiale Dosierung und die Anpassungen hängen von der spezifischen klinischen Situation des Patienten sowie von Faktoren wie Leberfunktion und anderen gleichzeitig bestehenden Bedingungen ab.
Bei Patienten mit normaler Leberfunktion beginnt die Behandlung oft mit einer Dosis von etwa 2 Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht pro Minute. Bei Patienten mit eingeschränkter Leberfunktion muss die Dosis jedoch reduziert werden, da Argatroban über die Leber metabolisiert wird und eine eingeschränkte Leberfunktion die Ausscheidung des Medikaments verzögern kann, was zu einer erhöhten Blutungsneigung führt.
Die Therapie mit Argatroban erfordert eine sorgfältige Überwachung, insbesondere durch regelmäßige Messungen der aPTT, um sicherzustellen, dass die Dosis im therapeutischen Bereich bleibt ohne das Risiko von übermäßigen Blutungen zu erhöhen. Anpassungen der Dosis sollten basierend auf den aPTT-Werten erfolgen, üblicherweise wird angestrebt, die aPTT auf das 1,5- bis 3-fache des normalen Ausgangswerts zu verlängern.
Es ist wichtig, dass alle Behandlungen und Anpassungen unter der Aufsicht eines erfahrenen Gesundheitsdienstleisters durchgeführt werden, um optimale Ergebnisse zu erzielen und Komplikationen zu vermeiden.
Risiken & Nebenwirkungen
Argatroban ist reich an Nebenwirkungen, am häufigsten können dabei leichte bis schwere Blutungen auftreten. In diesen Fällen ist ein sofortiger Arztbesuch unerlässlich. Dazu zählen unter anderem Blut im Husten, plötzliche Blutergüsse unter der Haut sowie Blut im Urin oder Stuhl. Weiterhin können Patienten unter Atembeschwerden leiden sowie Trockenheit im Mund verspüren.
Übelkeit zählt mit einer Häufigkeit von bis zu 10 % ebenfalls zu den verbreiteten Nebenwirkungen von Argatroban. Seltener treten Schwindel, Verwirrtheit und eine eventuelle Ohnmacht auf, außerdem kann es zu Kopfschmerzen sowie Sprach- oder Sehstörungen kommen. Vorübergehende Taubheit oder Infektionen der Harnwege können ebenfalls eine Folge der Nebenwirkungen von Argatroban sein. Fieber, Gelenkschmerzen und ein permanentes Gefühl von Müdigkeit sowie Verstopfung oder Durchfall können auftreten. Diese Nebenwirkungen treten mit einer Häufigkeit von maximal 1 % jedoch sehr selten auf.
Kontraindikationen
Argatroban ist ein Antikoagulans, das hauptsächlich zur Prävention und Behandlung thrombotischer Komplikationen bei Patienten mit heparininduzierter Thrombozytopenie (HIT) eingesetzt wird. Obwohl es für viele Patienten eine sichere und wirksame Option ist, gibt es bestimmte Situationen, in denen die Verwendung von Argatroban kontraindiziert ist.
Eine der Hauptkontraindikationen für die Verwendung von Argatroban ist eine bekannte Überempfindlichkeit gegen das Medikament selbst oder gegen einen seiner Inhaltsstoffe. Bei Patienten, die allergische oder anaphylaktische Reaktionen auf Argatroban zeigen, sollte das Medikament vermieden werden.
Eine weitere wichtige Kontraindikation ist das Vorhandensein von schweren Blutungen oder ein hohes Risiko dafür. Argatroban erhöht das Blutungsrisiko, was bei Patienten mit aktiven oder potenziellen Blutungen wie gastrointestinalen Ulzera, intrakraniellen Blutungen oder anderen Bedingungen, die das Blutungsrisiko erhöhen, problematisch sein kann.
Argatroban sollte auch bei Patienten mit schwerer Leberfunktionsstörung mit Vorsicht angewendet werden, da es hauptsächlich in der Leber metabolisiert wird. Eine eingeschränkte Leberfunktion kann die Clearance des Medikaments verlangsamen, was zu einer erhöhten Exposition und einem höheren Risiko für Blutungen führen kann.
Die Entscheidung zur Verwendung von Argatroban muss unter sorgfältiger Abwägung der potenziellen Risiken und Vorteile erfolgen. Es ist wichtig, dass die Behandlung unter enger Überwachung durchgeführt wird, um sicherzustellen, dass die Therapie sicher und wirksam ist und das Risiko von Komplikationen minimiert wird. Patienten mit Kontraindikationen für Argatroban benötigen möglicherweise alternative Antikoagulantien, die besser zu ihrem klinischen Profil passen.
