Lithiumtherapie

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 10. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die Lithiumtherapie wird bei affektiven Störungen und bei therapieresistenter Schizophrenie eingesetzt. Lithium bewirkt eine Stabilisierung der Stimmung und ist der einzige bekannte Arzneistoff, der eine nachweislich suizidverhütende Wirkung hat.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die Lithiumtherapie?

Bei der in der Psychiatrie eingesetzten Lithiumtherapie wird Lithium zur Stabilisierung der Stimmung verabreicht. Die Anwendung von Lithium als Arzneistoff im Kontext der Psychiatrie erfolgt bereits seit Beginn des 20. Jahrhunderts.

Die Lithiumtherapie ist die einzige Therapie, die bei affektiven Störungen, z. B. bei Depressionen und der bipolaren Störung, suizidverhütend wirkt. Lithium wird nicht selbst, sondern in Form seiner Salze verabreicht. Die Lithiumtherapie gilt als gut erforscht und sicher. In der richtigen Dosierung sind die Salze des Lithiums gut verträglich und wirksam. Der genaue Wirkmechanismus der Lithiumtherapie ist jedoch nicht bekannt.

Funktion, Wirkung & Ziele

Die Lithiumtherapie wird bei wiederkehrenden Depressionen, wiederkehrenden Phasen von Manie und Depression im Rahmen der bipolaren Störung und bei therapieresistenter Schizophrenie angewendet. Überdies wird Lithium auch als Mittel der zweiten Wahl zur vorbeugenden Behandlung des Cluster-Kopfschmerzes angewendet.

In Europa wird in der Psychiatrie jedoch die Gabe von Antiepileptika zur Stabilisierung der Stimmung bevorzugt. In den USA ist die Lithiumtherapie bei den genannten Indikationen dagegen deutlich weiter verbreitet. Erstmals als psychiatrisches Medikament beschrieben wurde Lithium im Jahre 1949 durch den australischen Psychiater John F. Cade. Dieser hatte die antimanische Wirkung des Stoffes eher zufällig in einem Tierversuch entdeckt und den Stoff anschließend seinen manischen Patienten verabreicht und auch bei diesen eine Wirkung festgestellt. Cade war bis zu seinem Tod maßgeblich an der Weiterentwicklung der Therapie mit Lithium beteiligt.

Der genaue Wirkmechanismus des Stoffes ist trotz der guten Erforschung bis heute nicht bekannt. Es ist lediglich erwiesen, dass die Salze des Lithiums an sehr vielen unterschiedlichen Stellen verändernd auf die Funktionen des Körpers einwirken. Allgemein wird vermutet, dass die Wirksamkeit der Lithiumtherapie bei den genannten psychiatrischen Erkrankungen darauf beruht, dass während einer manischen Episode durch das Lithium ein Überschuss an Noradrenalin gesenkt wird, wohingegen während depressiver Episoden die Produktion des Serotonins angeregt wird. Die Lithiumtherapie kann somit, sofern sie über eine längere Zeit hinweg durchgeführt wird, zu einem Ausgleichen der Stimmung des Patienten führen.

Die Annahme erscheint insofern schlüssig, als dass sich die Effekte des Lithiums durch die regulierende und ausgleichende Wirkung logisch erklären lassen würden. Ein abschließender Nachweis, dass die Wirkung tatsächlich aus den genannten Vorgängen resultiert, ist bisher jedoch nicht erbracht worden. Die therapeutische Breite, also der Bereich zwischen der effektiven und der schädlichen Dosis, ist beim Lithium gering. Aus diesem Grund ist von einer Selbstdurchführung der Lithiumtherapie klar abzuraten. Des Weiteren muss die Konzentration des Lithiums im Blut während der Therapie regelmäßig kontrolliert werden, um eine Überdosierung ausschließen zu können.

