I-Zellkrankheit

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 15. April 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die I-Zellkrankheit ist eine lyosomale Mukolipidose. Die Speicherkrankheit hat ihre Ursache in einer Mutation des GNPTA-Gens mit dem Genlocus q23.3 auf Chromosom 12. Die symptomatische Behandlung erfolgt vorwiegend durch die Gabe von Bisphosphonaten.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die I-Zellkrankheit?

Diagnosesichernd kann eine biochemische Bestimmung der lysosomalen Enzymaktivität im Serum erfolgen. Diese Bestimmung ergibt ein abwegiges Verhältnis der intra- und extrazellulären Aktivität.
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Speicherkrankheiten zeichnen sich durch die Ablagerung verschiedener Substanzen in Zellen und Organen des menschlichen Körpers aus. Es handelt sich dabei um eine heterogene Krankheitsgruppe, die sich in mehrere Unterformen unterscheiden lässt. Neben den Glykogenosen, den Mukopolysaccharidosen und den Lipidosen differenziert die Medizin abhängig von der abgelagerten Substanz Sphingolipidosen, Hämosiderosen und Amyloidosen.

Lysosomale Speicherkrankheiten betreffen die Lysosome. Dabei handelt es sich um winzige, membranummantelte Zellorganellen in den Eukaryonten. Lysosome werden vom Golgi-Apparat geformt und sind mit hydrolytischen Enzymen und Phosphatasen ausgestattet. Sie sollen mithilfe ihrer Enzyme vor allem Fremdstoffe und körpereigene Stoffe verdauen.

Die I-Zellkrankheit ist eine lyosomale Mukolipidose mit zwei verschiedenen Unterformen. Leroy und DeMars dokumentierten die Erkrankung in den 60er Jahren erstmals und verwiesen auf die Ähnlichkeit zur Mukopolysaccharidose Typ I, die als Morbus Hurler bekannt ist. Der Name der Erkrankung geht auf die Fibroblasteneinschlüsse, die sogenannten inclusin-cells in der Haut der Patienten zurück.

Ursachen

Die Ursache der I-Zell-Krankheit liegt in einer mangelnden Aktivität der N-Acetylglucosaminyl-1-Phosphotransferase. Die eingeschränkte Aktivität dieses Enzyms lässt einen großen Teil der lysosomalen Enzyme nicht ins Lysosominnere gelangen. Die Regulation der lysosomalen Enzyme ist durch die Aktivität der Phosphotransferase geprägt.

Sie ermöglicht in einem gesunden Organismus die Synthese eines Sortierungssignals. Dieser Prozess ist bei der I-Zellkrankheit gestört. Daher findet keine Markierung mit Mannose-6-phosphat statt. Aus diesem Grund werden die lysosomalen Enzyme nicht mehr ausreichend sortiert und wandern über die Plasmamembran unkontrolliert in die extrazelluläre Matrix ein.

Ursächlich dafür ist eine Mutation des GNPTAB-Gens. Sie nimmt der N-Acetylglucosaminyl-1-Phosphotransferase ihre Funktionalität und somit die Fähigkeit zur Katalysierung der Mannose-6-phosphat-Synthese. Der Transport lysomaler Enzyme ist so gestört. Die N-Acetyl-Glucosamin-1-Phosphotransferase besteht aus den Untereinheiten alpha, beta und gamma. Sie werden auf zwei Genen kodiert.

Die erbliche I-Zellkrankheit betrifft das GNPTA-Gen auf Chromosom 12. Im Genlocus q23.3 liegt eine Mutation vor. Für die seltene Krankheit wird eine Inzidenz von rund 0,3 : 100.000 angegeben. Die Vererbung unterliegt dem autosomal-rezessiven Erbgang. Beide Elternteil müssen zur Weitergabe der Erkrankung also das defekte Gen tragen.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Die Symptome der I-Zellkrankheit lassen sich in den meisten Fällen schon unmittelbar nach der Geburt oder spätestens einige Monate danach beobachten und gleichen in ihrer Charakteristik denen des Hurler-Syndroms. Anders als Patienten des Hurler-Syndroms zeigen die der I-Zellkrankheit keine Mukopolysaccharid-Ausscheidung.

