Picornaviridae
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 15. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Die Picornaviridae bilden eine Familie aus unbehüllten Viren. Die meisten Gattungen der Familie sind ungewöhnlich resistent gegenüber Säuren und Alkohol, sodass sie auch im Magen-Darm-Trakt überleben. Zu den bekanntesten Viren der Familie zählen das Poliovirus und das Hepatitis-A-Virus.
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Was sind Picornaviridae?
Picornaviridae oder Picornaviren entsprechen einer Familie von Viren, die der Ordnung Picornavirales zuzuordnen sind. Bei den einzelnen Arten handelt es sich um unbehüllte Viren, die mit dem Genom einer einzelsträngig linearen RNA positiver Polarität ausgestattet sind.
Viren der Familie Picornaviridae werden lediglich 22 bis 30 nm groß. Das macht sie zu den kleinsten Viren, die bislang bekannt sind. Bezogen auf die Größe ist auch die Namensgebung "pico" zu versehen, was wörtlich übersetzt "sehr klein" bedeutet.
Picornaviren befallen eine Vielzahl von Wirbeltiere, an denen sie extrem unterschiedliche Erkrankungen hervorrufen können. Von einer harmlosen Erkältung bis zu Durchfallerkrankungen, Schleimhautentzündung und Infektionen des zentralen Nervensystems können vielfältige Symptome auf die verschiedenen Arten der winzigen Viren zurückzuführen sein.
Die Unterarten der Familie werden meist unterteilt in Subtypen systematisiert. Sie besitzen große Oberflächenvarianz und sind, damit einhergehend, mit antigenetischer Variabilität assoziiert. Rund 370 Subtypen von Picornaviren wurden mittlerweile klassifiziert. Einer der relevantesten Vertreter der Picornaviridae für den Menschen ist das Poliovirus. Darüber hinaus zählt das Hepatitis-A-Virus mit zu den Picornaviridae.
Vorkommen, Verbreitung & Eigenschaften
Ihr Kapsid besteht in der Regel aus vier Virusproteinen, die als VP1 bis VP4 bezeichnet werden. Bei einigen Spezies der Familie ist im Kapsid in geringer Konzentration das Vorläuferprotein VP0 enthalten, das in der Reifung durch proteolytische Spaltungsvorgänge eigentlich zu den Proteinen VP2 und VP4 wird. Die vier Strukturproteine der Viren bilden ein Kapsomer aus. VP4 kleidet die innere Kapsid-Seite aus und ist durch positiv geladene Aminosäurereste mit der RNA der Viren assoziiert. Rund 60 Kapsomere lagern sich innerhalb eins Kapsids zu einem sogenannten Ikosaeder zusammen. Die Viren-Oberfläche besteht aus den drei Proteinen VP1 bis 3, von denen jeweils die antigenetische Eigenschaft und die Serotyp-Einteilung der einzelnen Viren abhängt.
Picornaviren sind ohne eine Virushülle extrem stabil gegenüber aller Alkohole und milderen Detergenzien. Gattungen wie das Enterovirus und das Hepatovirus sind auch gegen starke Detergenzien und pH-Werte von weniger als 3,0 stabil. Damit besitzen sie hohe Umweltresistenz und werden durch das saure Milieu im Verdauungstrakt nicht unschädlich gemacht.
Besonders stabile Viren der Familie infizieren den Menschen damit über den Verdauungstrakt und erreichen erst von dort aus Zielorgane wie das zentrale Nervensystem oder die Lunge. Weniger stabile Gattungen der Picornaviridae werden eher durch Tröpfchen- und Schmierinfektion des Nasen-Rachen-Raums übertragen.
Zu den mitunter bekanntesten Erkrankungen durch Picornaviridae zählt die Poliomyelitis, die sich nach einer Infektion mit dem Poliovirus einstellt.
Krankheiten & Beschwerden
Bei der spinalen Verlaufsform betreffen die Lähmungen insbesondere die Extremitäten und den Rumpf. Auch Störungen der Atmung kommen aber vor. Ein Befall des hirnnahen Rückenmarks ist prognostisch enorm ungünstig und kann eine zentrale Atemlähmung hervorrufen.
Auch das Hepatitis-A-Virus ist eine mit den Picornaviridae assoziierte Erkrankung, die beim Menschen zum Ausbruch einer Hepatitis A führt. Die Infektion mit dem Hepatitis-A-Virus ist meist eine fäkal-orale Infektion, seltener wird das Virus parenteral übertragen. Rohe oder unzureichend gekochte Lebensmittel oder kontaminiertes Trinkwasser stellen die verbreitetsten Infektionsquellen dar.
Hepatitis A verläuft oft asymptomatisch. Bei einem symptomatischen Verlauf stellt sich nach Inkubationszeiten von bis zu sechs Wochen eine Phase der unspezifischen Symptome ein. Neben Fieber, Übelkeit und Bauchschmerzen liegen meist Myalgien (Muskelschmerzen) und Arthralgien (Gelenkschmerzen) vor, die zunächst für einen grippalen Infekt gehalten werden können. Im Verlauf der Erkrankung stellt sich eine mehr oder weniger schwere Lebersymptomatik ein, die Gelbsucht mit einer Entfärbung des Stuhls und Druckschmerzen an der Leber bedingen kann.
Nicht jedes der genannten Symptome muss zwingend vorhanden sein. Bei einer fulminanten Hepatitis kommt es zu zusätzlichen Symptomen, wobei sich eine Leberinsuffizienz entwickeln kann. Ein derart schwerer Verlauf tritt jedoch nur sehr selten ein.
Schon ein oder zwei Wochen vor Einsetzen der Erkrankung kann der Patient die Krankheit bereits auf andere Menschen übertragen. Picornaviridae befallen zudem nicht ausschließlich Menschen, sondern rufen auch an anderen Wirbeltieren Erkrankungen hervor. Dazu zählt zum Beispiel die Maul-und-Klauen-Seuche. Für diese Krankheit besteht virale Zoonose, das heißt, eine artenunabhängige Übertragung ist möglich. Die Infektion wird auf den Menschen so zum Beispiel durch Klauentiere, wie Rinder, Schweine oder Schafe in Form von Schmierinfektion übertragen. Auch infizierte Gegenstände und kontaminierte Milchprodukte stellen eine Infektionsquelle dar.
Quellen
- Doerfler, W.: Viren. Fischer Taschenbuch, Berlin 2015
- Hofmann, F., Tiller, F.,W.: Praktische Infektiologie. ecomed-Storck, Hamburg 2011
- Neumeister, B., Geiss, H., Braun, R.: Mikrobiologische Diagnostik. Thieme, Stuttgart 2009