Interaktionen mit anderen Medikamenten
Argatroban, ein direkter Thrombininhibitor, kann bei gleichzeitiger Verwendung mit anderen Medikamenten zu wichtigen Wechselwirkungen führen. Diese Interaktionen müssen sorgfältig beachtet werden, um die Sicherheit der Patienten zu gewährleisten und die Effektivität der Behandlung zu optimieren.
Eine der wichtigsten Medikamenteninteraktionen tritt auf, wenn Argatroban zusammen mit anderen Antikoagulanzien wie Warfarin, Heparin oder anderen direkten oralen Antikoagulanzien wie Rivaroxaban oder Apixaban verwendet wird. Die Kombination dieser Medikamente kann das Blutungsrisiko signifikant erhöhen, da sie alle auf das Blutgerinnungssystem einwirken. Bei einer Umstellung von Argatroban auf Warfarin muss beispielsweise die Dosierung sorgfältig überwacht und angepasst werden, um eine Über- oder Unterkoagulation zu vermeiden.
Ebenso kann die gleichzeitige Anwendung von Argatroban und Thrombozytenaggregationshemmern wie Aspirin oder Clopidogrel das Risiko von Blutungen erhöhen. Diese Medikamente werden häufig in der Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen eingesetzt, und ihre Kombination mit Argatroban muss unter strenger medizinischer Überwachung erfolgen.
Auch die gleichzeitige Gabe von Argatroban mit nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAIDs), die ebenfalls das Blutungsrisiko erhöhen können, erfordert Vorsicht. Diese Medikamente beeinträchtigen die Funktion der Blutplättchen und können in Kombination mit Argatroban zu verstärkten Blutungen führen.
Schließlich müssen Interaktionen mit Arzneimitteln, die den Lebermetabolismus beeinflussen, berücksichtigt werden, da Argatroban in der Leber metabolisiert wird. Medikamente, die Enzyme des Cytochrom P450-Systems beeinflussen, können die Clearance von Argatroban verändern und somit seine Wirkung verstärken oder abschwächen.
Die Überwachung der Blutgerinnungswerte und regelmäßige Anpassungen der Dosierung sind entscheidend, um sicherzustellen, dass Argatroban sicher und wirksam bleibt, insbesondere wenn es in Kombination mit anderen Medikamenten verwendet wird.
Alternative Behandlungsmethoden
Wenn Argatroban aufgrund von Unverträglichkeiten oder spezifischen Kontraindikationen nicht geeignet ist, stehen verschiedene alternative Antikoagulanzien zur Verfügung, die je nach klinischer Situation des Patienten eingesetzt werden können.
Für Patienten mit heparininduzierter Thrombozytopenie (HIT), bei denen Argatroban häufig verwendet wird, kann Bivalirudin eine Alternative sein. Bivalirudin ist ebenfalls ein direkter Thrombininhibitor, der ähnliche therapeutische Wirkungen wie Argatroban hat, aber eine andere chemische Struktur besitzt, die möglicherweise besser vertragen wird. Es wird vor allem in der Kardiologie, beispielsweise bei perkutanen koronaren Interventionen, eingesetzt.
Ein weiteres alternatives Medikament ist Fondaparinux, ein synthetisches Heparin-Analogon, das nicht die gleichen Risiken für eine HIT wie heparinbasierte Produkte aufweist. Fondaparinux wirkt durch die selektive Hemmung von Faktor Xa und ist besonders nützlich für die Prävention und Behandlung von tiefen Venenthrombosen und Lungenembolien.
Danaparoid, ein weiteres alternatives Antikoagulans, kann ebenfalls bei HIT eingesetzt werden. Es ist eine Mischung aus Heparansulfat, Dermatansulfat und Chondroitinsulfat und hat eine geringere Wahrscheinlichkeit, eine HIT auszulösen.
Schließlich können auch direkte orale Antikoagulanzien (DOAKs) wie Dabigatran, das direkt Thrombin hemmt, oder Faktor Xa-Inhibitoren wie Rivaroxaban und Apixaban in Betracht gezogen werden. Diese Medikamente bieten den Vorteil der oralen Verabreichung und werden häufig zur Prävention von Schlaganfällen bei Patienten mit Vorhofflimmern und zur Behandlung von Thrombosen verwendet.
Bei der Auswahl einer alternativen Therapie ist es wichtig, die spezifischen medizinischen Bedingungen und Risiken des Patienten zu berücksichtigen, um eine sichere und wirksame Behandlung zu gewährleisten.
Quellen
- "Goodman & Gilman's The Pharmacological Basis of Therapeutics" von Laurence Brunton, Randa Hilal-Dandan, und Bjorn Knollmann
- "Rang & Dale's Pharmacology" von Humphrey P. Rang, Maureen M. Dale, James M. Ritter, und Rod J. Flower
- "Basic and Clinical Pharmacology" von Bertram Katzung, Anthony Trevor