Die einzelnen Symptome der Erkrankung unterliegen einer großen Variationsvielfalt. Kornfeld und Sly fassen klinische Merkmale des Skeletts, der inneren Organe, der Augen, der Haut, des Zentralnervensystems und des Gesichts zusammen. Das Skelett ist so häufig von Kyphoskoliose und Hüftluxationen betroffen.

Auch Klumpfüße, Gelenkkontrakturen und Deformitäten der Wirbel können vorliegen. Dasselbe gilt für Minderwuchs und Dysostosis multiplex. An den inneren Organen kann sich die Erkrankung in Form von Hepatosplenomegalie und Kardiomegalie oder Herzvitien bemerkbar machen. Das Gesicht der Patienten weist vergröberte Gesichtszüge auf.

Auch ein Exophthalmus, ein hyperplastisches Zahnfleisch oder eine Skaphozephalie sind typische Symptome. Ebenso charakteristisch sind ein offen gehaltener Mund und eine tief eingesunkene Nasenwurzel. Die Augen der Betroffenen weisen oft Hornhauttrübungen oder geschwollene Augenlider auf. Die Haut ist dick und derbe, wobei zentralnervös eine schwere psychomotorische oder geistige Retardierung vorliegt.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Die erste Verdachtsdiagnose auf die I-Zellkrankheit lässt sich auf Basis der Anamnese blickdiagnostisch stellen. Diagnosesichernd kann eine biochemische Bestimmung der lysosomalen Enzymaktivität im Serum erfolgen. Diese Bestimmung ergibt ein abwegiges Verhältnis der intra- und extrazellulären Aktivität.

Auch die Aktivität der Phosphotransferase in den Fibroblasten kann diagnosesichernd bestimmt werden. Die Einschlüsse entsprechend entweder Mukopolysacchariden, Lipiden oder Oligosacchariden. Eine molekulargenetische Diagnostik kann gegebenenfalls letzte Zweifel zerstreuen. Bei entsprechender Vorgeschichte kann die Erkrankung auch im Rahmen der Pränataldiagnostik diagnostiziert werden.

Wegen der geringen Prävalenz wird die pränatale Abklärung aber tatsächlich nur bei einer familiären Disposition empfohlen. Der Verlauf der Erkrankung hängt von der Symptomatik im Einzelfall ab und ist nicht direkt vorhersehbar. Die meisten Patienten überleben das zehnte Lebensjahr allerdings kaum. Gänzlich ausgeschlossen sind mildere Verlaufsformen im Einzelfall aber nicht.

Komplikationen

Durch die I-Zellkrankheit kann es zu verschiedenen Komplikationen und Beschwerden kommen. Diese werden allerdings erst spät erkannt, sodass die I-Zellkrankheit erst spät diagnostiziert werden kann. Die Symptome sind dabei relativ uneinheitlich, was die Behandlung oft erschwert. Es kommt dabei in der Regel zu Beschwerden und Fehlbildungen an der Haut, den Augen und auch an den inneren Organen.

Der Betroffene kann im schlimmsten Falle erblinden oder direkt an Organversagen sterben. Weiterhin kommt es zu einem ausgeprägten Minderwuchs und auch zu Beschwerden am Herzen. Die Augenlider sind oft geschwollen und es kommt zu einer verringerten Intelligenz und zu einer geistigen Retardierung. Nicht selten ist der Betroffene aufgrund der Retardierung auf die Hilfe anderer Menschen im Alltag angewiesen, um diesen meistern zu können.