Absolute Kontraindikationen bestehen im akuten Myokardinfarkt, einer ausgeprägten Hyponatriämie (zu geringe Natriumkonzentration im Blut), einer schweren Niereninsuffizienz, akutem Nierenversagen und einer schweren Herzinsuffizienz. Zudem bestehen in einer Schwangerschaft und im Vorliegen des Morbus Addison (Nebennierenrindeninsuffizienz) relative Kontraindikationen. Zur Umsetzung der Lithiumtherapie während der Schwangerschaft liegen einige Erkenntnisse vor.

Da nach einer Lithiumtherapie während der Schwangerschaft gehäuft Fehlbildungen bei den Neugeborenen auftraten, wurden die Salze des Lithiums als teratogen (fruchtschädigend) angesehen und von einer Anwendung in der Schwangerschaft abgeraten, um das ungeborene Kind nicht zu gefährden. Heute hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Lithiumtherapie in der Schwangerschaft zwar durchaus risikobehaftet ist, jedoch nicht in jedem Falle ausgeschlossen werden sollte. Auch die mit der Lithiumtherapie gut zu behandelnden Erkrankungen können für das ungeborene Kind gefährlich werden.

Das Risiko für Fehlbildungen des Neugeborenen ist nach einer Lithiumtherapie der Schwangeren nachweislich um das fünf- bis zehnfache erhöht. Als Richtlinie gilt heute eine sehr strenge Indikationsstellung; eine erwünschte gleichbleibend niedrige Serumkonzentration des Lithiums, wozu eine Dosisanpassung notwendig ist; eine Reduzierung der Dosis in der Woche der Geburt; eine Überwachung des Neugeborenen auf Symptome einer Vergiftung und, sofern die Therapie bereits im ersten Drittel der Schwangerschaft erfolgt, eine Ultraschalldiagnostik und Echokardiographie des Fötus.

Lithium ist das einzige Mittel, das die Suizidgefahr bei affektiven Störungen nachweislich senken kann. Darüber hinaus wurde durch eine Gruppe der Universität Wien nachgewiesen, dass die Suizidrate in Regionen mit einer hohen Konzentration von Lithium im Trinkwasser niedriger ist als in Regionen mit einer niedrigen Konzentration des Stoffes im Trinkwasser.


Risiken, Nebenwirkungen & Gefahren

Die Lithiumtherapie ist, wie auch jede andere Arzneimitteltherapie, mit gewissen Risiken verbunden. So kann es im Rahmen der Therapie zu einigen mehr oder weniger schwerwiegenden Nebenwirkungen kommen. Eine Gewichtszunahme, Kreislaufstörungen, ein besonders in den Händen auftretendes Zittern, Übelkeit, Erbrechen, Veränderungen des Blutbilds (Leukozytose), Müdigkeit, verstärkter Durst und verstärktes Wasserlassen, Durchfall und eine Unterfunktion der Schilddrüse sind typische Nebenwirkungen der Lithiumtherapie.

Wird die therapeutische Dosis überschritten, kann es zu Schläfrigkeit, Krämpfen und Koma kommen. Da die therapeutische Breite des Arzneistoffes gering ist, ist eine regelmäßige Kontrolle des Serumspiegels empfohlen, um die Gefahr des Auftretens derartiger Komplikationen zu senken. Bei längerer Anwendung kann es auch in therapeutischen Dosen zum Diabetes insipidus, zur Azidose (Übersäuerung des Blutes) und zur sogenannten Lithium-Nephropathie mit eingeschränkter Nierenfunktion kommen.

Ibuprofen, Diclofenac und andere NSAR sowie ACE-Hemmer interagieren insofern mit Lithium, als dass sie die Ausscheidung des Stoffes hemmen. Lithium macht nicht abhängig. Dennoch ist ein Ausschleichen notwendig, um Nebenwirkungen des Absetzens zu vermeiden.

Quellen

  • Arolt, V., Reimer, C., Dilling, H.: Basiswissen Psychiatrie und Psychotherapie. Springer, Heidelberg 2007
  • Köhler, T.: Medizin für Psychologen und Psychotherapeuten. Schattauer, Stuttgart 2014
  • Schneider, F.: Facharztwissen Psychiatrie und Psychotherapie. Springer, Berlin 2012

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