Nestschutz
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 12. November 2021Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Als "'Nestschutz"' wird die Übergabe mütterlicher Immunzellen an das Baby bezeichnet, die es einige Wochen nach der Geburt mit dem Immunsystem der Mutter ausstatten. In dieser Zeit baut das Baby erste eigene Immunzellen auf.
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Was ist der Nestschutz?
Das Immunsystem entsteht durch Erfahrung. Erfahrung bedeutet, dass der Mensch Kontakt zu gewissen Keimen gehabt haben muss, damit er gegen sie immun werden kann. Einen großen Anteil am Aufbau eines gesunden Immunsystems übernehmen Impfungen, während andere Immunzellen lediglich Zeit nach der Geburt benötigen.
Würde ein Fötus vor der Geburt ein eigenes Immunsystem aufbauen, wäre es möglich, dass der Körper seiner Mutter ihn als fremd erkennt und ihn in der Folge abstößt. Weiterhin braucht er im Mutterleib auch noch kein eigenes Immunsystem, denn der Immunschutz der Mutter reicht für beide.
Nach der Geburt ist das Baby zunächst exponiert und kommt mit einer Reihe an alltäglichen Keimen in Berührung. Ohne jeglichen Schutz könnte es an der kleinsten Erkältung sterben. Damit es Zeit hat, sein eigenes Immunsystem ausreifen zu lassen, erhält es die Immunzellen der Mutter. Das passiert Wochen vor seiner Geburt, indem sie durch die Plazenta von der Mutter an das Kind gegeben werden. Ist die Mutter beispielsweise gegen Masern geimpft, so besteht für einige Wochen auch beim Baby ein gewisser Schutz dagegen.
Der Nestschutz hält etwa drei bis sechs Lebensmonate, je nach Erreger. Bei gestillten Babys hält er länger, da das Kolostrum (die erste Muttermilch) dem Baby IgA-Immunzellen mitgibt, die unter anderem gegen Darmerkrankungen schützen.
In dieser Zeit kann das Baby geimpft werden, da der Nestschutz bereits vor Ablauf dieser ersten Lebenswochen und -monate schwächer wird.
Funktion & Aufgabe
Aus diesem Grund geschieht in den letzten Wochen vor der Geburt eine Passiv-Immunisierung: durch die Plazenta werden Immunzellen der Mutter des Typs IgG an das Baby übertragen. IgG-Zellen entstehen etwa 6 Wochen nach einer Infektion und sorgen für den bleibenden Immunschutz. Sie sind damit mehr als eine schnelle Immunreaktion.
Die Art des Nestschutzes hängt vom Immunsystem der Mutter ab. Er schützt beispielsweise geringfügig vor Erkältungen, wenn die Mutter vor kurzer Zeit noch erkältet war. Geimpfte Mütter geben ihren Babys als Nestschutz Antikörper, unter anderem gegen Masern, Mumps und Röteln. Diese Antikörper wirken noch besser, wenn sie die entsprechende Erkrankung in ihrer Kindheit selbst durchgemacht haben, jedoch wirkt sich eine Schutzimpfung der Mutter ebenfalls spürbar aus.
Der Nestschutz setzt sich beim Stillen fort: besonders im Kolostrum erhält das Baby eine weitere Portion IgA-Immunzellen, die sich jetzt auf den Darm auswirken. Kinder, die gerade in der ersten Lebenszeit weiter gestillt werden, profitieren länger vom Nestschutz als Flaschenkinder, weshalb das Stillen unter anderem so empfehlenswert ist.
Spätestens ab dem ersten Lebensjahr ist der Nestschutz durch die Mutter vollständig verschwunden, das Baby hat in dieser Zeit allerdings auch eigene Erfahrungen mit Krankheitserregern gemacht und die ersten eigenen Immunzellen gebildet. Hatte es dagegen keinen Kontakt mit dem Erreger, verliert es den mütterlichen Immunschutz und muss selbst geimpft werden, um wieder geschützt zu sein.
Krankheiten & Beschwerden
Bestenfalls sollte noch vor der Schwangerschaft mittels Blutbild überprüft werden, ob die Frau alle erforderlichen Schutzimpfungen hat, da es in der Schwangerschaft für die Impfung zu spät sein kann und der Nestschutz des Babys damit eingeschränkt wäre.
Bei der späteren Impfung des Babys ist zu beachten, wie lange der Nestschutz durch die Mutter nach der Geburt währt. Es ist deswegen nicht sinnvoll, ein Baby in den ersten Lebenstagen zu impfen, denn wenn der Nestschutz noch vorhanden wäre, würde er die Impfung neutralisieren und sie wäre umsonst. Deshalb warten Kinderärzte je nach Art der Schutzimpfung mehrere Wochen und Monate, bis sie den Termin ansetzen.
Stillkinder erhalten über die Muttermilch weiteren Immunschutz, vor allem gegen Darmerkrankungen. Flaschenkinder erhalten zwar vergleichbare Nährstoffe, aber keine Fortsetzung des Nestschutzes, da Flaschennahrung keine Immunzellen enthalten kann.
Zudem sollte jede Infektion des Babys ernst genommen werden, da gegen manche Erreger, wie den der Tetanus (Clostridium_tetani), kein Nestschutz entsteht und häufige Erkrankungen auf eine ernste Abwehrschwäche des Babys hindeuten können. Den Verdacht kann ein Kinderarzt abklären.
Quellen
- Goerke, K., Steller, J., Valet, A.: Klinikleitfaden Gynäkologie. Urban & Fischer, München 2003
- Kaufmann, M., Costa, S.-D., Scharl, A. (Hrsg.): Die Gynäkologie. Springer, Berlin 2013
- Stauber, M., Weyerstrahl, T.: Gynäkologie und Geburtshilfe. Thieme, Stuttgart 2013