Die Lebensqualität des Patienten wird durch die I-Zellkrankheit stark verringert. In der Regel kommt es bei der Behandlung der Krankheit nicht zu besonderen Komplikationen. Es werden Medikamente und psychologische Behandlungen eingesetzt, die die Beschwerden lindern können. Allerdings ist eine komplette und ursächliche Behandlung dieser Krankheit nicht möglich. Die Lebenserwartung wird durch die Krankheit gesenkt.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Die I-Zellkrankheit wird in aller Regel unmittelbar nach der Geburt des Kindes diagnostiziert. Ob weitere Behandlungsmaßnahmen erforderlich sind, hängt von der Art und Ausprägung der Beschwerden ab. Leichte Fehlbildungen müssen nicht zwingend behandelt werden. Klumpfüße und Deformitäten der Wirbel sind dagegen schwerwiegende Fehlbildungen, die operativ und medikamentös behandelt werden müssen. Die Eltern sollten umgehend einen Facharzt hinzuziehen, falls der zuständige Arzt in der Geburtsklinik dies nicht bereits getan hat.

Kommt es infolge der Beschwerden zu einem Unfall oder Sturz, muss das Kind ins Krankenhaus gebracht werden bzw. sollten die Eltern umgehend den Rettungsdienst einschalten. Bei starken Fehlbildungen, die sich im späteren Leben womöglich auch auf die Psyche des Kindes auswirken können, sollte begleitend zur ärztlichen Behandlung ein Therapeut eingeschaltet werden. Die I-Zellkrankheit bedarf also in jedem Fall einer ärztlichen Abklärung. Der richtige Ansprechpartner ist der Kinderarzt oder ein Facharzt für Erbkrankheiten. Bei Sehstörungen sollte begleitend dazu ein Augenarzt hinzugezogen werden.

Behandlung & Therapie

Die I-Zellkrankheit gilt als unheilbar. Eine ursächliche Therapie existiert daher nicht. Die Behandlung findet ausschließlich symptomatisch und supportiv statt. Die psychotherapeutische Betreuung betroffener Familien macht einen Großteil der supportiven Therapie aus. Die symptomatische Therapie erfolgt abhängig vom Einzelfall. Die Knochensymptomatik wird oft durch die Gabe von Bisphosphonaten behandelt.

Diese Medikamente sind aus der Osteoporosebehandlung bekannt und weisen eine hohe Affinität zur Knochenoberfläche auf. Vor allem in der Region der Resorptionslakunen binden sie an den Knochen. Damit hemmen sie die knochenabbauenden Osteoklasten und vermindern auf diese Weise die Knochenresorption. Die Medikamente zählen zu den Pyrophosphat-Analoga mit einer kohlenstoffhaltigen P-O-P Bindung.

Eine enzymatische Hydrolyse findet an ihnen so nicht statt. Zu den aktuellsten dieser Substanzen gehören die Aminobisphosphonate. Daneben sind in Deutschland aus derselben Medikamentengruppe Alendronate, Clodronate, Etidronate, Ibandronate, Pamidronate und Risendronate zugelassen. Dasselbe gilt für Tiludronate und Zoledronate.

Neben diesen Medikamenten bieten sich zur Behandlung der I-Zellkrankheit Knochenmarktransplantation an. Der Erfolg dieser Behandlung war bei den bisherigen Fällen aber nur begrenzt. Gentherapien werden mittlerweile als neuer Therapieansatz für Gendefekte untersucht. Am Tiermodell haben Gentherapien erste Erfolge gezeigt. Praxisnah einsetzbar sind sie am Menschen bislang nicht. In Zukunft wird sich dieser Zusammenhang aber vermutlich ändern.


Aussicht & Prognose

Bei der I-Zellkrankheit handelt es sich um eine erbliche Erkrankung, die bislang nicht symptomatisch behandelt werden kann. Dementsprechend negativ ist die Prognose. Zwar können die Symptome durch eine frühzeitige Therapie erheblich reduziert werden, dennoch nimmt die I-Zellkrankheit fast immer einen schwerwiegenden Verlauf.

Der Minderwuchs und die Schäden an den inneren Organen sowie am Kopf reduzieren die Lebenserwartung bereits erheblich. Weiterhin kann es durch Fehlbildungen im Bereich des Gesicht, der Haut und der Augen zu einer Einschränkung der Lebenserwartung, aber in erster Linie auch der Lebensqualität des Betroffenen kommen. Einige Betroffene erreichen das 40. oder 50. Lebensjahr, meist sterben die Erkrankten jedoch bereits im Kindes- oder Jugendalter.

Wird die I-Zellkrankheit nicht behandelt, versterben die Erkrankten oft schon in den ersten Lebensjahren. Die Prognose ist dementsprechend eher negativ. Dennoch ist die Aussicht auf ein relativ beschwerdefreies Leben gegeben, wenn der Patient im Rahmen einer umfassenden Therapie behandelt wird und gegebenenfalls in einer Einrichtung für körperlich behinderte Menschen untergebracht wird. Eine Physiotherapie sowie therapeutische Maßnahmen können das Wohlbefinden des Erkrankten langfristig erheblich verbessern.

Vorbeugung

Der I-Zellkrankheit lässt sich lediglich durch eine molekulargenetische Untersuchung vor der Familienplanung vorbeugen. Im Rahmen der Pränataldiagnostik können sich werdende Eltern außerdem für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden.

Nachsorge

In den meisten Fällen stehen Betroffenen bei der I-Zellkrankheit keine oder nur sehr wenige Maßnahmen einer Nachsorge zur Verfügung. Dabei muss die Krankheit möglichst früh von einem Arzt erkannt werden, damit eine weitere Verschlechterung der Beschwerden verhindert werden kann. Da es sich dabei um eine genetisch bedingte Krankheit handelt, sollte im Falle eines Kinderwunsches immer zuerst eine genetische Untersuchung und Beratung durchgeführt werden, um eine Weitervererbung der I-Zellkrankheit an Nachfahren zu vermeiden.

Die meisten Patienten sind bei dieser Krankheit auf die Einnahme von verschiedenen Medikamenten angewiesen. Hierbei ist auf eine richtige Dosierung und auch auf eine regelmäßige Einnahme der Arzneimittel zu achten. Bei Unklarheiten, Nebenwirkungen oder bei Fragen ist immer zuerst ein Arzt zu konsultieren.

Ebenso benötigen viele Betroffene eine psychologische Unterstützung bei dieser Krankheit, wobei sich auch liebevolle Gespräche mit den Eltern oder mit den Angehörigen positiv auf den Verlauf der Erkrankung auswirken können. Eine Betroffene benötigen dabei die Hilfe und die Unterstützung im Alltag durch die eigene Familie. In vielen Fällen schränkt die I-Zellkrankheit die Lebenserwartung des Betroffenen deutlich ein oder verringert diese.

Das können Sie selbst tun

Patienten, die an der I-Zellkrankheit leiden, können auf verschiedene konservative und alternative Behandlungsmethoden zurückgreifen. Die konservative Therapie konzentriert sich auf die Linderung der Symptome und Beschwerden.

Die Verwendung von Hilfsmitteln wie Krücken oder orthopädischen Einlagen kann den Verlauf der jeweiligen Fehlbildungen verlangsamen und damit auch die Schmerzen reduzieren. Medikamente tragen zur Schmerzlinderung bei und können um alternative Maßnahmen wie Massagen oder Akupunktur ergänzt werden. Alternative Therapien sollten aber zuvor mit dem zuständigen Arzt besprochen werden. Womöglich kann der Mediziner den Patienten direkt an einen Homöopathen verweisen oder weitere Tipps zur Behandlung des jeweiligen Symptoms geben.

Da die I-Zellkrankheit trotz aller Behandlungsmöglichkeiten meist tödlich verläuft, sollte eine therapeutische Beratung in Anspruch genommen werden. Nicht nur der Betroffene sollte seine Ängste aufarbeiten. Die Angehörigen und Freunde benötigen meist ebenfalls Unterstützung im Umgang mit der Erkrankung und einem möglicherweise negativen Verlauf. Für den Patienten und die Angehörigen kommt auch die Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe infrage. Der Kontakt mit anderen Betroffenen hilft dabei, die Krankheit zu akzeptieren, und oftmals können andere Erkrankte auch weitere Behandlungsmaßnahmen und Strategien für das tägliche Leben mit der I-Zellkrankheit nennen.

Quellen

  • Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • Murken, J., Grimm, T., Holinski-Feder, E., Zerres, K. (Hrsg.): Taschenlehrbuch Humangenetik. Thieme, Stuttgart 2011

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